Sammler zahlen bei Auktionen immer höhere Summen für Memorabilien und verrückte Kunst. Der Verkaufspreis für die roten Schuhe von Dorothy aus dem Filmmusical «The Wizard of Oz» markiert eine neue Spitze.
Sie glitzern auffällig. Schlupfschuhe mit Absatz, überzogen mit rubinfarbenen Pailletten, vorn eine kantige Schleife in Fliegenform, versehen mit Glasperlen. Die Schuhe fallen auf, sie könnten aber auch im Schaufenster eines beliebigen Retro-Art-déco-Geschäfts stehen. Auf einem verstaubten alten Lederkoffer, schwach beleuchtet von einer Stehlampe mit Pergamentschirm. Wie viel die Schuhe wohl kosten?
32,5 Millionen Dollar. So viel hat jemand am Samstag in Dallas, Texas, für ein solches Modell bezahlt, inklusive Gebühren. Es wurde von der damals 16-jährigen Schauspielerin Judy Garland getragen, die Dorothy Gale, die Hauptfigur des Filmmusicals «The Wizard of Oz», verkörperte. Nur vier Exemplare existieren von den originalen «Ruby Slippers». Es sind also nicht irgendwelche Schuhe.
Einer der ersten Farbfilme
Bei der Auktion, die Heritage Auctions im Auftrag eines Sammlers durchgeführt hat, wurden weitere Memorabilien aus dem Film versteigert. Etwa der Hut von Elphaba, der «Bösen Hexe des Westens» – für knapp 3 Millionen Dollar. Der Fan-Kult um «The Wizard of Oz» ist gross: Die Vogelscheuche, der Blechmann oder der ängstliche Löwe – drei wichtige Figuren neben Dorothy – kennt zumindest in den USA jeder.
«Der Zauberer von Oz», erschienen im Jahr 1939, ist einer der ersten bekannten amerikanischen Farbfilme. Die Farbe sollte auffallen, und darum ist die Welt im Land Oz so knallig wie Dorothys Schuhe. Die «Ruby Slippers» sind auch für die Handlung wichtig: Das Mädchen Dorothy aus Kansas erhält sie von einer guten Hexe im magischen Land Oz. Dorthin hat sie ein Sturm getragen. Weil die Schuhe wohl ungeahnte Kräfte besitzen, werden sie von der bösen Hexe begehrt, die sie Dorothy gewaltsam wegnehmen will.
Der Song «Somewhere over the Rainbow», der Teil der Filmmusik ist, gehört zum Weltdokumentenerbe der Unesco. Und die «Ruby Slippers» stehen beispielhaft für den Film und sind daher ein begehrtes Requisit.
Das Exemplar, das am Samstag versteigert wurde, hat zudem eine bewegte Geschichte. Es wechselte zweimal seinen Besitzer, der letzte hatte die Schuhe dem Judy Garland Museum in Minnesota als Leihgabe zur Verfügung gestellt, wo sie 2005 gestohlen wurden. Erst vor sechs Jahren verhaftete das FBI den Dieb. Dieser war wohl kein Fan von «The Wizard of Oz». Er soll die Perlen auf der Fliege für Rubine gehalten haben, dabei sind sie aus Glas.
Und der Kult um «The Wizard of Oz» wird zurzeit verstärkt durch die neue Verfilmung des Broadway-Musicals «Wicked», die an den Stoff anknüpft und nun in die Kinos kommt.
Laut dem Auktionator sind die 32,5 Millionen Dollar für die magischen Schuhe von Oz Rekord. Noch nie sei ein Erinnerungsstück aus der Unterhaltungsbranche so teuer gewesen. Der Rekord lag bisher bei 5 Millionen Dollar für das berühmte Kleid, das Marilyn Monroe auf einem windigen U-Bahn-Gitter trug.
Hohe Preise für Erinnerungsobjekte sind keine Seltenheit mehr. Für eine Gitarre von John Lennon zahlte jemand dieses Jahr 2,9 Millionen Dollar, eine von Kurt Cobain ging 2020 für 6 Millionen weg. Auch ein Laserschwert aus «Star Wars», ein Ring des Rappers Tupac oder ein Brief von Mozart wurden für viel Geld versteigert. Teilweise sind es auch skurrile Objekte: Kurt Cobains zerlöcherte Strickjacke, Freddie Mercurys Schnurrbartkamm oder Udo Jürgens’ Bademantel.
Auch Memorabilien von Sport-Stars werden zu schwindelerregenden Preise versteigert: 9,2 Millionen für das T-Shirt, das Maradona trug, als er mit der «Hand Gottes» an der WM 1986 den Ball ins Tor beförderte, 2,2 Millionen für Michael Jordans ebenfalls getragene Schuhe, auch Roger Federer hat schon Tennisschläger, Schuhe und anderes für Millionen versteigert. Die Liste lässt sich lange fortsetzen. Und sie wird immer kurioser: Am 15. Dezember wird etwa in Paris eine Haarlocke von Maradona versteigert, die laut Schätzungen zwischen 35 000 und 50 000 Euro erzielen wird.
Wie Cattelans Banane
Memorabilien sind ein Stück Geschichte, sie transportieren Emotionen. Man kauft nicht nur ein Objekt, man kauft ein Stück Geschichte und ein Lebensgefühl, das rund um das Objekt heraufbeschworen wird. Die Fans wollen etwas Greifbares als Erinnerung, ihre Nostalgie befriedigen, mit ihren Idolen verbunden sein. Damit potenzielle Käufer darauf anspringen, verkaufen Auktionshäuser mit dem Objekt immer geschickt eine Geschichte, die bei den Ausschreibungen erzählt und durch die Medien verbreitet wird.
Aber erklären Nostalgie und eine gute Geschichte den Preis von 32,5 Millionen Dollar für rote Paillettenschuhe? Wer die Schuhe gekauft hat, weiss man nicht. Und auch nicht, was sich die Person dabei wirklich gedacht hat.
Solche Memorabilien sind inzwischen ähnlich teuer wie manche Kunstwerke. Kürzlich ging eine an die Wand geklebte Banane des Künstlers Maurizio Cattelan für 6,2 Millionen Dollar weg. Das Kunstwerk ist eine Provokation. Und doch wurden die Idee, eine Banane mit silbernem Panzerklebeband an eine Wand zu kleben, die angeklebte Installation und eine Rolle Reserve-Klebeband kürzlich für 6,2 Millionen Dollar versteigert. Dazu gab es ein Zertifikat, das die Echtheit des Kunstwerks belegt, und eine Anleitung, wie das Kunstwerk ausgestellt werden muss.
Die Banane veranschaulichte mustergültig, wie egal der Sachwert ist. Mit den «Ruby Slippers» verhält es sich ähnlich. Der zugeschriebene Wert ist entscheidend. Damit verschwinden auch die Grenzen zur Geldanlage.
Der Wert liegt im Preis selbst
Denn der Kauf von Memorabilien gilt als kluge Wertanlage. Ähnlich wie Kunst werden diese als wertbeständig angesehen und sind weniger den Schwankungen der Finanzmärkte ausgesetzt. Dafür spricht auch, dass zunehmend Kryptounternehmer in den Markt einsteigen wie der Käufer von Maurizio Cattelans Banane.
Sie kaufen Kunst und Erinnerungsobjekte wie Kryptowährungen, NFT oder Memecoins. Ersteigert werden die Memorabilien meistens bei den grössten Auktionshäusern wie Sotheby’s, Christie’s oder Heritage Auctions, die neben dem Kunst- und Antiquitätenhandel ein neues Geschäft erschlossen haben.
Die Person, die neu die «Ruby Slippers» besitzt, kann diese in Zukunft womöglich für noch mehr Geld verkaufen. Der Wert von teuren Memorabilien oder Kunst liegt also absurderweise auch im Preis selbst. Je mehr jemand bereit ist zu zahlen, desto grösser wird der Reiz des Objekts. Umso mehr will man die anderen überbieten. Und so dreht sich der Überbietungswettbewerb immer weiter.
In «The Wizard of Oz» schafft es Dorothy am Ende zurück nach Kansas, indem sie die Hacken ihrer Schuhe dreimal zusammenschlägt und sagt: «Es ist nirgendwo so schön wie daheim.» Sie erwacht in ihrem Bett, bei Tante und Onkel. Ihnen will sie von ihrer Reise erzählen, doch sie winken ab: Dorothy habe nur geträumt.
Wer das Kinderbuch kennt, auf dem der Film basiert, weiss, dass Dorothy auf ihrer Rückreise über der Wüste ihre Schuhe verliert. Ein fast unbezahlbarer Verlust.