Der Stützpunkt Guantánamo ist berüchtigt für die Inhaftierung von Islamisten. Nun will Donald Trump auf Kuba bis 30 000 abgewiesene Migranten einsperren. Die Idee klingt neu. Aber auch frühere US-Präsidenten nutzten die Basis, um die Zuwanderung zu steuern.
Wenn Menschenrechtsorganisationen in den vergangenen Jahren die Zustände auf dem amerikanischen Marinestützpunkt Guantánamo kritisierten, ging es praktisch immer um die Haftbedingungen islamistischer Terrorverdächtiger. Dies dürfte sich nun ändern. Am Mittwochabend beauftragte Donald Trump das Verteidigungsministerium und das Departement für Innere Sicherheit, die Basis auf Kuba darauf vorzubereiten, dort künftig die «schlimmsten kriminellen illegalen Ausländer» festzuhalten. «Einige sind so bösartig, dass wir nicht einmal ihren Heimatländern darin vertrauen, dass sie sie einsperren. Denn wir wollen nicht, dass sie zurückkehren.» Es sei schwer, aus Guantánamo herauszukommen.
Viele wüssten es nicht, aber die Vereinigten Staaten verfügten auf dem Stützpunkt am östlichen Ende der Karibikinsel bereits über eine Anlage mit 30 000 Betten, erklärte Trump. Dies werde die Kapazitäten der USA fast verdoppeln. Die für die Ausschaffung zuständige Immigrationsbehörde ICE verfügt derzeit lediglich über Haftanstalten für insgesamt 40 000 Personen. Die grösste davon ist für rund 2000 Migranten ausgelegt. Das reicht nicht aus, wenn Trump seine versprochenen «Massenabschiebungen» tatsächlich umsetzen möchte.
Bisheriges Auffangzentrum für Bootsflüchtlinge
Gemäss dem neuen Verteidigungsminister Pete Hegseth soll das Gefängnis auf Guantánamo als temporäre Zwischenstation für Migranten dienen, deren Abschiebungen in ihre Heimatstaaten oder sichere Drittländer etwas länger Zeit brauchen. Hegseth bewachte 2004 als junger Offizier selbst einst Islamisten auf dem Stützpunkt. Er kenne die Infrastruktur deshalb dort sehr gut, erklärte er am Mittwoch gegenüber dem Fernsehsender Fox News. Die bereits bestehenden Anlagen für Migranten befänden sich an einem anderen Ort in der weitläufigen Bucht als das Gefängnis für Terrorverdächtige. Guantánamo sei «perfekt», um illegale Ausländer auf humane Weise aus den USA zu entfernen, vom amerikanischen Volk fernzuhalten und zurück in ihre Länder zu führen. Selbst der Golfplatz könnte genutzt werden, um zusätzliche 6000 Betten für Migranten zu schaffen, meinte Hegseth.
Tatsächlich halten die USA heute nur noch 15 Islamisten auf ihrem Marinestützpunkt gefangen. In den Jahren nach dem Einmarsch in Afghanistan 2001 waren es insgesamt knapp 800. Wie schnell Washington nun aber die Kapazitäten seines Migrant Operation Center ausbauen kann, muss sich zeigen. Präsident Bill Clinton nutzte Guantánamo 1994 als Auffanglager, um eine Welle von Bootsflüchtlingen aus Kuba und Haiti in den Griff zu bekommen. Insgesamt 33 000 kubanische und 12 000 haitianische Migranten wurden damals nach Guantánamo gebracht.
Bereits in den achtziger Jahren begann indes Präsident Ronald Reagan damit, insbesondere Flüchtlinge aus Haiti auf hoher See abzufangen, bevor sie amerikanisches Festland erreichten. Tausende von ihnen wurden nach Guantánamo verschifft. Gemäss einem Bericht der Flüchtlingsorganisation International Refugee Assistance Project (Irap) wurde die grosse Mehrheit der Haitianer in ihre Heimat zurückgeschafft oder auf unbestimmte Zeit festgehalten.
Präsident Clinton erlaubte den im Mai 1995 in Guantánamo verbleibenden 18 500 Kubanern jedoch schliesslich die Einreise – ausgenommen Personen mit einer kriminellen Vergangenheit. Bereits im September 1994 einigte sich Washington mit der kubanischen Regierung auf eine jährliche Aufnahme von mindestens 20 000 Kubanern.
Im Prinzip gilt jeder Papierlose als kriminell
Momentan verfüge das Migrant Operation Center jedoch nur über eine kleine Baracke mit einer Kapazität für maximal 120 Personen, schreibt die «New York Times». In den vergangenen Jahren seien jeweils nicht mehr als ein paar Dutzend Migranten dort festgehalten worden. In der Nähe lägen aber Felder, auf denen eine Zeltstadt errichtet werden könnte. Gemäss dem Irap-Bericht würden Schutzsuchende derzeit unter «gefängnisähnlichen Bedingungen» über Wochen und Monate auf unbestimmte Zeit festgehalten mit einem begrenzten Zugang zu Kommunikationsmitteln. Besonders für Kinder seien die prekären Umstände schwer zu verkraften. «Die Flüchtlinge sind gezwungen, diese Behandlung zu ertragen, bis ein Drittland bereit ist, sie aufzunehmen, auch wenn sie Familie in den Vereinigten Staaten haben.» Das Verfahren könne Jahre dauern, ausser die Asylsuchenden entschieden sich für eine Rückkehr in ihre Heimat.
Gemäss Trump sollen in erster Linie schwere Verbrecher nach Guantánamo gebracht werden. Allerdings stellt sich dabei einerseits die Frage, ob solche Personen in einer improvisierten Zeltstadt gehalten werden könnten. Andrerseits scheint nicht klar, was die Trump-Regierung unter einem «kriminellen Ausländer» versteht. Journalisten wollten von Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt diese Woche wissen, wie viele von den in den vergangenen Tagen festgenommenen Migranten eine kriminelle Vergangenheit hätten. Leavitt meinte: «Alle von ihnen, weil sie auf illegale Weise unsere Gesetze gebrochen haben. Deshalb sind sie alle Kriminelle.» Im Klartext: Jeder Papierlose ist ein Verbrecher.