Die USA wollen anders mit dem Regime in Pjongjang umgehen. Doch Trump könnte neue Spannungen provozieren, auch mit Südkorea.
US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Führer Kim Jong Un verband schon in Trumps erster Amtszeit eine Achterbahnfahrt der Gefühle: 2017 drohte Trump dem Diktator unter dem Motto «Feuer und Zorn» nach Nordkoreas sechstem Atomtest offen mit Krieg. 2018 gestand er dann nach dem Beginn einer beispiellosen Gipfeldiplomatie: «Wir haben uns verliebt.»
Doch die Gespräche zur Denuklearisierung scheiterten, seither herrscht Funkstille zwischen den USA und Nordkorea. Kim baut trotz Sanktionen sein Atom- und Raketenarsenal weiter aus. Aber die Liebe blieb, zumindest auf Trumps Seite. Selbst nach seiner Abwahl 2020 zeigte er Gesprächspartnern stolz Briefe des Führers Kim.
Nach Trumps Rückkehr ins Amt könnte nun ein neuer Schlagabtausch zwischen den beiden beginnen – diesmal mit höherem geopolitischem Einsatz.
Kurswechsel in der Korea-Politik
Trumps Aussenminister Marco Rubio warnte vergangene Woche bei seiner Anhörung im US-Senat: Es gehe darum, einen «unbeabsichtigten Krieg» zwischen Nordkorea und den USA sowie ihren Verbündeten Südkorea und Japan zu verhindern. Rubio deutete einen Kurswechsel an. «Ich denke, es muss einen breiteren Ansatz für eine ernsthafte Nordkorea-Politik geben.»
Evans Revere, ehemaliger Staatssekretär im US-Aussenministerium, sieht allerdings ein Problem: die Nordkoreaner. «Die sind jetzt arrogant und selbstbewusst», sagt er. Seiner Meinung nach steht das wirtschaftlich marode Land sicherheitspolitisch so gut da wie seit Jahrzehnten nicht mehr. «Sie haben Atomwaffen sowie ballistische Mittel- und Langstreckenraketen», sagt der ehemalige Diplomat. «Das sind effektive Waffen, gut genug, um regionalen Bedrohungen zu begegnen und vielleicht sogar die USA zu treffen.»
Hinzu kommt, dass der Machthaber Kim mit Waffenlieferungen und der Entsendung von Soldaten für Russlands Krieg gegen die Ukraine einen mächtigen Verbündeten in Russland gefunden hat, der dem Land bei der Aufrüstung helfen könnte. Das hat Folgen. Revere sagt: «Nordkorea ist praktisch ein permanenter Atomwaffenstaat, und Kim wird die Waffen nicht aufgeben.»
Diese Optionen hat Donald Trump
Diese Einschätzung ist unter Experten inzwischen weit verbreitet. Die grosse Frage ist aber, wie die Welt damit umgehen soll – und wie Trump damit umgehen wird. Soll Nordkorea offen als Atomwaffenstaat anerkannt werden? Oder setzt man die bisherige, von den Vereinten Nationen beschlossene Politik fort, die Nordkorea die Entwicklung und den Besitz von Atomwaffen sowie Raketen verbietet und das Ziel der Denuklearisierung verfolgt?
Eine offene Anerkennung Nordkoreas als Atomwaffenstaat würde nicht nur die bisherige Sanktionsstrategie der Vereinten Nationen, sondern auch den Atomwaffensperrvertrag ins Wanken bringen. Ein nukleares Wettrüsten könnte die Folge sein, womit die Gefahr eines Atomkriegs wächst.
Besonders nervös ist deshalb Südkorea, das von Nordkorea bereits mit atomaren, bakteriologischen und chemischen Sprengköpfen bedroht wird. Der südkoreanische Sicherheitsexperte Moon Chung In äusserte bereits warnend: «Trumps Interesse an einem direkten Deal mit Nordkorea könnte die Beziehungen zwischen Seoul und Washington belasten.»
Trump scheine zuversichtlich, den Dialog mit Kim durch Gipfeldiplomatie wieder in Gang bringen zu können, schrieb Moon in der südkoreanischen Zeitung «Korea Times». Doch zwei Sorgen würden Seoul plagen: eine De-facto-Anerkennung von Nordkoreas nuklearen Ambitionen und bilaterale Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea ohne eine Beteiligung Südkoreas.
Die zwei Sorgen Südkoreas
Trump könnte mit Kim Verhandlungen über eine Reduzierung der Atomwaffen aufnehmen, die nicht auf eine Denuklearisierung abzielen. Stattdessen könnte sich Trump im Gegenzug für eine Lockerung der Sanktionen und eine teilweise Normalisierung der Beziehungen damit zufriedengeben, die weitere Entwicklung von Waffen einzuschränken, insbesondere von Systemen, die die USA bedrohen.
Südkorea und Japan wären weiterhin bedroht.
Die zweite Sorge Südkoreas ist der Ausschluss aus möglichen Verhandlungen zwischen Trump und Kim. Das wäre laut Moon Jae In «eine Katastrophe für Seoul, vor allem aus innenpolitischer Sicht». Vor allem Moons linke Demokratische Partei, die bis Mai erneut das Präsidentenamt übernehmen könnte, setzt auf Gespräche mit Nordkorea.
Moon war von 2017 bis 2022 der Präsident Südkoreas. An den damaligen Gesprächen Trumps mit Nordkorea war er beteiligt. Doch der amerikanische Experte Revere hält es für möglich, dass Trump nach den Erfahrungen der ersten Runde weitgehend auf eine Beteiligung der Südkoreaner verzichten könnte.
Südkoreas Rolle als Vermittler ist in schlechter Erinnerung
Präsident Moon hat sich zwar stets als einen wichtigen Vermittler dargestellt. «Aber das war mehr Mythos als Realität», sagt der Ex-Diplomat Revere, der damals an einigen Verhandlungen beteiligt war. «Trump hat den Eindruck vermittelt, dass er eng mit Südkorea zusammenarbeite.»
Doch in den USA und in Nordkorea sei Moons Rolle beim krachend gescheiterten Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim 2019 in Hanoi negativ in Erinnerung geblieben, erinnert sich Revere. Moon habe sowohl bei Trump als auch bei Kim falsche Erwartungen geweckt, indem er jedem das erzählt habe, was er habe hören wollen. So kamen Trump und Kim mit falschen Erwartungen zum Gipfel – und brachen ihn schnell ab.
Das könnte sich nun rächen: In Südkorea herrscht derzeit ohnehin ein Führungsvakuum, weil der rechte Präsident Yoon Suk Yeol wegen der Verhängung des Kriegsrechts Ende 2024 inzwischen im Gefängnis sitzt und vor der endgültigen Amtsenthebung steht. Sollte bei wahrscheinlichen Neuwahlen ein Linker an die Macht kommen, könnten Trumps Erinnerungen an Moon auf den neuen Präsidenten abfärben.
Welche Ziele verfolgt Kim Jong Un?
Nordkoreas Führer Kim scheint seine eigenen Lehren aus dem Debakel von 2019 gezogen zu haben. Zwar hat er bislang auf einen siebten Atomtest verzichtet. Dafür hat er sein Atomwaffenarsenal ausgebaut, die Technik für Langstreckenraketen verbessert, Hyperschallraketen, Marschflugkörper und U-Boote weiterentwickelt, die Atomraketen abschiessen können.
Im vergangenen Jahr erklärte er sogar Südkorea zum Hauptfeind. Das lässt befürchten, dass Kim die südkoreanische Regierung diesmal nicht an möglichen Verhandlungen beteiligen will. Zudem sagt das südkoreanische Asan-Institut für politische Studien voraus, dass Kim seine klassische Verhandlungstaktik beibehalten werde. Wenn Nordkorea bisher verhandlungsbereit gewesen sei, sei es in der Regel darum gegangen, «Südkorea einzudämmen oder einen Keil zwischen Südkorea, die USA und Japan zu treiben».
Durch die Waffenbruderschaft mit Russlands Präsident Wladimir Putin erhält Kim nun zudem vieles, was er weder von den USA noch von seiner wichtigsten Schutzmacht China bekommen hat. Dazu dürfte neben Energielieferungen auch technische Expertise in der Waffen- und Raketentechnik gehören. Zudem öffnet Putin Nordkoreas alte Absatzkanäle für Waffen wieder.
Offen ist, wie Trump Nordkorea in seine Anti-China-Politik einordnen wird. Die Möglichkeit einer weiteren Destabilisierung Ostasiens besteht sowohl bei einem – aus Trumps Sicht – erfolgreichen Deal als auch bei einem erneuten Scheitern. Noch ist nicht einmal klar, ob Kim die Gespräche wieder aufnehmen wird.
Jenny Town, Korea-Expertin der amerikanischen Denkfabrik Stimson Center, sagt, dass die Nordkoreaner aufgrund der Unterstützung durch Russland wohl keine Notwendigkeit für Gespräche sähen. Sie sagt: «Wenn sie weiterhin verhandlungsbereit sind, werden sie nicht einfach dort weitermachen, wo sie beim letzten Trump-Kim-Gipfel in Hanoi aufgehört haben.»
Nordkorea werde ganz andere Verhandlungspunkte und einen viel höheren Preis verlangen. «Alles wird schwieriger als zuvor», sagt Town, «und ich bin mir nicht sicher, ob die Trump-Administration das wirklich realisiert hat.»