Adele ist in Brasilien mit einer Plagiatsklage konfrontiert. Ein Urteil verlangt ein weltweites Verbot eines ihrer Songs – die Melodie soll einem brasilianischen Samba zu stark ähneln.
«I only wanted to have fun». So beginnt Adeles Song «Million Years Ago» von ihrem erfolgreichen Album «25» aus dem Jahr 2015. Doch das Lied bringt der britischen Sängerin wenig Spass und viel Ärger. Sie steht deswegen unter Plagiatsverdacht.
Toninho Geraes, ein brasilianischer Samba-Komponist, hat den Streit mit Adele aufgenommen. Geraes ist überzeugt, dass die Melodie von «Million Years Ago» auf seinem Titel «Mulheres» basiert. Das Lied erschien 1995 auf einem Album des brasilianischen Musikers Martinho da Vila. Ein befreundeter Komponist hatte Adeles Lied 2021 auf einer Party gehört und Geraes auf die Ähnlichkeiten aufmerksam gemacht. Geraes reichte in der Folge eine Plagiatsklage ein.
Laut brasilianischen Medien versuchte Geraes zunächst, Adele und ihr Team direkt zu kontaktieren. Doch er erhielt keine Antwort. Deshalb wandte er sich an ein Gericht und forderte eine Million Reais (rund 150 000 Franken) Schadensersatz. Zusätzlich erhob er Anspruch auf die Tantiemen seit der Veröffentlichung von Adeles Song – samt Zinsen. Eine gewagte Forderung, doch das Handelsgericht in Rio de Janeiro gab Geraes nun recht.
Lieder weisen «unverhohlene Symmetrie» auf
Der Richter begründet sein Urteil mit der deutlichen Ähnlichkeit der Melodien und stützt sich auf die Beweise, die Geraes eingereicht hat. Eine Expertenanalyse zeige, dass die Lieder eine «unverhohlene Symmetrie» aufwiesen, heisst es im Urteil.
Laut Gerichtsbeschluss muss Adele das Lied «Million Years Ago» weltweit aus dem Handel nehmen und aus jeglichen Streamingdiensten entfernen. Jeder Verstoss kostet sie 50 000 Reais (7200 Franken). Das Urteil gilt neben Brasilien auch für alle anderen 180 Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention – ein internationales Abkommen, das 1886 in Bern unterzeichnet wurde und dem Schutz des Urheberrechts dient.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Richter hofft auf eine aussergerichtliche Einigung zwischen den beiden Parteien. Der Anwalt von Toninho Geraes feiert das Urteil jedoch bereits als Sieg. Er bezeichnete es als einen «Wendepunkt für die brasilianische Musik» und betonte, wie oft internationale Hits von der Vielfalt brasilianischer Melodien, Harmonien und Rhythmen profitierten. Das Urteil werde «parasitäre Profitmacher» davon «abschrecken», zukünftig Plagiate zu begehen. Er kündigte an, Radiosender, Fernsehanstalten und Streamingdienste weltweit über das Verbot zu informieren.
Die brasilianischen Tochtergesellschaften von Adeles Plattenfirmen, Sony Music und Universal Music, können Berufung gegen das Urteil einlegen. Universal nutzte diese Möglichkeit am Dienstag. Die Firma argumentiert, es handle sich bei Adeles Song nicht um ein Plagiat, sondern um eine zufällige Ähnlichkeit, die durch «musikalische Klischees» erklärbar sei. Sony Music äusserte sich auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht. Auch Adeles Management hat bislang keine Stellungnahme veröffentlicht.
Ein «bedeutungsloses» Urteil
Doch selbst wenn das Urteil rechtskräftig wird: Die Umsetzung des weltweiten Verbots ist kaum realistisch. Mark Stephens, Experte für Urheberrechtsstreitigkeiten bei der Londoner Kanzlei Howard Kennedy, hält das Urteil des brasilianischen Gerichts für «bedeutungslos». Richter könnten verrückte Dinge entscheiden, aber Wirkung erziele das nur im eigenen Land. «Der Beschluss eines brasilianischen Gerichts gilt nur in Brasilien», sagte er der englischen Zeitung «The Times».
Um das Verbot international durchzusetzen, müsste Geraes in jedem Land, in dem das Lied gespielt werde, ein neues Verfahren starten, sagte Stephens. Eine einstweilige Verfügung aus Brasilien könnte als Grundlage dienen, doch der Weg sei langwierig. Jedes Land erfordere eine eigene juristische Prüfung. Und Stephens sieht bereits bei der Durchsetzung des Verbots in Brasilien Schwierigkeiten.
Es ist nicht das erste Mal, dass Adele wegen «Million Years Ago» ein Plagiat vorgeworfen wird. Kurz nach der Veröffentlichung im Jahr 2015 bezichtigten sie Fans des kurdisch-türkischen Sängers Ahmet Kaya, die Melodie von einem seiner Lieder übernommen zu haben. Kaya selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Er war im Jahr 2000 verstorben, und seine Witwe stellte keine rechtlichen Ansprüche. Deshalb kam der Fall nie vor Gericht.