Eine Begrenzung der Amtszeiten, eine zweite Parlamentskammer und eine Senkung des Wahlalters: Dies sind einige Vorschläge, um ein erneutes Abgleiten des Landes in die Autokratie wie unter Hasina zu vermeiden. Doch die Opposition will lieber rasche Neuwahlen.
Knapp ein halbes Jahr ist es her, dass ein Volksaufstand in Bangladesh die autokratische Premierministerin Sheikh Hasina aus dem Amt gefegt hat. Der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der nach Hasinas Sturz Anfang August mit der Leitung einer Übergangsregierung beauftragt wurde, setzte daraufhin mehrere Kommissionen ein, um Vorschläge zur Stärkung der Demokratie in Bangladesh zu erarbeiten. Nun haben die ersten Kommissionen ihre Vorschläge zur Reform der Verfassung und des Wahlsystems vorgelegt.
Yunus sprach von «einem neuen Kapitel» für sein Land, als er am Mittwoch in Dhaka die Berichte der Arbeitsgruppen entgegennahm. Ihre Vorschläge seien der Entwurf für ein neues Bangladesh, nach dem alle strebten, sagte der 84-Jährige. Der renommierte Ökonom versicherte, es werde nun eine breite Diskussion dieser Ideen geben. Insgesamt vier Kommissionen präsentierten ihre Ideen zur Reform der Verfassung, des Wahlsystems, der Polizei und der Anti-Korruptions-Behörde.
Die meiste Aufmerksamkeit fanden die Vorschläge zur Änderung der Verfassung. Im Vorfeld hatte es eine Diskussion gegeben, ob man den Text aus der Zeit der Unabhängigkeit 1971 überarbeiten oder gänzlich neu schreiben solle. Viele Mitglieder der Studentenbewegung, die im August den Aufstand gegen Sheikh Hasina angeführt hatten, fordern eine völlig neue Verfassung, da die alte zu eng mit dem diskreditierten Regime von Hasinas Awami League verbunden sei.
Eine Übergangsregierung soll die Wahlen organisieren
Die Reformkommission unter dem Vorsitz des Politologen Ali Riaz plädierte nun zwar für die Beibehaltung der bisherigen Verfassung. Ihre Vorschläge sehen aber einige grundlegende Änderungen vor, um ein erneutes Abgleiten des Landes in die Autokratie zu verhindern. So soll die Amtszeit des Präsidenten und des Premierministers auf zwei mal vier Jahre begrenzt werden. Zur Organisation der Wahlen soll wieder eine neutrale Interimsregierung eingesetzt werden, wie es bis zur Abschaffung dieses Systems durch Hasina 2009 der Fall war.
Ausserdem schlägt die Kommission die Einführung einer zweiten Parlamentskammer vor, um die demokratische Kontrolle zu stärken und einen Missbrauch der Macht zu erschweren. Das passive Wahlalter soll von 25 auf 21 Jahre gesenkt werden, um eine stärkere Repräsentation der Jugend im Parlament sicherzustellen. Auch soll ein Verfassungsrat geschaffen werden, in dem Vertreter von Regierung und Opposition sowie aller drei Gewalten des Staates vertreten sind.
Nachdem die Parlamentswahlen 2014, 2018 und Anfang 2024 zutiefst umstritten waren, besteht ein breiter Konsens in Bangladesh, dass mehr getan werden muss, um faire und freie Wahlen zu gewährleisten. Die Arbeitsgruppe zur Reform des Wahlsystems schlug nun vor, die Unabhängigkeit und die Befugnisse der Wahlkommission zu stärken. Auch sollen Kandidaten, die wegen Vergehen wie Mord, Entführung und Korruption angeklagt sind, von der Wahl ausgeschlossen werden.
Strengere Regeln sollen Korruption verhindern
Wann Wahlen organisiert werden, ist noch offen. Die Bangladesh Nationalist Party (BNP), die nach Jahren in der Opposition wieder an die Macht zu kommen hofft, dringt auf rasche Neuwahlen. Yunus’ Übergangsregierung und die Studentenbewegung plädieren dagegen dafür, zunächst grundlegende Reformen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass es keinen erneuten Missbrauch der Macht gibt. Der Armeechef Waker-uz-Zaman stützt diese Position und hat sich im September für Neuwahlen in 12 bis 18 Monaten ausgesprochen.
Hasinas Awami League hatte in den 15 Jahren an der Macht die Institutionen des Staates ausgehöhlt und missbraucht, um sämtliche Opposition zu unterdrücken. Seit Hasinas Sturz ist klar geworden, in welchem Ausmass ihre Partei den Staat und die Banken des Landes ausgeplündert hat. Allerdings waren die Amtszeiten der BNP, die Bangladesh von 1991 bis 1996 und erneut von 2001 bis 2006 regiert hat, auch nicht frei von Korruption und Klientelismus.
Umso wichtiger erscheint es, solide Strukturen zu schaffen, um Korruption zu ahnden und den Missbrauch der Polizei zur Verfolgung der Opposition zu verhindern. Besonders die Anti-Terror-Einheit Rapid Action Battalion (RAB) war unter Sheikh Hasina berüchtigt dafür, Gegner zu ermorden und in geheimen Gefängnissen verschwinden zu lassen. Während der Studentenproteste im Sommer setzte die Polizei zudem exzessive Gewalt ein und erschoss über tausend Demonstranten.
Die Arbeitsgruppe zur Reform der Polizei forderte nun in ihrem Bericht, eine Abschaffung des RAB zu prüfen. Verhöre in den Polizeiwachen müssten zudem unter unabhängiger Aufsicht stattfinden, um Folter zu verhindern. Der Einsatz von Gewalt müsse stets präzise und verhältnismässig sein, betonte die Arbeitsgruppe. Mit ihren Vorschlägen knüpft sie an frühere Gerichtsurteile an, die jedoch nie richtig umgesetzt wurden. Ob den Ideen zur Bekämpfung von Korruption, Machtmissbrauch und Polizeigewalt ein anderes Schicksal beschieden sein wird, ist derzeit ungewiss.