Viele Gäste kommen nicht nur wegen der Sonne nach Spanien, sondern auch für die künstliche Befruchtung. In-vitro-Fertilisation ist ein Millionengeschäft.
Spanien liegt auf dem alten Kontinent in Sachen Reproduktionsmedizin ganz vorne. 40 Prozent aller künstlichen Befruchtungen innerhalb der EU würden mittlerweile in Spanien durchgeführt, schreibt das Ärzteportal Zavamed.com. Damit etabliert sich Spanien nicht nur als Ziel für Sonnenhungrige, sondern auch für Frauen oder Paare, deren Kinderwunsch sich bisher nicht erfüllt hat und die ihr Glück hier versuchen. In Spanien haben sie die Auswahl zwischen einer Vielzahl von Kliniken, viele davon an attraktiven Küstenorten wie Barcelona, Málaga oder Valencia, was in den letzten Jahren zu einem regen «Baby-Tourismus» geführt hat.
In Spanien sind 11 Prozent der Geburten mittlerweile der künstlichen Befruchtung zu verdanken. Im Jahr 2021 kamen auf diese Art 40 683 Babys auf die Welt, dies ist dem letzten offiziellen Bericht der Sociedad Española de Fertilidad (SEF) zu entnehmen.
Immer mehr Paare sind auf ärztliche Hilfe angewiesen
Das Geschäft boomt, weil die Frauen in Europa ihren Kinderwunsch immer mehr nach hinten verschieben und dabei entsprechend öfter auf ärztliche Unterstützung angewiesen sind. Jede Behandlung kostet auf der Iberischen Halbinsel im Schnitt 4000 Euro, doch die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs liegt bei unter 30 Prozent. Viele probieren es daher öfter. Es gibt 334 staatliche und private Kliniken, die sich auf die künstliche Befruchtung spezialisiert haben.
Die In-vitro-Befruchtung ist ein Millionengeschäft geworden, bei dem mittlerweile auch die Risikokapitalgesellschaften mitmischen. Marktführer in Spanien ist Kohlberg Kravis Roberts (KKR). Die Private-Equity-Firma hat in den letzten beiden Jahren über drei Milliarden Euro in den lukrativen Geschäftszweig investiert.
Der jüngste Deal wurde im vergangenen November besiegelt. Da verkündete der US-Finanzinvestor die Übernahme der Kinderwunschkette Eugin. Das Unternehmen mit Sitz in Madrid betreibt 70 Kliniken auf der Iberischen Halbinsel und in den europäischen Ländern. Der Umsatz des Unternehmens, das dem deutschen Gesundheitskonzern Fresenius gehörte, lag im Jahr 2022 bei 227 Millionen Euro. Fresenius hatte Eugin erst 2020 für 450 Millionen Euro erworben und soll jetzt von KKR und einem spanischen Partnerunternehmen bis zu 500 Millionen Euro erhalten.
Die Eugin-Übernahme war für KKR ein vergleichsweise kleiner Deal, erst zwölf Monate zuvor hatten die Amerikaner für 2,9 Milliarden Euro Spaniens grösstes Fruchtbarkeitsinstitut namens Ivirma Global erworben. Am Zukunftsgeschäft beteiligen sich mittlerweile auch Finanzinvestoren aus Deutschland, Grossbritannien und Frankreich.
Das Marktforschungsunternehmen Grand View Research erwartet, dass das globale Geschäft mit der künstlichen Befruchtung zwischen 2022 und 2030 um jährlich 30 Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Franken) wachsen wird. Eines der Länder, die davon profitierten, sei Spanien.
Das Geschäft bietet hohe Gewinnspannen. Bei den grossen Kliniken schwankt die Umsatzrendite zwischen 25 und 30 Prozent. Laut der deutschen Versicherungsgruppe Debeka ist der Umsatz der Reproduktionskliniken in Spanien von 2018 bis 2022 um fast 20 Prozent auf 570 Millionen Euro gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist das Alter der Erstgebärenden von 31 auf 32,5 Jahre gestiegen.
Weniger gesetzliche Hürden
Eine der wichtigsten Kundengruppen sind die Britinnen. Dort handhabt das nationale Gesundheitssystem nach der letzten Krise die Fertilitätsbehandlungen immer restriktiver, und die Alternative der Privatkliniken wurde immer kostspieliger. In Spanien hingegen werben diese mit fixen Preispaketen ab 3500 Euro und mit IVF-Garantieprogrammen bei In-vitro-Befruchtungen inklusive Rückerstattung bei Misserfolg.
Auf den einschlägigen Internetportalen wird immer wieder betont, dass Spanien nicht nur günstigere Behandlungspreise anbiete, sondern auch über hervorragende Mediziner verfüge. Auch eine vergleichsweise permissive Gesetzgebung trage dazu bei, dass sich viele Patientinnen aus dem Ausland für Spanien entschieden, schreibt «El País». Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben die spanischen Privatkliniken keine fest vorgeschriebene Altersgrenze für eine In-vitro-Befruchtung, es werden auch alleinstehende Frauen oder lesbische Paare sowie HIV-Positive behandelt. Auch beim Einfrieren von Eizellen gibt es in Spanien keine Zehn-Jahres-Grenze wie in anderen EU-Ländern, wo die Eizellen nach dieser Zeitspanne entsorgt werden.
In einem europäischen Klinik-Ranking auf dem Fertilitätsportal eggdonationfriends.com belegen spanische Institute elf der zwölf besten Plätze. Auch Unternehmen, die sich auf künstliche Intelligenz spezialisiert haben, interessieren sich plötzlich für die Reproduktionsmedizin. So hat sich Google Ventures, die Risikokapitalsparte des US-Konzerns Alphabet, an einem spanischen Startup beteiligt, das sich auf die Robotisierung bei der In-vitro-Fertilisation spezialisiert. Dabei arbeitet die Roboternadel hier ganz exakt und führt die Insemination durch. Zwei gesunde Babys wurden bereits geboren.