Der neue Chef des Weissen Hauses verschärft die Tonlage gegenüber Russland markant. Das wird die bedrängte Ukraine freuen. Aber ein genauerer Blick verrät klare Schwächen in Trumps Strategie.
An seinem dritten Amtstag hat sich der amerikanische Präsident Donald Trump erstmals etwas ausführlicher dazu geäussert, wie er ein Kriegsende in der Ukraine erreichen will. Auffallend ist dabei, dass sich Trump ausschliesslich an Russland richtete und unverhohlene Drohungen ausstiess. Moskau solle unverzüglich Hand zu einem «Deal» bieten, weil die Bedingungen sonst nur noch schlechter würden. Als Druckmittel brachte Trump Sanktionen und Zölle gegen Russland und seine Verbündeten ins Spiel. Aus Trumps Mund ist dies neu, da der Republikaner im Wahlkampf nur Andeutungen über seine Verhandlungsstrategie gemacht hatte. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie die jüngsten Äusserungen zu deuten sind.
Trumps Botschaft über seinen Kanal Truth Social umfasste nur elf Sätze und war daher weit von einem klaren Konzept entfernt. Wie immer bei diesem Politiker ist es zudem nötig, herauszufiltern, was hinter bombastischen Floskeln, Falschinformationen sowie einer unstillbaren Liebe zu Grossbuchstaben wohl den Kern der Aussage bildet.
Ein Kompliment, das in den falschen Hals gerät
Zu den typischen Trumpschen Verirrungen zählt, dass er Russland zum Einstieg offenbar ein Kompliment machen wollte und an die «Hilfe» Moskaus im Kampf gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg erinnerte. Das Land habe dabei 60 Millionen Menschen verloren. Das ist mehr als das Doppelte der Zahl, die viele Historiker und auch das offizielle Moskau nennen. Der Kreml dementierte die Angabe sofort und zeigte sich vielmehr pikiert über Trumps Wortwahl. Russland sieht die damalige Sowjetunion nicht als «Helferin» der USA im Weltkrieg, sondern als das weitaus wichtigste Mitglied der damaligen Anti-Hitler-Koalition.
Ein weiterer unnötiger Schlenker war, dass Trump seine Botschaft an Russland mit einem innenpolitischen Seitenhieb kombinierte. Die Untersuchungen zu den Russland-Verbindungen seines Beraterteams in der ersten Amtszeit bezeichnete er zum wiederholten Male als «Schwindel der radikalen Linken» – obwohl es dazu in Wirklichkeit gut begründeten Anlass gegeben hatte. Aber schält man das Wesentliche aus Trumps Mitteilung heraus, so bleibt der Eindruck, dass der Präsident die Notwendigkeit sieht, den Druck auf Russland zu erhöhen.
Bemerkenswert ist nur schon der erpresserische Tonfall, der an Dialoge aus Mafiafilmen erinnert. «Ich möchte Russland nicht weh tun», beginnt Trump, nur um darauf ein grosses Aber folgen zu lassen. «Wir können es auf die leichte Tour machen oder auf die harte Tour – die leichte ist immer besser», schreibt Trump gegen Schluss seiner Botschaft. Der Amerikaner pflegt in dieser Beziehung einen ähnlichen Stil wie sein russisches Gegenüber. Vor der Ukraine-Invasion hatte Putin dem Nachbarland eiskalt mit einer russischen Redewendung gedroht: «Ob es dir gefällt oder nicht, erdulde es, meine Schöne.»
Trump scheint sich in einer Position der Stärke zu fühlen. In seiner Botschaft an den Kreml äussert er sich so, als könne Russland gar nicht anders, als sich zu beugen und einem Ende des Krieges zuzustimmen. Russlands Wirtschaft sei am Boden, behauptet er und stellt seine Verhandlungsoffensive als «Gefallen» dar, den er Putin mache.
Russland hat ganz andere Vorstellungen
Dies verrät eine Sichtweise, die sich als illusionär herausstellen könnte. Putin zeigt keinerlei Absicht, auf baldige Verhandlungen einzusteigen. Er wiederholte diese Woche, dass es nicht um eine blosse Kriegspause gehen dürfe, sondern um eine tiefgreifende Regelung unter Berücksichtigung von Russlands Interessen. Mit anderen Worten will der Kreml den Krieg nicht einfach entlang der bestehenden Front einfrieren, sondern weiterreichende Ziele erreichen. Dazu gehören die Kontrolle über zusätzliche Territorien, der Sturz der Regierung in Kiew und das Zurückdrängen der Nato aus Osteuropa.
Moskau sieht sich durch die jüngsten Gebietsgewinne und die zunehmende militärische Erschöpfung der Ukraine in seinem Kurs bestätigt. Trump scheint zu glauben, dass Putin Angst vor einem Kollaps der russischen Wirtschaft haben muss, aber diese Ansicht ist schlecht begründet. Zwar kämpft Russland mit schweren makroökonomischen Problemen, darunter einer auf zehn Prozent gestiegenen Inflation, einem extrem hohen Zinsniveau und einem Ungleichgewicht zwischen militärischer und ziviler Produktion. Das Land bezahlt damit einen hohen Preis für seinen Kriegskurs, aber seine Wirtschaft steht nicht am Abgrund.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie stark das Druckmittel weiterer amerikanischer Strafmassnahmen ist. Trump spricht unter anderem von Zöllen – ein Wort, das er bei anderen Gelegenheiten als das schönste in seinem Wortschatz bezeichnet hat. Aber die im Zuge des Krieges geschrumpften Importe aus Russland sind mit jährlich drei Milliarden Dollar zu gering, als dass Zölle den Kreml beeindrucken würden.
Viel mehr Potenzial gibt es bei den Wirtschaftssanktionen. Trumps Regierung dürfte sich denn auch darauf konzentrieren. Der neue Finanzminister Scott Bessent sprach sich bei seiner Anhörung im Kongress für schärfere Sanktionen gegen russische Erdölfirmen aus, um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Vorgängerregierung von Joe Biden hatte diesbezüglich grössere Vorbehalte, weil sie befürchtete, ohne russisches Erdöl werde es zu Turbulenzen auf dem Weltmarkt kommen. Aber auch Biden hatte am Schluss seiner Amtszeit das Sanktionsregime verschärft.
Die nächste Drehung an der Sanktionsschraube könnte sich gegen die beiden grössten russischen Erdölkonzerne, Rosneft und Lukoil, richten, die Biden noch teilweise verschont hatte. Die Gefahr eines steigenden Erdölpreises sieht Trump ohnehin weniger, da er die einheimische Produktion ankurbeln will.
Militärhilfe bleibt vorerst tabu
Trotzdem ist es eine gewagte Annahme, dass sich Russland mit Energiesanktionen zu einem Abbruch des Krieges bewegen lässt. Moskau hat bisher Mittel und Wege gefunden, sich den Sanktionen anzupassen und seine Partner China und Indien mit einer Schattenflotte zu beliefern. In diesem Zusammenhang lässt Trumps Äusserung aufhorchen, dass sich die angedrohten Strafmassnahmen auch gegen «verschiedene andere beteiligte Staaten» richten werden. Iran und Nordkorea als engste militärische Verbündete des Kremls fallen dabei ausser Betracht, weil sie schon längst unter harten Sanktionen der USA stehen. Ob der amerikanische Präsident jedoch so weit gehen möchte, China für seine Komplizenschaft mit den Russen zu bestrafen, ist offen.
Zumindest hat Trump nun eine Stossrichtung vorgegeben. Bemerkenswert ist aber auch, was ungesagt bleibt: Die viel wirksamere Drohung, die Ukraine militärisch gegen Russland aufzurüsten, ist ausgeblieben. Trump vertraut offenbar auf wirtschaftlichen Druck und hält weiterhin nichts von Militärhilfe an Kiew. In seiner Inaugurationsrede empörte er sich über die «unbegrenzte Finanzierung der Verteidigung fremder Grenzen» – ein polemischer Seitenhieb gegen Bidens Ukraine-Kurs. Vor seinem Amtsantritt hat er auch den Einsatz amerikanischer Waffen gegen Ziele innerhalb Russlands als Fehler bezeichnet.
Waffenlieferungen, Hilfe bei der Identifizierung militärischer Ziele oder die Ausbildung ukrainischer Soldaten wären jedoch Mittel, um amerikanische Stärke gegenüber Russland zu demonstrieren. Bleiben solche Signale aus, kann Putin weiter hoffen, auf dem Schlachtfeld zu triumphieren. Ein simpler «Deal», wie ihn Trump in Aussicht stellt, ist in der jetzigen Lage nicht in Griffnähe.