Von der geplanten Fusion der beiden japanischen Autobauer können die Kunden dank beschleunigter Entwicklung und höherer Effizienz profitieren. Doch der Zusammenschluss wird Kraft und vor allem Zeit kosten. Gerade die fehlt.
Die beiden japanischen Autobauer Honda und Nissan präsentieren sich derzeit weidwund. Nicht nur ihre Marktanteile schwinden an allen Märkten, sie geraten auch technologisch immer mehr ins Hintertreffen.
Honda hatte auf eine Kooperation mit General Motors gesetzt, um beim autonomen Fahren an die Spitze vorzustossen. Doch GM hat sein Robotaxi-Programm mit der Tochterfirma Cruise nach Rückschlägen bei der Entwicklung und einem Zwischenfall in San Francisco eingestellt. Das von Honda geplante Minibus-Projekt ohne Fahrer ist damit obsolet geworden, denn es fehlt die Cruise-Technologie dafür.
Nissan hat bei der 1999 begonnenen Allianz mit Renault seinen Vorsprung bei der Entwicklung von Elektroautos leichtfertig aus der Hand gegeben. Der Leaf war zwar vor 15 Jahren das erste batterieelektrische Grossserienauto. Doch Nissan entwickelte ihn jahrelang nicht weiter. Gleichzeitig entwickelte Renault seine eigenen Elektroautos und übernahm in der Allianz die Technologieführerschaft. Im Ergebnis ist Renault heute einer der führenden E-Auto-Bauer, Nissan dümpelt mit zwei angejahrten Stromern vor sich hin.
Gewiss, in Japan ist die Situation eine andere. Hier zählen vor allem Fahrzeuge mit Hybridantrieb, und Honda wie Nissan haben Produkte im Markt. Doch insbesondere Nissan versäumte es, diese Modelle auch in Märkte wie die USA zu bringen – und wurde auch hier von der Konkurrenz abgehängt. Der Binnenmarkt wird weder Honda noch Nissan retten.
Grosser Rückstand bei Batterie-Elektroautos
Die Chefs der beiden Autobauer sollten vielmehr ihren Blick auf die grossen Automärkte China, Nordamerika und Europa richten. Gerade hier sind die beiden japanischen Traditionsmarken aber rückständig. Eine Plattform für Elektroautos, die als gemeinsame Basis für Autos verschiedener Grösse dienen würde, fehlt. Dies macht es den Japanern auf dem chinesischen und den europäischen Märkten schwer, wo Batterieautos bald die Vormachtstellung einnehmen.
Auch die Batterietechnologie ist für die beiden Japaner noch ein Buch mit sieben Siegeln. Hersteller aus China und Südkorea haben den Vorsprung stetig ausgebaut, Europa und die USA ziehen derzeit nach. Gerade in diesem Bereich herrscht jedoch ein hohes Entwicklungstempo – es dürfte für Honda und Nissan schwer werden, hier mitzuhalten.
Bei der Technologie und Sensorik, etwa für das hochautomatisierte Fahren, gibt es Japan-spezifische Rückstände, die Honda durch die Zusammenarbeit mit GM aufholen wollte. Derzeit gibt es in Japan keine valablen Sensor-Hersteller für autonome Autos. Die finden sich in Europa, Israel und vor allem den USA und müssen teuer eingekauft werden. Unter demselben Problem leidet auch der japanische Mitbewerber Toyota. Und allen gemeinsam ist das fehlende Know-how bei der Software-Entwicklung, wie es etwa in China reichlich vorhanden ist.
Es kommt aufs Beschleunigungsvermögen an
Ein Neuanfang tut also bei Nissan wie Honda not. Er soll nun gemeinsam gelingen, doch dazu muss aus zwei lahmenden Autobauern in Windeseile ein fusionierter Topathlet werden, der seinem Ruf als dann drittgrösster Autokonzern der Welt rasch gerecht wird. Da sind neue Plattformen und Produkte gemeinsam zu entwickeln, um Skaleneffekte zu schaffen.
In erster Linie müssen sich die beiden Japaner besonders anstrengen, den Rückstand zur technologischen Weltspitze zu verkürzen. Aufs Treppchen der verkaufsstärksten Autokonzerne schaffen es Honda und Nissan durch eine Fusion automatisch. Doch zum nachhaltigen Erfolg kommen sie nicht nur über hohe Volumina, wie sie früher der Nissan-Chef Carlos Ghosn propagierte. Noch wichtiger ist die Produktqualität. Der Ex-Allianzpartner Renault macht dies gerade vor.
Was Honda und Nissan brauchen, ist ein frisches Angebot, das technologisch zu allen Märkten passt, in denen die beiden japanischen Hersteller auftreten. Die Fusion macht den Konzern zwar gross. Aber er muss technologisch an die Spitze, und das eilends. Es besteht das Risiko, dass das Streben nach Grösse den Konzern zu viel Zeit kostet. Und auf der Strecke bliebe das Streben nach technologischem Vorsprung.