Kunst kann Sichtweisen verändern – das macht im besten Fall das Leben ein wenig angenehmer. Wir haben sechs Editionen zusammengestellt.
Kunst zu kaufen, ist so eine Sache. Den einen ist sie zu teuer, die anderen wissen nicht, womit sie anfangen sollen. Editionen sind ein guter Einstieg für alle: In der Kunst handelt es sich dabei um identische oder sehr ähnliche Objekte, die meistens als Set in limitierter Auflage produziert werden.
Worauf es bei der Auswahl ankommt: Das Werk muss Ihnen oder im besten Fall der beschenkten Person gefallen. Dabei kann es hilfreich sein, die folgenden Fragen auszublenden: Entspricht das Werk dem Zeitgeist? Passt es in meine Wohnung? Wird es den anderen in meiner Wohnung gefallen? Hören Sie auf Ihre Intuition. Kunst darf irritieren, verwundern oder auch unzugänglich erscheinen. Wichtig ist, was das Werk in Ihnen auslöst, welche Fragen es an Sie stellt, denn so wird es Ihnen damit nicht langweilig.
Hier kommt eine Auswahl an sechs Editionen, die in der Schweiz erhältlich sind:
1. Mingjun Luo, «A travers le temps 1», bei VFO Edition Zürich
Bei Edition VFO Zürich, der grössten Schweizer Verlegerin von Druckgrafik, sind drei Editionen der chinesischen Künstlerin Mingjun Luo, die seit 1987 in Biel lebt, erhältlich. Sie schliessen an ihre Werkreihe «Break up» an, die sie 1994 begonnen hat. Erstmals für diese Edition arbeitete die Künstlerin mit Tusche in einem lithografischen Verfahren, in dem sie die chinesische Kalligrafie dekonstruiert. Das Aufregende an dieser Arbeit ist die Sogwirkung, die von den schwarzen Tuschepunkten ausgeht: schwebende Geschosse aus scheinbar unendlicher Tiefe, wobei die zarteren Tuschepunkte versichern, dass es kein Ende gibt und alles im Leben, auch ohne menschliches Zutun, unaufhörlich seinen Gang nimmt.
2. Andreas Züst, «Himmel», im Fotomuseum Winterthur
Diese Arbeit ist für all jene, die keine Angst davor haben, sich einen wild glühenden Himmel bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang in die eigenen vier Wände zu holen. Die Arbeit des Schweizer Künstlers und Naturwissenschafters Andreas Züst bringt aber durchaus Weite in die eigenen vier Wände. Beim Betrachten steigt Wärme auf, man wird ruhiger, sinniert und träumt, phantasiert und sehnt sich.
3. Jenny Holzer, «My Ally», im NZZ Art Shop
Auch wenn man seine persönlichen Kämpfe meist allein austragen muss – es braucht Verbündete, die einem Rückhalt, Aufmerksamkeit, Zuversicht, Wohlwollen und Vertrauen schenken. Die Arbeit «My Ally» von Jenny Holzer mag einen selbst oder einen Beschenkten daran erinnern, dass man nicht nur Einzelgänger, sondern hoffentlich auch Verbündeter ist, der selbst Verbündete braucht. Denn einseitig funktioniert Verbundenheit nicht.
4. Naara Bahler, «Baum» und «Schlange», im Photoforum Pasquart
Naara Bahler ist Autodidaktin. 2013 begann sie zu fotografieren, zunächst analog. Ein besonderes Interesse gilt der Cyanotypie (Blaudruck), die sie auf verschiedenen Materialien wie Papier und Textilien anwendet.
Hier gezeigt sind zwei Arbeiten aus dem Jahr 2023. «Baum» und «Schlange» wurden im Rahmen des Prix Photoforum in Biel ausgestellt, bei dem die Künstlerin den zweiten Preis erhielt. Die Rottöne, durch eine entsprechende Linse an der Kamera hervorgerufen, geben den Aufnahmen eine gewisse Dramatik. So scheint der Baum im Wasser beinahe toxisch, und die Schlange verliert ihren Schrecken im sanften Rot. Beide Arbeiten zusammen zu erwerben, könnte daheim vielleicht daran erinnern, auch einmal die eigene Sicht auf die Dinge zu hinterfragen.
5. Tiona Nekkia McClodden, «Don’t forget to forget to breathe», in der Kunsthalle Basel
Tiona Nekkia McClodden stellte im Jahr 2023 in der Basler Kunsthalle aus und hinterliess diese auf den ersten Blick recht geheimnisvolle Edition. Sie besteht aus handgefärbtem Leder und ist im oberen Teil mit dem Titel der Basler Ausstellung in Handprägung versehen: «The poetics of beauty will inevitably resort to the most base pleadings and other wiles in order to secure it’s release.» Auf Deutsch: «Die Poetik der Schönheit wird unweigerlich zu den niederträchtigsten Argumenten und anderen Tricks greifen, um ihre Freilassung zu erreichen.»
Es ist eine Zeile aus dem Werk des verstorbenen und in Europa wenig bekannten schwarzen und schwulen Dichters Brad Johnson (1952-2011), dessen Arbeit McClodden bereits in früheren Arbeiten gewürdigt hat.
Als gleichsam erschreckend und hoffnungsvoll lassen sich die Zeilen interpretieren, und es wirkt, als seien sie Manifestation und Prophezeiung in einem. Es könnte sich lohnen, die Aussage in verschiedensten Stimmungslagen zu lesen – damit man weiss, woran man gerade mit sich selbst ist.
6. Una Szeemann, «Sostanza capovolta», im Musée des Beaux-Arts Le Locle
Die Zeiten sind ungewiss, und auch das, was man auf Una Szeemanns Arbeit «Sostanza capovolta» (auf Deutsch «umgekehrte Substanz») zu sehen bekommt, ist nicht fassbar. Selbst wenn man diese Edition auf den Kopf stellt, findet man keinen Ansatz von Eindeutigkeit.
Szeemanns Arbeit lässt das Unterbewusstsein und die Intuition arbeiten und führt den Blick über ihre Arbeit wie eine Reise, dessen Ziel unbekannt ist. Etwas Beruhigendes, schon beinah Hypnotisierendes wohnt der Arbeit inne. Schatten, organische Formen und weich gezeichnete Weiss- und Grauschattierungen – mehr gibt sich hier nicht preis.