Eine Gruppe Uiguren wehrt sich in Bangkok mit einem Hungerstreik gegen die Rückkehr in ihre Heimat. Peking verfügt aber über wirtschaftliche Druckmittel gegenüber Thailand.
Seit über zehn Tagen befinden sich Dutzende Uiguren in Thailand im Hungerstreik. Der Grund: Die Männer sollen nach China ausgeschafft werden. 48 Uiguren befinden sich derzeit in thailändischer Gefangenschaft. Die Männer waren Teil einer Gruppe von über 300 Uiguren, die 2014 aus der chinesischen Provinz Xinjiang nach Thailand flüchteten. Eigentlich wollten sie von Thailand weiter in ein anderes Land reisen. Aber die thailändischen Behörden nahmen die Uiguren, unter ihnen Familien, damals in Haft.
2015 sandte Thailand 109 der Häftlinge zurück nach Xinjiang. Der Aufschrei unter Menschenrechtsaktivisten war gross, weil den Männern dort politische Verfolgung und Willkür drohten. Das war, bevor die chinesischen Internierungslager in der Region publik wurden.
China verfolgt in der westlichsten Provinz Xinjiang seit Jahren eine repressive Politik, angeblich, um den aufkeimenden islamistischen Terrorismus in der Region zu ersticken. Die muslimische Minderheit der Uiguren sollte in den vergangenen Jahren in den Internierungslagern «umerzogen» werden. Menschenrechtsorganisationen sagen, von den 2015 aus Thailand deportierten Uiguren fehle jede Spur.
Familien in der Türkei
Die 48 Uiguren in thailändischer Haft sind jene, die übrig geblieben sind. Ebenfalls 2015 flogen 170 Frauen und Kinder von Thailand in die Türkei, sie erhielten dort Asyl. Die zurückgebliebenen Männer leben seit Jahren eingesperrt. Fünf sind in Haft gestorben, unter ihnen zwei Kinder.
Der Hungerstreik begann Mitte Januar, als die thailändischen Behörden ihnen Formulare vorlegten, auf denen sie offenbar einer freiwilligen Rückkehr nach China zustimmen sollten. Die Männer sind in Kontakt mit uigurischen Aktivisten, laut ihnen ähnelt das Verfahren jenem von 2015, als die erste Gruppe Männer zurückgeschafft wurde.
Die thailändischen Behörden bestreiten, dass es einen Plan zur Ausschaffung der Uiguren gebe. Der thailändische Verteidigungsminister Phumtham Wechayachai sagte gegenüber Journalisten, man werde sich strikt an internationale Gesetze halten, «ohne Probleme zu kreieren für unser Land oder für andere Länder». Die thailändischen Behörden bestreiten, dass die uigurischen Gefangenen im Hungerstreik sind.
Thailand hat in den vergangenen Jahren klargemacht, dass es kein sicherer Hafen für Dissidenten aus anderen Ländern sein will – dies offenbart die Rückschaffung von kambodschanischen Aktivisten in ihre Heimat oder jüngst die Ermordung eines kambodschanischen Oppositionspolitikers in den Strassen Bangkoks.
Der Fall der Uiguren ist allerdings besonders heikel. Nach der Ausschaffung 2015 stürmten Demonstranten in Istanbul das thailändische Konsulat. Diesmal meldete sich bereits Marco Rubio, der neue Aussenminister der USA: Er werde sich bei den thailändischen Behörden gegen eine Rückführung einsetzen, sagte er im Senat. Entscheidender dürfte allerdings sein, was China in der Angelegenheit will.
Abhängigkeit von Peking
China ist Thailands wichtigster Handelspartner – mit grossem Abstand vor Japan und den USA. Chinesen sind die grösste Touristengruppe in Thailand, ein nicht zu unterschätzender Faktor in einem Land, dessen Wirtschaftserfolg stark vom Tourismussektor abhängt. Thailands Wirtschaft lahmt, und die Regierung sucht die Nähe zu China: sei es mit vereinfachten Visabestimmungen oder der Ansiedlung von chinesischen Autofabriken.
Mit dem Militärputsch 2014 hatte sich Thailand zudem international isoliert. Alte Partner im Westen wie die USA verurteilten die Machtübernahme der Generäle und gingen auf Abstand. Die Beziehungen mit China allerdings blieben auch nach dem Putsch stabil und freundlich – Peking hatte kein Problem, mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten. Erst nach den zwar umstrittenen, aber demokratischen Wahlen 2023 versuchte Thailand sich wieder stärker zu öffnen: Der damalige thailändische Ministerpräsident traf nicht nur Xi Jinping, sondern auch Wladimir Putin und Joe Biden.
Wie wichtig die Beziehungen zu China trotz diesen zaghaften Öffnungsversuchen bleiben, offenbart das jüngste Kapitel beim Kauf eines chinesischen U-Boots für die thailändische Marine: Das 360 Millionen Franken teure Boot wurde unter der Militärregierung bestellt, dann wieder abbestellt, weil China wegen eines EU-Waffenembargos die gewünschten deutschen Dieselmotoren nicht einbauen konnte. Nun soll das U-Boot doch kommen, allerdings mit chinesischen Motoren. Experten sind sich einig, dass China Druck gemacht hat und Thailand nachgab.
Was dieser längere Hebel für die Uiguren in thailändischer Haft bedeutet, dürfte sich bald zeigen.