Die Wahrscheinlichkeit für einen Einschlag liegt bei 1,3 Prozent. Aber diese Schätzung ist noch unsicher. Genauere Messungen sollen nun zeigen, ob weitergehende Massnahmen nötig sind.
Der Asteroid 2024 YR4 wurde erst vor wenigen Wochen entdeckt. Aber er könnte Astronomen noch Jahre beschäftigen. Denn es gibt eine Wahrscheinlichkeit von 1,3 Prozent, dass der 40 bis 90 Meter grosse Gesteinsbrocken am 22. Dezember 2032 mit der Erde kollidieren wird. Damit steht 2024 YR4 auf Platz 1 der Liste, in der die Europäische Weltraumorganisation ESA Buch über die gefährlichsten Asteroiden führt.
Zwar könnte es gut sein, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Einschlag nach unten korrigiert wird, wenn genauere Bahndaten vorliegen. Momentan sind allerdings alle drei Kriterien erfüllt, bei denen das International Asteroid Warning Network in Aktion (IAWN) tritt, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Diese drei Kriterien lauten: Der Einschlag könnte innerhalb der nächsten 50 Jahre passieren, die Wahrscheinlichkeit ist grösser als ein Prozent, und das Objekt ist grösser als 50 Meter und damit in der Lage, erhebliche lokale Schäden anzurichten.
Sollte es tatsächlich zu einem Einschlag kommen, wäre ein Gebiet betroffen, das sich vom östlichen Pazifik über den Norden Südamerikas, den Atlantik, Afrika, das Arabische Meer bis nach Südasien erstreckt. Wo genau der Asteroid einschlagen könnte, lässt sich derzeit nicht genauer eingrenzen. Dafür kennt man seine Bahn nicht genau genug.
Auch die zu erwartenden Schäden lassen sich noch nicht quantifizieren. Diese hängen von der Dichte und der Grösse des Asteroiden ab. Beide Grössen kennt man noch nicht genau. Der Durchmesser von 40 bis 90 Metern ist eine grobe Schätzung, die sich auf die beobachtete Helligkeit des Asteroiden stützt.
Derzeit geht man davon aus, dass beim Einschlag ein Energieäquivalent von acht Megatonnen TNT freigesetzt werden könnte. Das entspricht der Sprengkraft einer Wasserstoffbombe. Mit globalen Folgen wie vor 66 Millionen Jahren, als ein Asteroideneinschlag die Dinosaurier auslöschte, ist nicht zu rechnen. Dafür ist 2024 YR4 viel zu klein.
Ein Einschlag wäre eher mit dem Tunguska-Ereignis von 1908 zu vergleichen. Damals wurden in Sibirien auf einer Fläche von 2000 Quadratkilometern Millionen von Bäumen umgeknickt. Man führt das auf einen Asteroiden oder einen Kometen zurück, der in der Atmosphäre explodierte und eine gewaltige Druckwelle auslöste. Würde das über einer besiedelten Region passieren, könnten die Schäden in einem Umkreis von 50 Kilometern erheblich sein.
Dass der Asteroid erhöhte Aufmerksamkeit verdient, zeigt auch seine Einstufung auf der sogenannten Turiner Skala. Mit dieser Skala von 0 (kein Risiko) bis 10 (sichere Kollision mit globalen Konsequenzen) bewerten Astronomen die Gefahr, die von erdnahen Asteroiden ausgeht. 2024 YR4 befindet sich momentan auf Stufe 3. Bisher erreichte nur ein Asteroid die Gefahrenstufe 4. Aber schon vier Tage später wurde 99942 Apophis aufgrund genauerer Messungen wieder zurückgestuft.
Das könnte auch im Falle von 2024 YR4 passieren. Der potenziell gefährliche Asteroid umkreist die Sonne auf einer elliptischen Bahn und braucht für einen Umrundung vier Jahre. Er wurde am 27. Dezember 2024 mit einem Teleskop in Chile entdeckt. Wie die Bahndaten zeigten, war er zwei Tage zuvor unbemerkt in einem sicheren Abstand von 830 000 Kilometern an der Erde vorbei geflogen. Seither entfernt er sich wieder von uns.
Das macht es schwieriger, seine Bahn zu verfolgen. Bis April wird der Asteroid noch mit guten Teleskopen zu erkennen sein. Danach entschwindet er in die Weiten des Alls. Deshalb setzen Astronomen nun alles daran, seine Umlaufbahn besser einzugrenzen.
So tauschen sich die Institutionen, die auf die Berechnung von Asteroidenbahnen spezialisiert sind, derzeit täglich aus. Ausserdem hat das International Asteroid Warning Network Anträge eingereicht, 2024 YR4 mit Weltraumteleskopen zu beobachten. Interessant wären vor allem Infrarotaufnahmen mit dem James-Webb-Teleskop. Denn die könnten dabei helfen, die Grösse des Asteroiden genau zu bestimmen.
Die Grösse ist ein entscheidendes Kriterium, ob weitergehende Massnahmen erforderlich sind. Ab einem Durchmesser von 50 Metern müsse man über mögliche Abwehrmassnahmen nachdenken, sagt Detlev Koschny, der derzeit im Auftrag der ESA die Space Mission Planning Advisory Group (SMPAG) leitet. Ist der Asteroid kleiner, würde man sich mit Massnahmen am Boden begnügen und beispielsweise die Bevölkerung evakuieren. 2024 YR4 liege mit seinem geschätzten Durchmesser von 40 bis 90 Metern in einer Grauzone. Deshalb werde die SMPAG erst einmal abwarten, bevor sie weitere Massnahmen plane.
Koschny rechnet damit, dass man in einigen Monaten genauere Angaben machen kann. Simulationen deuteten darauf hin, dass das Risiko eher über- als unterschätzt werde. Allerdings werde es bis April vermutlich nicht möglich sein, einen Einschlag mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschliessen. Dafür ist Geduld gefragt. Denn es wird bis 2028 dauern, bis sich der Asteroid wieder der Erde nähert und erneut vermessen werden kann.