Während der neue amerikanische Präsident Donald Trump seine Antrittsrede hielt, liessen die Gäste der Inauguration in Washington ihre Kleider sprechen. Und diese hatten einiges zu sagen.
Melania Trump geht auf Distanz
Normalerweise geht es bei einer Inauguration darum, sich der amerikanischen Bevölkerung gegenüber als möglichst zugänglich zu präsentieren. Melania Trump, die von jeher nicht besonders interessiert daran scheint, in irgendeine Beziehung mit der amerikanischen Wählerschaft zu treten, tat das Gegenteil. Die Hauptrolle dabei spielte ihr dunkelblauer Wollhut mit weissem Zierband von Eric Javits, der einen dramatischen Schatten über ihre Augen warf und mit seiner grosszügigen Krempe jegliche Nähe (und den Wangenkuss ihres Ehemanns) erschwerte. Die strenge Silhouette des dunkelblauen Mantels des New Yorker Designers Adam Lippes mit den breiten Schultern und der schmalen Taille verströmte eine ähnliche Unantastbarkeit.
Überraschend ist das alles nicht. Eine Tendenz zur Abgehobenheit – High Heels im Krisengebiet, eine Zara-Jacke mit leichtfertiger Beschriftung beim Besuch eines Migrationszentrums für Kinder («I really don’t care, do u?») – gehört seit der ersten Amtszeit Trumps zum Image der First Lady.
Auch Subtilität war nie ihre Stärke. Der Hut, sogleich zum Meme avanciert und mit Jim Carrey in «Die Maske» und der Videospielfigur Carmen Sandiego verglichen, ist ein Hinweis darauf, was noch kommen wird. Wenn Melania Trump ihre offiziellen Auftritte wie in Berichten angetönt bei einem Minimum belassen möchte, sollen sie wohl so aussagekräftig wie möglich sein.
Oscar de la Renta pirscht vor
Schon bei der Inauguration von George Washington wurde betont, er trage einen Anzug aus amerikanischem Stoff. Einheimische Mode zu tragen, ist eine Tradition, die bis heute greift und sich auf die Familien der Präsidenten und Vizepräsidenten ausgeweitet hat. Dieses Wochenende war es das Modelabel Oscar de la Renta – einst von dem 2014 verstorbenen Dominikaner gegründet, der schon Jackie Kennedy eingekleidet hatte und in Manhattan zu Hause war –, das auffällig viele Looks beisteuerte.
Usha Vance, die Frau des neuen Vizepräsidenten J. D. Vance, und Ivanka Trump trugen beide mehrmals Kleider und Mäntel des Labels, das heute von Laura Kim und Fernando Garcia gestaltet wird. Für die Inauguration selbst wählte Vance einen massgeschneiderten Cashmeremantel in einem pudrigen Rosa mit integriertem Schal und Gürtel.
Das teilte das Label alles fleissig auf Social Media. In der Modewelt eigentlich eine übliche Praxis. Und doch, wenn es um den Namen Trump geht erstaunlich: Während seiner ersten Amtszeit zierten sich viele Designer, die Menschen um ihn herum einzukleiden. Wenn sie es taten, dann ohne es gross oder überhaupt zu publizieren. In den Kommentarspalten der Posts von Oscar de la Renta wechselten sich sogleich Abfalleimer-Emojis und Komplimente ab.
Das einzige amerikanische Modelabel, das regelmässig parteiübergreifend einkleidet und dabei wenig Kritik einfährt, ist Ralph Lauren. Dieses Mal waren es Jill und Joe Biden, die in Looks des Labels auftauchten. Erst gerade wurde Lauren als erster Modedesigner überhaupt von Biden mit dem Presidential Award ausgezeichnet. Lauren wird wohl als so uramerikanisch angesehen, dass es schlicht dazugehört, dass er die Präsidentenfamilie ausstattet – egal wo sie politisch steht und was sie repräsentiert. Oscar de la Renta scheint ein ähnliches Ziel zu verfolgen. Ob das gelingt, wird sich noch zeigen.
LVMH mischt mit
Die Inauguration war mitnichten nur eine amerikanische Angelegenheit: Die Besitzer des französischen Luxuskonzerns LVMH waren sowohl physisch als auch modisch anwesend. Der Gründer und CEO Bernard Arnault, seine Tochter Delphine Arnault, CEO von Dior, sowie sein Sohn Alexandre Arnault, Vizepräsident bei Tiffany & Co., sassen bei der Vereidigung hinter Bill und Hillary Clinton.
Noch prominenter waren nur die Kleider der LVMH-Marken platziert. Vor allem an Ivanka Trump: Die First Daughter trug ein dunkelgrünes Ensemble mit Schärpe, einen schräg platzierten Hut und eine «Lady Dior»-Handtasche von Christian Dior zur Inauguration. Auf Social Media wurde der Look sogleich mit einer stockkonservativen Figur aus der Serie «The Handmaid’s Tale» verglichen. Schmeichelhafter war der Bezug zu Audrey Hepburn, den Trumps Ballkleid am Abend der Inauguration herstellte: Die monochrome, mit Blumen verzierte Robe von Givenchy war an einen von Hepburns Givenchy-Looks im Film «Sabrina» angelehnt.
Eine Nähe zu Präsident Trump wird für LVMH strategisch auch abgesehen von der grossen modischen Bühne wichtig sein. Im Hinblick auf die von ihm angekündigten Tarife auf europäische Importware etwa.
Tech-CEO werfen sich in Schale
Die Tech-Grössen schienen sich für Trumps Amtseinführung allesamt auf unaufgeregte, schicke, ja fast schon zugeknöpfte Looks geeinigt zu haben. Insbesondere der Meta-Milliardär Mark Zuckerberg, der im letzten Jahr mit seiner alten Normcore-Garderobe brach und sich in Streetwear, Goldketten und Designerhosen zeigte, gab sich auffällig poliert und brav mit republikanisch roter Krawatte.
Zu den beliebtesten Accessoires von Trumps Tech-Bros zählten, nicht weiter erstaunlich, ihre Handys. Insbesondere Elon Musk beugte sich auffällig lange über sein Telefon. Suchte er schon während der Zeremonie nach «witzigen» Memes?
Lauren Sánchez bleibt sich treu
Lauren Sánchez sass während der Inauguration zwischen ihrem Verlobten, dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, und dem Meta-Chef Mark Zuckerberg. In ihrem weissen Outfit von Alexander McQueen stach sie aus Trumps dunkel gekleideten Tech-Bros hervor.
Das, was aus dem taillierten Blazer mit spitz zulaufenden Schultern hervorblitzte, gab am meisten zu reden: ein Korsett mit Blumendetails, das für diesen feierlichen Anlass im Capitol tatsächlich äusserst offenherzig wirkte.
Aber was ist stilmässig schon «too much» im neuen Zeitalter der Unberechenbarkeit. Jede und jeder darf wie sie und er will, solange man sich dem neuen Präsidenten fügt. Der US-Senator John Fetterman etwa trug zu Donald Trumps Amtseinführung Shorts, Hoodie und Turnschuhe – da muss sich wirklich niemand über Sánchez’ Décolleté aufregen.