Nach einer dreijährigen Pandemiepause fand in Düsseldorf wieder die Boot statt. Die grösste Wassersportmesse der Welt blickt mit Optimismus in die Zukunft.
Wer die 54. Boot in Düsseldorf besuchte, bekam einiges zu sehen für die 19 Euro Eintritt. Am ersten Wochenende zum Beispiel die spektakulären Sprünge des Schweizer Wing-Foil-Surfers Balz Müller im 60 Meter langen Wasserbecken. Windsurfen und Wingfoiling gehörten zu den vielen Events, die in der grössten Wassersportausstellung der Welt dargeboten wurden. Eindrücklich war auch der neue Tauchturm im Dive-Center, ein Plexiglasturm von 8 Meter Durchmesser und 4 Meter Höhe; im 200 000 Liter Wasser fassenden Behälter fanden täglich Tauchdemonstrationen statt.
In insgesamt 16 Messehallen präsentierten die 1500 Aussteller die Trends und Neuheiten der Wassersportbranche. Als Premiere richtete die Messeleitung das «blue innovation dock» ein, eine Forumsplattform für Nachhaltigkeit, auf der Referenten Ziele und Entwicklungen aus der internationalen Wassersportszene und der europäischen Politik zu Umweltthemen diskutierten.
Das Spektakulärste der Boot findet jeweils vor und nach der Messe statt, dann nämlich, wenn «Big Willi» zum Einsatz kommt, der Riesenkran, der Boote bis zu 100 Tonnen vom Rhein zur Messe transportieren kann. Die Superjachten von bis zu 30 Meter Länge mit Preisschildern von vielen Millionen Franken sind das Prunkstück der Ausstellung.
Für den Messedirektor Petros Michelidakis ergibt sich daraus «ein Dilemma, denn die Boot ist weit mehr als nur die Halle 6». Er weist auf die vielen Aussteller aus 68 Ländern hin, eine ähnliche Zahl wie 2019. «Nach dem Ausfall der beiden letzten Ausstellungen wegen der Pandemie sind wir zufrieden», bilanziert Michelidakis.
Ähnlich sieht es Karsten Stahlhut. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft hat während der Pandemie eine sehr starke Zunahme von Neueinsteigern im Wassersport in allen Bereichen wie Surfsport, Kitesport, Segel- und Motorsport registriert.
«Wir konnten während der Corona-Pandemie feststellen, dass wir sehr viele neue Führerscheinabsolventen im Binnensegelbereich hatten. Es waren sogar überdurchschnittlich viele, was damit zu erklären ist, dass die Leute nach den langen Lockdowns einfach wieder rauswollten.» Ein Boot verspreche in Pandemiezeiten mehr Sicherheit.
Europa kommt als Destination wieder infrage
Man habe auch festgestellt, dass die heimatnahen Ferien mehr gefragt seien als lange Reisen ins ferne Ausland. Ferien an und auf dem Wasser seien schon immer ein Thema gewesen, so Stahlhut, der überzeugt ist, dass es für den Wassersport nach wie vor ein grosses Potenzial gibt.
«Wassersport kann man fast überall betreiben. Und Europa hat den Vorteil, dass es sehr viele schöne Reviere gibt, die man mit dem Auto erreichen kann und wo man nicht hinfliegen muss.» Ein weiterer Trend sei auch, dass die Leute nicht nur ein Boot benutzten, sondern dann auch tauchen, windsurfen oder sich beim Stand-up-Paddeln versuchen wollten. Das alles trage zum Trend bei, einfach auf dem Wasser zu sein.
Eine durchwegs positive Messebilanz zog auch Bavaria Yachts, der grösste europäische Bootshersteller. Die Auftragsbücher seien voll, «wir konnten die Produktion von 600 auf 900 Boote erhöhen», sagte Marc Diening, CEO von Bavaria Yachts, gegenüber der NZZ. Wegen Problemen im Lieferkettenbereich könne die Firma nicht so viele Boote herstellen, wie sie gerne möchte. Während im unteren Preissegment die Käufer vorsichtiger geworden seien, laufe der Absatz von Schiffen ab 300 000 Euro gut.
Diening schaut optimistisch in die Zukunft. «Wir haben festgestellt, dass jüngere Menschen im Segelsport nachkommen.» Das Freizeitverhalten habe sich verändert, die Leute hätten während Corona wieder das Wasser entdeckt. Allerdings stellt er auch eine Änderung des Nutzungsverhaltens fest. «Die neue Generation will nicht mehr selber am Segelboot arbeiten. Sie will mehr Zeit auf dem Wasser verbringen, wir müssen deshalb ein volles Navigationsprogramm anbieten.» Digitalisierung sei hier das Stichwort.
Bavaria, deren Boote seit je wegen der günstigen Preisstruktur stark im Schiffscharter-Geschäft vertreten sind, stellt eine Zunahme in diesem Sektor fest, was von der Reisebranche vor allem für Kroatien und Mallorca bestätigt wird. Verändert hätten sich, so Diening, auch die Kundenwünsche. Das Arbeiten an Bord sei bei der Klientel wichtiger geworden: Bavaria trage diesem Bedürfnis mit der Ausrüstung von Antennen für besseren Internet-Empfang und dem Schaffen von geeigneten Arbeitsplätzen an Bord Rechnung.
Beim Gang durch die Messe fiel die starke Zunahme bei den Ausstellern auf, die sich mit dem Thema Elektroantrieb beschäftigen. Diese Beobachtung hat auch Lori Schüpbach gemacht. Der Chefredaktor und Herausgeber des nautischen Magazins «marina.ch» wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Elektrifizierung gegebenenfalls nur für Neuboote infrage komme. Auf den Schweizer Seen seien immer noch 200 000 Schiffe mit Verbrennungsmotoren ausgerüstet. Deshalb müsse man die Akzente auf die Suche nach Bio- oder künstlichen Treibstoffen setzen.
Von der Verschrottung zum Recycling
Für Schüpbach ist das eigentliche Problem des Jacht- oder Bootsbaus nicht in erster Linie der CO2-Verbrauch, sondern die Thematik der Entsorgung der vielen alten Schiffe, die weltweit in den Häfen vor sich hin gammelten. Bis heute könnten diese Bootsleichen nur gehäckselt in Deponien entsorgt werden. Das betreffe alle Boote, die nach 1960 aus GFK gebaut worden seien.
Es gebe jedoch ernsthafte Bemühungen, die Problematik des Trennens von Harz und Glasfaser in den Griff zu bekommen. So stellte auf der Boot Düsseldorf das Schweizer Unternehmen Composite Recycling ein in Zusammenarbeit mit der EPFL entwickeltes Verfahren vor, um aus den alten Bootsrümpfen neue Verbundwerkstoffe herzustellen.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit war ein Thema, das an der Boot in zahlreichen Informationsveranstaltungen behandelt wurde. In dieser Hinsicht waren die Bemühungen der Messeleitung löblich, zusammen mit der Deutschen Meeresstiftung die Initiative für eine nachhaltige und positive Entwicklung der Meere, Ozeane und Gewässer zu realisieren.
Rund um den «love your ocean»-Stand gruppierten sich Unternehmen und Projekte, die den Gewässer- und Klimaschutz zum Ziel haben, gepaart mit Vorträgen, Interviews und Präsentationen. Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen fänden durchaus das Interesse des Publikums, meinte Petros Michelidakis. «Wir haben hier an der Boot die Möglichkeit, das Publikum zu sensibilisieren.» Der Messedirektor nannte ein Beispiel: «Dass im Seegras nicht geankert werden sollte, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch leider wissen das nicht alle Bootsbesitzer.»
Nach neun Ausstellungstagen zog auch die Boot Düsseldorf eine positive Bilanz. Mehr als 230 000 Besucher aus über hundert Ländern seien gezählt worden. Trotz der schwierigen Wirtschaftslage habe die Boot der Industrie einen Marktplatz bieten können. Die Messe habe gezeigt, dass sie in der Zukunft angekommen sei und auch eine stürmische See erfolgreich durchsteuern könne. Der Messedirektor Petros Michelidakis sagt: «Mit der Boot wollen wir Menschen zum Wassersport bringen. Ich glaube, das ist uns nach drei Jahren Absenz gelungen.»