Aus dem Nichts tauchen die Frachter auf und führen verdächtige Manöver über den Unterseekabeln aus. In Taiwans Gewässern häufen sich die Zwischenfälle. Was kann Taiwan tun?
Taiwans Telekomnetzwerk ist dank Kabeln auf dem Meeresgrund mit der Aussenwelt verbunden. Insgesamt vierzehn Anbindungen ermöglichen den internationalen Datenverkehr. Doch sie sind verletzlich. Mehrere Zwischenfälle seit Anfang Jahr haben das Problem noch einmal deutlich gemacht.
Mysteriöse Schiffe halten sich lange über Kabeln auf
Gleich nach Neujahr meldete die grösste Telekomfirma Taiwans, Chunghwa Telecom, dass eines ihrer Unterseekabel unterbrochen sei. Die ausgerückte taiwanische Küstenwache stiess am Ort des Kabelbruchs auf einen Frachter, der unter kamerunischer Flagge fuhr. Aufgrund des schweren Seegangs konnte die Küstenwache nicht an Bord des Schiffes gehen, das verdächtigt wird, mit seinem Anker das Kabel zerstört zu haben.
Vieles deutet auf Sabotage hin: Schiffspositionsdaten zeigen, dass sich das Schiff mehrere Wochen im Gebiet vor der Nordküste Taiwans aufgehalten hatte. Es verfolgte dabei nicht nur einen erratischen Kurs, der mehrmals über Unterseekabel führte, es gab auch zwei verschiedene Identitäten vor, neben der kamerunischen eine tansanische. Erst recht verdächtig ist aus taiwanischer Sicht, dass das Schiff auf einen Eigner in Hongkong registriert ist und die Mannschaft rein chinesisch war.
Nur wenige Tage später meldete die Küstenwache ein Schiff unter mongolischer Flagge, das sich in auffälligem Zickzackkurs über den Kabeln in Küstennähe aufhielt. Und eine amerikanische Denkfabrik, die sich mit maritimer Sicherheit befasst, entdeckte ein Schiff, das mehrere Wochen ziellos vor der Südostküste Taiwans kreuzte. Dort befindet sich ein weiterer Landungspunkt für Unterseekabel. Das Schiff fuhr unter der Flagge von Belize, hatte Eigner aus Hongkong und einen russischen Namen. Als sich Taiwans Küstenwache das Schiff genauer anschaute, verliess es die Region.
Dass Frachtschiffe länger irgendwo in Küstennähe liegen, kommt regelmässig vor. Nicht immer hat ein Frachter nach vollendeter Fahrt einen Folgeauftrag, und in einem Hafen zu warten, kostet Gebühren. Da viele Landungspunkte unweit von Häfen liegen, fahren täglich unzählige Schiffe über die Kabel hinweg.
Verdächtiger Flaggenstaat, verdächtige Eigner
Unter diesen Umständen verdächtige Schiffe zu entdecken, zu kontrollieren und allenfalls zur Weiterfahrt aufzufordern, bringt eine Küstenwache schnell an den Rand ihrer Kapazitäten. Taiwan hat darum eine Liste erstellt mit Schiffen, die über auffällige Merkmale verfügen und darum künftig besonders beobachtet werden.
Erstens sind diese Schiffe in sogenannten Billigflaggenstaaten registriert. Diese Länder kontrollieren kaum, ob «ihre» Schiffe internationale Auflagen zu Umweltschutz, Arbeiterschutz oder nautischer Sicherheit einhalten. Solche Schiffe sind gut geeignet, Sanktionen zu umgehen, etwa jene gegen russische Ölexporte.
Die Chance, dass Billigflaggenstaaten kriminelles Verhalten einer Schiffsbesatzung untersuchen und allenfalls ahnden, ist sehr gering. Doch genau dafür wäre der Flaggenstaat zuständig. Taiwan nimmt nun Schiffe ins Visier, die in Kamerun, Tansania, der Mongolei, Togo und Sierra Leone registriert sind.
Als zweites Kriterium dafür, ob ein Schiff auf die schwarze Liste Taipehs kommt, werden die Besitzverhältnisse angeschaut. Die sind bei Schiffen häufig nicht einfach zu eruieren, weil verschachtelte Besitzkonstrukte keine Seltenheit sind. Taiwans Behörden fokussieren auf Schiffe, die einen Bezug zu China, Hongkong oder Macau haben. Insgesamt 52 Schiffe sind gegenwärtig auf der schwarzen Liste.
Marine und Küstenwache arbeiten enger zusammen
Zerstörerische Aktionen gegen zivile Infrastruktur wie Unterseekabel werden als «grey zone operations» bezeichnet. Sie können einfach als Unfälle dargestellt werden: Rund um die Welt kommt es laut dem International Cable Protection Committee, einer Organisation zum Schutz von Unterseekabeln, zu 150 bis 200 Beschädigungen an Unterwasserkabeln pro Jahr. Die allermeisten seien auf Schleppnetze von Fischern und Anker zurückzuführen.
Dass ein Schiff absichtlich ein Datenkabel zerstört, ist schwierig nachzuweisen. Vor allem wenn der Flaggenstaat bei der Untersuchung nicht kooperiert. Gelingt es, eines verdächtigen Schiffs innerhalb der Territorialgewässer, die sich bis 12 Seemeilen vor der Küste erstrecken, habhaft zu werden, kann der Küstenstaat Kapitän und Mannschaft festsetzen und verhören. Auch in der sogenannten Anschlusszone, die weitere 12 Seemeilen umfasst, hat der Küstenstaat einen Handlungsspielraum.
Zuständig ist dafür in Taiwan die Küstenwache. Sie hat vergleichbare Aufgaben wie die Seepolizei auf einem Binnengewässer und gilt als zivile Agentur. Die Marine hingegen ist für die Landesverteidigung zuständig. Dennoch erhält sie nun eine Aufgabe im Kampf gegen Übergriffe in der grauen Zone.
Der taiwanische Verteidigungsminister Wellington Koo hat nach einer Sitzung der verschiedenen beteiligten Behörden bekanntgegeben, dass die Kriegsmarine die Küstenwache darin künftig unterstützen werde. So stellt die Marine Überwachungskapazitäten zur Verfügung, etwa Radar. Die Küstenwache schreite als Erste ein. Wenn sie Unterstützung brauche, komme die Marine zu Hilfe, sagte Koo laut der Nachrichtenagentur Reuters.