Seit Jahrhunderten bauen die Amerikaner ihre Häuser genau dort, wo es ihnen gefällt. Nach dem Inferno in Südkalifornien muss damit Schluss sein. Zu lange schützte dabei der Staat die Hausbesitzer vor ihrer eigenen Unvernunft.
Die Feuerwalzen fressen sich noch immer durch die verdorrten Hügel um Los Angeles, und schon geht die Suche nach den Schuldigen los: Wie konnte den Hydranten in Pacific Palisades so schnell das Wasser ausgehen? Warum war die Bürgermeisterin in Ghana, als die Flammen ausbrachen? Haben wieder einmal veraltete Stromleitungen die Feuer ausgelöst, oder waren Brandstifter am Werk?
Die Klärung der Schuldfrage hat den Amerikanern schon immer dabei geholfen, rasch ihre Fassung und die Kontrolle über das Geschehen zurückzuerlangen, nachdem Naturgewalten über sie hereingebrochen waren. Niemand anders ist so gut darin, sich nach einer Katastrophe aufzurappeln, die Trümmer wegzuräumen und zerstörte Quartiere wiederaufzubauen.
Zu oft diente diese mentale Fähigkeit den Amerikanern aber auch dazu, die tieferen Ursachen einer Naturkatastrophe zu verdrängen. Nach den voraussichtlich teuersten Waldbränden in der Geschichte der USA wird das nicht mehr möglich sein. Der alte amerikanische Traum – sein Eigenheim dort zu errichten, wo es einem gerade gefällt – ist ausgeträumt. Die Naturgefahren lassen es nicht mehr zu.
Die Prämien explodieren
Die Politiker, auf lokaler und nationaler Ebene, drücken sich davor, das der Bevölkerung ins Gesicht zu sagen. Diese undankbare Rolle haben sie der Versicherungsindustrie zugeschoben: In den vergangenen Jahren haben sich Gebäudeversicherungen in den ganzen USA massiv verteuert. Vielerorts zahlen die Hausbesitzer inzwischen 500 oder gar 1000 Dollar pro Monat, um sich gegen Feuer- oder Sturmschäden zu versichern. Immer mehr Haushalte können das nicht mehr stemmen.
Die Versicherer erhöhten ihre Prämien, nachdem sie wegen Bränden und Stürmen ihrerseits Verluste eingefahren hatten und immer mehr für ihre Rückversicherungsdeckung hatten zahlen müssen. Hauseigentümer, Politiker und Konsumentenschützer beklagten sich über «gierige» Versicherer – dabei tragen sie selbst die Hauptschuld an den explodierenden Kosten.
Die amerikanischen Vorstädte wuchern seit Jahrzehnten in die Landschaft hinaus. Die Bauindustrie befriedigt die Nachfrage nach günstigen Eigenheimen in unverbauten Gegenden nur zu gern. Zu oft entstehen dabei Häuser, wie in Florida oder Louisiana, an exponierten Küstenabschnitten, wo alle paar Jahre ein verheerender Hurrikan droht. Oder, wie in Kalifornien, auf Hügeln, die von viel leicht brennbarem Unterholz umgeben sind.
Der Klimawandel ist nicht die Ursache dieses «sprawls», aber er verschlimmert dessen Folgen. Zu lange haben Politiker und Beamte versucht, die Hausbesitzer vor den Folgen ihres Tuns abzuschirmen – um ihr eigenes Amt abzusichern.
Versicherer ziehen sich zurück
Seit 1988 wählen die Kalifornier einen Insurance Commissioner, der die Prämienerhöhungen der Versicherer gutheissen muss. Um wiedergewählt zu werden, versuchten diese Beamten stets, die Unternehmen zu möglichst tiefen Preisen zu drängen. Doch als sich in Kalifornien immer mehr und teurere Waldbrände ereigneten und ihre Prämienerhöhungen nicht genehmigt wurden, zogen sich die Versicherer aus Teilen des Gliedstaats zurück.
Viele Kalifornier mussten beim staatlichen Versicherer Fair Plan Unterschlupf suchen, der mit dem raschen Wachstum überfordert war. Im sturm- und flutgeplagten Florida lief es ganz ähnlich. Dieser Versicherungssozialismus – die Steuerzahler stehen für die Risiken einiger Hausbesitzer gerade – ist jedoch auch nicht nachhaltig und nicht besonders amerikanisch.
Die Behörden können die Kosten von Naturkatastrophen mindern, indem sie Dämme ausbessern, Stromleitungen unter die Erde verlegen oder, wie es Los Angeles wohl bald tun wird, die örtlichen Wassersysteme auf Vordermann bringen. Hauseigentümer können vorsorgen, indem sie trockene Vegetation rund um ihr Haus regelmässig zurückschneiden.
Binnenmigration in die falsche Richtung
Doch die Amerikaner sollten fortan die Kosten von Naturgefahren einpreisen müssen, wenn sie sich für einen Wohnort entscheiden. Und wieder an Orte ziehen, die weniger exponiert sind. Es gibt diese Orte durchaus: an der nördlichen Atlantikküste etwa oder im Mittleren Westen, in der Region der Grossen Seen.
Seit Jahrzehnten verläuft die Binnenmigration in den USA aber genau in die umgekehrte Richtung: von kühlen Orten wie Chicago oder Buffalo an die Küste Floridas, wo der ewige Sommer lockt.
Doch es scheint, dass US-Präsidenten lieber im Helikopter über Katastrophengebiete fliegen und Soforthilfe verteilen, als der Bevölkerung die harte Wahrheit zu vermitteln: dass sie ihren amerikanischen Traum wieder im Norden suchen muss.