Wolfgang Peschorn vertritt im Fall Signa die Interessen des österreichischen Staates. Er fordert mehr Transparenz sowohl bei der Abwicklung der Immobiliengesellschaften als auch bei René Benkos Privatinsolvenz.
Vor einem Jahr zerbrach der Immobilien- und Handelskonzern des österreichischen Investors René Benko. Ende November 2023 meldete die Signa-Holding Insolvenz an, kurz darauf folgten die Immobiliengesellschaften Signa Prime und Signa Development – und wenige Monate später schliesslich René Benko selbst.
Seither geben die Vorgänge rund um die Abwicklung dieser Insolvenzen regelmässig Rätsel auf. Warum behält das bisherige Management die Kontrolle über die Firmen? Weshalb werden Liegenschaften an langjährige Vertraute von René Benko verkauft? Und wie kann es sein, dass dieser trotz Insolvenz ein Luxusleben führt?
Wolfgang Peschorn, Leiter der österreichischen Finanzprokuratur, will mehr Licht in die Aufarbeitung des Signa-Kollapses bringen. Seiner Ansicht hätte eine Sanierung in Eigenverwaltung, bei der im Prinzip die alte Führungsriege am Drücker bleibt, gar nie erlaubt werden dürfen. Er hat deshalb vor Gericht beantragt, dass die Signa Prime, in der René Benko seine wichtigsten Luxusimmobilien gebündelt hatte, in ein klassisches Konkursverfahren wechseln muss. Vor kurzem hat ihm der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien Recht gegeben.
Im Gespräch erklärt Peschorn, was ihn am bisherigen Insolvenzverfahren gestört hat, weshalb er glaubt, dass René Benko seine früheren Machenschaften bis heute fortsetzt und was mit dem neuen Verfahren besser werden könnte.
Herr Peschorn, Sie haben erzwungen, dass bei der Signa Prime die Sanierung in Eigenverwaltung endet und die Gesellschaft ab jetzt ein normales Konkursverfahren durchlaufen muss. Weshalb wurde dieser Weg nicht von Anfang an gewählt?
Wer dieses Vorgehen bestimmt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber die Signa Prime als Schuldnerin und ihre Führungsriege haben damit wohl versucht, ihre Situation zu optimieren. Ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung bietet Schutz vor den Gläubigern, ohne die Hoheit über die Entscheidungen abgeben zu müssen.
Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Insolvenzverfahrens?
Es fehlt vor allem an einer gesamtheitlichen Aufarbeitung. Nach unseren Recherchen gibt es 1138 Gesellschaften, die dem Signa-Konglomerat zuzuordnen sind. Man kann das mit einem Schloss à la Versailles mit 1138 Zimmern vergleichen. Wenn ich nur in ein Zimmer hineinblicke und nicht in die Zimmer des Nordtrakts des Schlosses, dann bekomme ich sicher nicht alle Informationen, die für die Beurteilung des ganzen Gebäudes und damit für ein bestimmtes Zimmer von Bedeutung sind. Und wenn ich nicht einmal versuche, Licht ins Dunkel eines Zimmers zu bringen, indem die Dinge kritisch hinterfragt werden, um zu verstehen, was passiert ist, dann wird das Ergebnis unvollständig und falsch sein.
Weshalb wird diese Gesamtsicht nicht vorgenommen?
Es wird gerne darauf verwiesen, dass es in Österreich kein Konzerninsolvenzrecht gibt. Damit könne man die anderen Gesellschaften nicht in die Verfahren mit einbeziehen, denn diese seien ja auch nicht insolvent. Das ist für mich keine ausreichende Begründung. Die Sanierungsverwalter und die Insolvenzrichter könnten zusammenarbeiten, soweit keine Interessenkollision im Einzelfall besteht.
Welche Konsequenzen hat das?
Im Fall der Signa Prime hat der Sanierungsverwalter Forderungen von Gläubigern anerkannt, die aus Garantien resultieren, welche von Zwischengesellschaften der Signa Prime gegenüber sogenannten Investoren abgegeben wurden. Diesen Garantien müsste ein Sanierungsverwalter nachgehen und auch prüfen, ob diese anfechtbar sind. Dazu wäre zu fragen, wer jene sind, die davon profitieren. Möglicherweise wurde aus dem Signa-Unternehmenskonglomerat stammendes Geld über mehrere Aussenstationen wieder in die Signa-Struktur zurückgebracht. Damit hätte man zu Unrecht Eigenkapital dargestellt, das dann noch durch eine eigene Garantie besichert werden sollte. So etwas wäre natürlich rechtswidrig.
Welche «sogenannten Investoren» meinen Sie?
Ich meine Investoren, bei denen die Grundlagen des Investments nicht klar sind. Ich habe kürzlich einen Vortrag vor Immobilientreuhändern gehalten. Als ich auf die vielen Zwischengesellschaften zu sprechen kam, die unter der Signa Prime eingerichtet sind und unter denen die Projektgesellschaften hängen, meinte ein Zuhörer, es sei absolut üblich in der Branche, dass man für jedes Immobilienprojekt eine eigene Gesellschaft habe. Aber das ist eben bei diesen Zwischengesellschaften nicht der Fall. Sie waren wohl dazu bestimmt, gewissen Investoren einen Vorrang gegenüber anderen einzuräumen. Das alles war auch ein Baustein der strukturellen Intransparenz.
Sie haben auch davor gewarnt, dass eine mögliche Parallelstruktur entstehen könnte; «Signa 2» haben Sie die genannt.
Damit meinte ich, dass es nicht nur wichtig ist, zu wissen, was in der Vergangenheit mit welchem Ziel geschehen und wo das Vermögen hingekommen ist, sondern auch, was Herr Benko jetzt macht. Wenn man das nicht weiss, kann nach den logischen Denkgesetzen nicht ausgeschlossen werden, dass eine Parallelwelt aufgebaut wird, vielleicht eine Signa 2. Es ist für mich unwahrscheinlich, dass ein Herr Benko, der schon als faktischer Geschäftsführer aller Signa-Unternehmungen bezeichnet wurde, nicht das fortsetzt, was er vor den Insolvenzen getan hat.
Was meinen Sie damit genau?
Die jüngst medial bekanntgewordenen Vorfälle, wie etwa ein Jagdausflug, zeigen deutlich, dass er bei seiner Lebensführung auch aus den Privatstiftungen wie der nach seiner Tochter Laura benannten Laura-Privatstiftung unterstützt wird. Das könnte ihm die persönliche Sicherheit verschaffen, um mit Gläubigern ins Gespräch zu kommen, mit dem Ziel, sie durch neue Geschäfte zu beruhigen und zu befriedigen. Auch deswegen sollte sein Insolvenzverwalter wissen, was der Schuldner René Benko tut.
Weiss der Insolvenzverwalter von René Benkos persönlicher Insolvenz zu wenig genau, was sein Mandant tut?
Die Republik Österreich hat wegen einer Steuerschuld gegen René Benko im Januar 2024 einen Insolvenzantrag gestellt. Seit dem 8. März befindet sich dieser in einer Insolvenz. Die öffentlich bekannte Lebensführung entspricht nicht den Erfahrungen anderer Personen, die insolvent waren. Nicht nur der luxuriöse Lebenswandel, der durch die Laura-Privatstiftung und seiner Mutter als Hauptbegünstigte dieser Stiftung ermöglicht werden soll, wirft die Frage auf, ob diese Vermögenswerte nicht den Gläubigern zustehen und wie man zugunsten dieser auf die Stiftungen Einfluss nehmen könnte. Das wäre die Aufgabe des Insolvenzverwalters, der vom Gericht bestellt wird und zu überwachen ist.
Welche Rolle spielen die Stiftungen in René Benkos Umfeld?
Das kann man nur seriös beurteilen, wenn der Sachverhalt vollständig erhoben ist. Es ist evident, dass die Mutter des Herrn Benko, die regelmässig Hauptbegünstigte der Stiftungen ist, dieses Vermögen nicht erwirtschaften konnte. Sehr wahrscheinlich wurde dieses Vermögen aus dem Signa-Unternehmenskonglomerat den Stiftungen zugeführt.
Wie haben diese Vermögensverschiebungen funktioniert?
Ein mögliches Beispiel dafür könnten die Vorgänge rund um den seinerzeitigen Erwerb der Liegenschaft an der Mariahilfer Strasse in Wien liefern, wo das Kaufhaus Lamarr hätte entstehen sollen: 2017 soll die Liegenschaft für 60 Millionen Euro von einer Tochtergesellschaft der Laura-Privatstiftung gekauft worden sein. Zwei Jahre später soll diese für 190 Millionen Euro an eine Gesellschaft im Bereich der Signa Prime weiterverkauft worden sein. In zwei Jahren wäre dadurch ein Gewinn von 130 Millionen Euro erzielt worden. Es liegt für einen Beobachter nahe, dass dieser Gewinn an die Gesellschafterin, sprich die Laura-Privatstiftung, abgeführt wurde.
Was ändert sich nun konkret mit der Umstellung auf ein Konkursverfahren?
Jedenfalls nicht das, was fälschlicherweise behauptet wird: Nämlich, dass es nun zu einem raschen und wertvernichtenden Abverkauf kommen muss. Die Verwertung im Konkursverfahren hat bestmöglich zu erfolgen und kann bei Bedarf sogar mehr Zeit in Anspruch nehmen als in einem Sanierungsplan. Ich kenne Konkursverfahren, die 15 Jahre gedauert haben. Auch hier kann man auf eine Markterholung oder auf bessere Angebote warten, genau wie bei der Sanierung in Eigenverwaltung. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass dafür die Schuldnerin über ausreichend Liquidität verfügt.
Sie erhoffen sich in einem Konkursverfahren also sogar höhere Verkaufserlöse?
Schlechter dürften sie kaum sein. In den vergangenen sechs Monaten konnten in den angesprochenen Signa-Insolvenzen die zuvor erwarteten Verwertungserlöse nicht erzielt werden. Aber es geht nicht nur um die Preise.
Sondern?
Um die Transparenz. Mit dem Wechsel in ein Konkursverfahren bekommen das Gericht und der Insolvenzverwalter mehr Kontrolle: Sie können die Art und den Zeitpunkt der Verwertung bestimmen. Leider haben wir durch das falsche Verfahren rund zehn Monate verloren. Die damit verbundenen Entwicklungen sind überwiegend nicht umkehrbar.
In der Schweiz haben sich die Luxuskaufhäuser der Signa von den Insolvenzverfahren in Österreich abgekoppelt. Globus und Selfridges wurden an die Central Group aus Thailand und an den saudischen Staatsfonds verkauft. Bewerten Sie das positiv oder negativ?
Aus einer Gesamtsicht würde ich sagen, dass man sich in den vergangenen Monaten in die falsche Richtung bewegt hat. Die bereits erfolgten Verwertungshandlungen und Verkäufe lassen sich allerdings nicht mehr zurückdrehen. Sicher ist, dass sie jedoch weniger transparent und unter weniger Einfluss der Behörden erfolgt sind.
Der «Anwalt» der Republik Österreich
boe./am. Wolfgang Peschorn hat einen Job, den es in der Schweiz oder in Deutschland nicht gibt. Er ist quasi der oberste Anwalt der Republik Österreich. Er leitet die Finanzprokuratur, ein staatliches Organ mit 60 Mitarbeitenden, das die Republik Österreich berät und in Rechtsfällen vertritt. Im Signa-Fall ist der österreichische Staat Gläubiger.