Der Eisberg mit dem Namen A23a brach vor 38 Jahren aus dem antarktischen Festland ab und steckte jahrzehntelang auf dem Meeresgrund fest. Nun driftet er in Richtung Norden. Das bedeutet wohl sein Ende.
Am Südpol hat sich ein Eisberg in Bewegung gesetzt, der mit rund 4000 Quadratkilometern Fläche mehr als doppelt so gross wie der Kanton Zürich ist – und grösser als die Insel Mallorca.
Der Eisberg mit dem wissenschaftlichen Namen A23a ist auch um ein Vielfaches grösser als der Eisberg, der das Passagierschiff «Titanic» im April 1912 zum Sinken gebracht hat. Dieser war laut Augenzeugen bis zu 31 Meter hoch und 122 Meter lang.
A23a ist damit der gegenwärtig grösste Eisberg der Welt. Und er hat, seitdem er im Jahr 1986 vom Filchner-Ronne-Schelfeis in der Antarktis abgebrochen ist, eine bemerkenswerte Reise hinter sich. Nun bewegt er sich in Richtung Norden, wie das Polarforschungsinstitut British Antarctic Survey vergangene Woche auf seiner Website mitgeteilt hat. Und wird wohl bald schmelzen.
«Der Eisberg, der sich weigert, zu sterben»
Der Name A23a setzt sich aus einem Buchstaben für das Gebiet in der Antarktis, in der er erstmals gesichtet wurde, und einer laufenden Nummer zusammen. Mittlerweile tragen Eisberge Namen von A70 an aufwärts. Dass A23a trotzdem noch der grösste ist, liegt daran, dass alle anderen inzwischen wieder in mehrere Teile zerbrochen sind.
Im Mai 2021 war ein Eisbrocken namens A76 von dem Filchner-Ronne-Schelfeis in der Antarktis abgebrochen und auf das offene Meer getrieben. Dessen Fläche betrug rund 4320 Quadratkilometer. Doch nur einen Monat später brach er in drei neue Teile: A76A, A76B und A76C.
A23a jedoch hing am Meeresboden fest und verankerte sich. Dadurch blieb er über Jahrzehnte intakt. Im Jahr 2000 löste er sich vom Meeresboden ab und trieb in der Meeresströmung mit. Er schaffte es aber nicht über das Südpolarmeer hinaus. Nahe den Südlichen Orkneyinseln, nordöstlich der Antarktischen Halbinsel, blieb er im April dieses Jahres in zirkulierenden Meeresströmungen hängen.
Satellitenaufnahmen zeigten, wie er sich in einem riesigen Wasserstrudel um sich selbst drehte, täglich um etwa 15 Grad gegen den Uhrzeigersinn. Für eine Runde brauchte er 24 Tage. Der Strudel verhindert, dass die Eismasse mit den teilweise 30 Meter hohen Klippen und ihrer glatten Oberfläche wärmere Gefilde erreicht, was ihre Existenz bedrohen würde.
Der Polarexperte Mark Brandon von der Open University sagte im August dem britischen Sender BBC, dass man bei Eisbergen normalerweise an etwas Vergängliches denke. Sie würden zerbrechen und im Südatlantik wegschmelzen. Bei A23a ist das anders: «A23a ist der Eisberg, der sich einfach weigert zu sterben.»
Doch vergangene Woche nun sei A23a aus den Strömungen entkommen, schreibt das Polarforschungsinstitut British Antarctic Survey in einer Mitteilung. Wellen und Witterung haben riesige Bögen und höhlenartige Vertiefungen in den Koloss gemeisselt, wie Aufnahmen von einem Schiff des Unternehmens Eyos Expeditions zeigen.
Wohin die Reise des Eisbergs geht, ist ungewiss. «Wir sind gespannt, ob er denselben Weg einschlagen wird wie andere grosse Eisberge, die vom antarktischen Schelfeis abgebrochen sind», sagte der Ozeanograf Andrew Meijers in einer Mitteilung.
Noch wichtiger ist laut Meijers jedoch, welche Auswirkungen der Eisberg auf das lokale Ökosystem haben wird.
Sein Ende naht in Südgeorgien
Die Eisschmelze in der Antarktis lässt den Meeresspiegel steigen. Auch die Schifffahrt und Brände auf der Südhalbkugel lassen das antarktische Eis verstärkt abschmelzen. Seit den 1970er Jahren befindet sich seine Masse auf dem niedrigsten Stand, wie eine Studie vor zwei Monaten belegt hat, die im Fachjournal «Science Advances» veröffentlicht wurde. Laut der Studie hat auch die Anzahl der sogenannten Schmelztage, also der Tage, an denen das antarktische Eis schmilzt, auf der Ostseite der Halbinsel zugenommen.
Und nun kommt auch noch das Eis des A23a dazu: Der Eisberg werde sich wohl in Richtung der Insel Südgeorgien bewegen, steht in der Mitteilung des Polarforschungsinstituts. Dort werde er auf wärmeres Wasser stossen, in kleinere Eisberge zerbrechen und letztlich schmelzen.
Mit Agenturmaterial.