Zwischen Deutschlandfahnen, Brandmauer-Debatte und einer Live-Schalte mit Elon Musk inszeniert sich die AfD in Sachsen-Anhalt als Partei des Aufbruchs.
Um 15 Uhr 15 hat Alice Weidel die Bühne noch nicht betreten, obwohl einige Tausend Menschen gespannt auf sie warten. Dafür hört man sie bereits. Die Halle ist tiefdunkel, nur am grellen Licht der überdimensionalen Bildschirme kann man sich orientieren. Fernsehschnipsel, KI-generierte Animationen und Weidel-Zitate prasseln als Kurzfilme auf das Publikum ein. In den Clips wird abgerechnet: mit der deutschen Energie-, Einwanderungs- und Gesellschaftspolitik.
Eine Stunde später ist es dann so weit. Die Kanzlerkandidatin der AfD betritt breit lächelnd die Bühne. Am Rednerpult angekommen, formt sie mit den Händen ein Herzchen und ruft «Ich liebe Euch!» Im Publikum wehen Deutschlandfahnen und blaue Pappherzen, auf denen es heisst «Kanzlerin der Herzen». Einige tragen T-Shirts mit Weidels Gesicht. Die 45-Jährige ist sichtlich gerührt von diesem Empfang.
Musk ruft Deutsche auf «stolz» zu sein
Bevor sie viel sagen kann, wechselt sie auf Englisch. «Can you hear me?», fragt sie augenscheinlich ins nichts. Kurz darauf ertönt über die Lautsprecher die Stimme von Elon Musk. Der fragt zurück: «Alice?» Dann erscheint der amerikanische Tech-Unternehmer Musk auf den Bildschirmen, das Publikum in Halle an der Saale jubelt ihm zu. Die Inszenierung ist perfekt.
Musk ist offenbar fest entschlossen die deutsche Rechtspartei nach besten Kräften zu unterstützen. Es sei «sehr wichtig, dass die Menschen in Deutschland stolz darauf sind, Deutsche zu sein», erklärt der amerikanische Milliardär im Livestream. Die AfD sei die beste Hoffnung für Deutschland.
Weidel sieht aus, als könne sie das Glück dieser unvorhergesehenen Wahlwerbung aus den USA noch immer nicht fassen. Mit sichtbarer Begeisterung gratuliert sie dem Republikaner Donald Trump zur Präsidentschaft und ruft eine abgewandelte Version seines berühmten Mottos: «Make Germany great again.»
Aufregung wegen wackelnder Brandmauer
Weit weg scheinen da die Zeiten, in denen Weidel nachgesagt wurde, die deutsche Regierung als «Marionetten der Siegermächte» bezeichnet zu haben. Der schlichte Antiamerikanismus, der Teile der Partei prägt, wird vom Tesla-Chef und der neuen Trump-Regierung weggefegt, als hätte es ihn nie gegeben. Auch bei den meisten Menschen in der Messe-Halle scheint der fröhliche Elon gut anzukommen.
Die Bundestagswahl ist noch einem Monat entfernt. Die CDU/CSU liegt in den Umfragen klar vor der AfD. Doch die vergangenen 48 Stunden waren für die Partei brisant. Nach dem Messerangriff eines ausreisepflichtigen Afghanen im bayrischen Aschaffenburg, bei dem ein zweijähriges Kind und ein 41-jähriger Mann getötet worden sind, hat der CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt, einen Antrag zur Begrenzung der illegalen Migration ins Parlament einzubringen – wer zustimmt, sei ihm egal, so Merz.
Die AfD hat diese Ankündigung in helle Aufregung versetzt. Merz hatte eine Zusammenarbeit mit der Rechtspartei stets kategorisch ausgeschlossen und sogar seine Kanzlerkandidatur an dieses Versprechen geknüpft. Ein Antrag, der mit den Stimmen der AfD beschlossen wird, könnte je nach Interpretation als Bruch mit der sogenannten Brandmauer gewertet werden – eine Brandmauer, die bislang als unverrückbares Prinzip der Union galt.
Ist das Szenario der FPÖ in Deutschland möglich?
Dass diese nun bröckelt, gilt bei den Funktionären der AfD und auch bei Weidel als ausgemacht. Allerdings haben die meisten damit erst in den nächsten Jahren gerechnet. Nun könnte es schneller gehen als gedacht. Passenderweise sendet Herbert Kickl, der Chef der österreichischen ÖVP, eine Grussbotschaft zu Beginn der Veranstaltung.
«Wir fiebern in diesem Wahlkampf mit euch mit», sagt der FPÖ-Politiker auf der Leinwand. Kickl, einst Ausgeschlossener bei den Koalititionsgesprächen, könnte der nächste Kanzler von Österreich werden, nachdem die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos Anfang Januar gescheitert sind. Kickl war bei der Wahl im September vor der konservativen ÖVP gelandet.
Davon ist die AfD auf Bundesebene noch acht bis zehn Prozentpunkte entfernt. Während ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla in seiner Rede bescheiden das Ziel ausruft, «mindestens zweitstärkste Kraft» zu werden, endet Weidel den Abend mit den Worten: «Lasst uns die CDU überholen!»