Der Wahlzürcher Clifford Lilley, bekannt und geschätzt als Stil- und Imageberater, geliebt als Partygast und Entertainer, ist 73-jährig verstorben. Er lebte, wie viele es gerne täten: Wie wenn jeder Tag der letzte sein könnte.
Gentleman, Charmeur, Sonnyboy, Lebenskünstler, Glücksbringer, Geniesser, Performer, Bonvivant, bunter Hund – Clifford Lilley, 1951 in Kapstadt geboren und am 12. Dezember 2024 in Zürich unerwartet verstorben, war vieles. Er war ein Multitalent der schönen Dinge. Ein Botschafter der Pracht und Eleganz, des Genusses und der Lebensfreude. Alle liebten Clifford, den Mann mit dem wunderbar altmodischen Namen und den guten Manieren eines Galans aus einer anderen Zeit.
Und die, die ihn nicht liebten, beneideten ihn doch heimlich: Um seine Unbeschwertheit, seinen Esprit, seine Schlagfertigkeit und Wendigkeit. Man hielt seine Unbeschwertheit manchmal für Oberflächlichkeit, doch das war sie nie: Sie war Ausdruck einer tief empfundenen Überzeugung.
Stadtbekannte Figur
Über eine Anstellung als Verkäufer bei der damals tonangebenden Zürcher Herren-Boutique Hannes B. wurde Clifford Lilley, der im gespaltenen Südafrika der 1960er Jahre aufwuchs und 1979 erstmals an die Limmat kam, zur stadtbekannten Figur. Er umgarnte und bezirzte jede und jeden, ungeachtet von Couleur, Alter oder Provenienz. Lilley, der einst eine Theaterschule absolviert hatte und sich in jungen Jahren als Schauspieler durchschlug, war frei von Vorurteilen und Dünkel. Er war belesen, gebildet und kultiviert – doch seine Bühne sollte nicht die eines Kulturinstituts, sondern jene des Lebens werden.
Sei es als eloquenter Stylist beim Schweizer Fernsehen SRF, als Stilberater in Workshops oder als gerne gesehener (und stets tadellos gekleideter) Partygast an vielen Events der Zürcher Schickeria – Clifford Lilley war immer sich selbst, sein eigener Botschafter, eine Figur ausserhalb der gewöhnlichen Kategorien des bekannten Erwerbs- und Privatlebens. Er lebte offen homosexuell, machte diese Orientierung aber nie zu seinem zentralen Thema und war deshalb für viele Aktivisten der LBTQ-Welt ein schwer fassbarer Akteur. Gerne hätte sie ihn expliziter gehabt, aber für ihn war das alles kein grosses Thema.
Leben und leben lassen
Clifford Lilley war auf angenehme Weise altmodisch und gleichzeitig hochmodern. Leben und leben lassen – das war sein Motto. Nie hörte man ihn laut über etwas oder jemanden lästern. Positive Power – ohne die belehrende zeitgenössische Note – das war seine Kraft. Kann sein, dass der fröhliche Lilley nicht nach jedermanns Geschmack war, doch er fand immer genug Menschen, die ihn für seine einnehmende Strahlkraft liebten. Er lebte in einer dauer-provisorischen WG im Zürcher Seefeld, an bester Adresse: Villa Egli, direkt am See, wo er in der Nacht auf den 12. Dezember 2024 unerwartet verstarb, mutmasslich an Herzversagen. Im grünen Zimmer, mit Blick auf die Blatterwiese.
Ich erinnere mich an viele wunderbare Momente mit Clifford Lilley. Mutmasslich trafen wir uns erstmals auf der Couch von Michelle Hunzikers Sendung «Cinderella» («dranneblibe!») in den 1990er Jahren. Es funkte. Wir wurden Freunde und später zusammen engagiert, um den Schweizer Männern in Workshops der Firma Herren Globus die Vorteile der guten Garderobe zu vermitteln. Aus dieser Zeit (ab 2007) stammt auch ein entsprechendes gemeinsames Buch namens «Der Dresscode», damals ein Kassenschlager, heute ein veraltetes Kuriosum im Antiquariat.
Jedes Wiedersehen mit Clifford Lilley war ein FestJeroen van Rooijen
Und während ich mich noch fleissig darum bemühte, den Zeitgeist in bedeutungsvolle Worte zu fassen, war Clifford Lilley schon weiter: Er wurde zu einem der ersten Zürcher Influencer, sammelte Follower und Fans auf Facebook, später auf Instagram – und wurde zur eigenständigen Marke, die ohne altmodisches Trägermedium für sich stand. Das «Like» des Social-Media-Zeitalters schien wie für ihn geschaffen.
Auch wenn unsere Wege zuletzt anders verliefen – jedes Wiedersehen mit Clifford Lilley war ein Fest. Und zupackend: Einmal brach er mir in einer stürmischen Umarmung tatsächlich zwei Rippen! Und einmal rollte sein Auto, das er nicht mit der Handbremse gesichert hatte, durch den Wald von Gockhausen Richtung Dübendorf – hysterisches Gelächter! – Clifford war immer zur Stelle: feiernd, das Glas aufs Leben erhebend. Wie wenn jeder Tag der letzte sein könnte. Noch vor wenigen Tagen stand Lilley als quirliger Gastgeber auf der Bühne des Dolder Grand Hotels. Prost auf das Leben! Er sollte letztlich recht haben. Wir werden ihn immer als schillerndes Vorbild im Herzen tragen.
Der Zürcher Stilkritiker und Autor Jeroen van Rooijen (54) ist ein langjähriger Freund und Weggefährte von Clifford Lilley. Sie haben zahllose Workshops zusammen moderiert und 2007 gemeinsam ein Buch über Männermode geschrieben, «Der Dresscode».