Nach der gescheiterten Ausrufung des Kriegsrechts durch Präsident Yoon stürzt das Parlament nun auch seinen Stellvertreter Han Duck Soo. Die politische Krise des Landes erreicht damit eine neue Dimension.
Die Staatskrise in Südkorea weitet sich aus. Zwar hat das Land die Verhängung des Kriegsrechts durch Präsident Yoon Suk Yeol schnell beendet. Doch 13 Tage nach Yoons rascher Suspendierung steht nun auch sein Stellvertreter Han Duck Soo im Parteienstreit vor dem Aus.
Am Freitag hatte die von der Opposition kontrollierte Nationalversammlung mit 192 von 300 Abgeordneten für einen Antrag auf Amtsenthebung des Ministerpräsidenten Han gestimmt, der derzeit amtierender Präsident Südkoreas ist. 108 konservative Abgeordnete boykottierten jedoch die Abstimmung.
Han ist damit dennoch suspendiert, bis das Verfassungsgericht letztinstanzlich über seine Zukunft entscheidet. Es ist das erste Mal in Südkoreas Verfassungsgeschichte, dass das Parlament einen Amtsenthebungsantrag gegen einen amtierenden Präsidenten angenommen hat.
Yoon kämpft um sein Amt, die Spannungen steigen
Die grosse Frage ist jedoch, wie es weitergehen wird.
Zwar wird Finanzminister Choi Sang Mok, der auch der Vizeministerpräsident für Wirtschaftsangelegenheiten ist, nun geschäftsführender Präsident. Allerdings gibt es anders als bei der Amtsenthebung von Präsident Yoon rechtliche Bedenken.
Die regierende People’s Power Party hatte argumentiert, dass der amtierende Präsident wie ein richtiger Präsident nur mit einer Zweidrittelmehrheit, also 200 Stimmen, suspendiert werden könne. Nach Ansicht der oppositionellen Demokratischen Partei reicht jedoch eine einfache Mehrheit, wie bei normalen Ministern und Ministerpräsidenten.
Han legt seine Zukunft nun in die Hände des Verfassungsgerichts, das bereits über die Amtsenthebung von Präsident Yoon entscheiden muss. «Ich respektiere die Entscheidung der Nationalversammlung», sagte er nach der Abstimmung. «Um die Verwirrung und Unsicherheit nicht weiter zu vergrössern, werde ich mein Amt gemäss den geltenden Gesetzen ruhen lassen und die rasche und weise Entscheidung des Verfassungsgerichts abwarten.»
Damit geht die juristische Aufarbeitung des Putschversuchs von Yoon in die nächste Runde. Zwar stimmte das Parlament mit einigen Stimmen der Regierungspartei am 14. Dezember dem gegen Yoon gerichteten Amtsenthebungsantrag zu. Doch der Parteienstreit eskalierte danach, das Misstrauen wuchs, ebenso die Spaltung in der Bevölkerung. Denn der geschasste Präsident verteidigt bis heute seine Entscheidung, das Kriegsrecht zu verhängen.
Bisher ist er noch zu keiner Vorladung der Staatsanwaltschaft erschienen, die gegen ihn wegen Hochverrats ermittelt. Bei vielen Südkoreanern schürt das Wut. Laut Umfragen sind 75 Prozent für eine Amtsenthebung. Neben Grossdemonstrationen für eine Amtsenthebung Yoons gibt es auch kleinere dagegen. Auch zwischen Opposition und Regierungspartei versteift sich die Front.
Streitpunkt Verfassungsgericht
Im Zentrum des Konflikts steht das Tempo der juristischen Aufarbeitung. «Der einzige Weg, das Land zu normalisieren, ist die rasche Ausrottung aller aufständischen Kräfte», erklärte der Oppositionsführer Lee Jae Myung im Parlament. Die konservative Zeitung «Chosun Ilbo» sieht hinter dem Appell zur Eile allerdings wahltaktisches Kalkül: Die Demokratische Partei wolle das Amtsenthebungsverfahren schnell abschliessen und vorgezogene Präsidentschaftswahlen abhalten, die Partei der Volksmacht das Amtsenthebungsverfahren weiter verzögern.
Je früher die Wahlen stattfinden, desto höhere Siegeschancen rechnen sich die Demokraten aus. Ministerpräsident Han wurde nun zum Opfer des Streits. Mit einem Ultimatum setzte die Opposition den amtierenden Präsidenten massiv unter Zeitdruck. Er sollte bis Freitag nicht nur unverzüglich der Einsetzung von Sonderermittlern gegen Yoon und dessen Frau Kim Keon Hee zustimmen, sondern vor allem auch der Ernennung von drei neuen Verfassungsrichtern, wenn er nicht das Schicksal Yoons würde erleiden wollen.
Tatsächlich ist die Besetzung des Verfassungsgerichts ein Problem. Damit die Amtsenthebung rechtskräftig wird, müssen sechs Verfassungsrichter dem Antrag des Parlaments zustimmen. Erst dann können neue Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden. Derzeit sind aber nur sechs der neun Richterinnen und Richter im Amt. Ein Veto reicht daher, die Amtsenthebung scheitern zu lassen. Zudem scheiden im April zwei weitere Richter aus.
Die Regierungspartei ist jedoch der Ansicht, dass der amtierende Präsident erst nach einer rechtmässigen Absetzung des Staatsoberhauptes Verfassungsrichter ernennen kann. Der Ministerpräsident Han zögerte deshalb und forderte Gespräche. «Sobald sich Regierungs- und Oppositionsparteien einigen und einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen, werde ich die Richter sofort ernennen», sagte er diese Woche.
Nun muss sein Nachfolger Choi über die Ernennung der Richter entscheiden. Der Einsatz ist hoch, nicht nur politisch. Park Sang Hyun, ein Analyst bei der Investmentbank iM Securities, warnte laut der «Korea Times» davor, dass die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines längeren politischen Patts negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit des Landes und den Zufluss ausländischen Kapitals haben könnte.
Immerhin bemüht sich das Verfassungsgericht um Eile. Am Freitag fand die erste Anhörung im Fall Yoon statt. Die zweite ist bereits für den 3. Januar 2025 angesetzt.








