Die Union steht in Umfragen gut da, doch die Koalitionsstrategie des Parteichefs sorgt für Irritationen. Statt «CDU pur» deutet vieles auf Schwarz-Grün oder Rot-Schwarz hin – ein rotes Tuch für viele Unionsanhänger. Wie riskant wird der Kurs für die Partei?
Der Partei um Friedrich Merz, von sozialdemokratischen Zungen auch mit etwas Giftigkeit als «Merz-CDU» bezeichnet, geht es ziemlich gut. In der Sonntagsumfrage ist sie mit 32 Prozent doppelt so stark wie die Kanzlerpartei SPD. Der Weg ins Kanzleramt und auf die Regierungsbank ist zwar nicht sicher, jedoch wahrscheinlich.
Eigentlich könnte der Kanzlerkandidat Merz sich also zurücklehnen und «CDU pur» anbieten, ein Slogan, der in der Parteizentrale beliebt ist und so viel heissen soll wie: keine Kompromisse mehr. Doch danach klingen die Verlautbarungen des CDU-Chefs momentan so gar nicht.
Merz wetterte in einer ARD-Sendung kürzlich gegen Javier Milei, den argentinischen Präsidenten, der erfolgreich gegen die Inflation des Staats kämpft. Er sei «völlig entsetzt» über Christian Lindners Vorschlag, «mehr Milei» auch in Deutschland zu wagen. Interessant ist das vor allem, da Union und FDP einst als natürliche Partner galten.
Schwarz-Grün ist bei vielen Unionswählern unbeliebt
Aber inzwischen scheinen Rot und Grün, beides Parteien mit starkem linkem Flügel, die auserkorenen Partner für die konservative Union zu sein, sollte sie nach den Neuwahlen Regierungsverantwortung übernehmen. Das mag den gegenwärtigen politischen Realitäten entsprechen – schliesslich droht die FDP an der 5-Prozent-Hürde für den Bundestag zu scheitern –, dürfte jedoch an die Wähler der CDU und der CSU verheerende Signale senden. Besonders Schwarz-Grün gilt für die Mehrheit der Unionsanhänger als rotes Tuch.
Während Merz die Grünen einst als Hauptgegner in der Regierung bezeichnete, schliesst er jetzt eine Zusammenarbeit mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck in der nächsten Legislatur nicht aus. «Wir brauchen vor allem in der Wirtschaftspolitik einen Politikwechsel – mit oder ohne Habeck», sagte Merz in derselben Sendung, in der er eine nach Milei schielende FDP kritisierte.
Das erinnert mehr an die unter Merkel bekannt gewordene Strategie der asymmetrischen Demobilisierung als an «CDU pur». Dabei geht es darum, durch das Vermeiden klarer Stellungnahmen zu verhindern, dass potenzielle Wähler von gegnerischen Parteien mobilisiert werden. Merkel vermied es beispielsweise, sich besonders scharf oder häufig zu islamistischen Attentaten zu äussern, damit weder linke noch rechte Parteien durch die Thematisierung mehr Zulauf bekommen. Dass die Wahlbeteiligung und damit auch die politische Partizipation insgesamt möglicherweise sinkt, wird billigend dabei in Kauf genommen
Angela Merkel war mit dieser Strategie äusserst erfolgreich – und hinterliess ihre Partei als programmatischen Scherbenhaufen. Ob Merz im Wahlkampf mit seiner Annäherung nach links und der gleichzeitigen Distanzierung von den Liberalen bei seinen Wählern punkten kann, bleibt fraglich.







