Bei einer Veranstaltung in Hamburg bekräftigte die Altkanzlerin ihre Kritik an der gemeinsamen Abstimmung der CDU/CSU mit der AfD – für ihren Nachfolger hatte sie eher ausweichende Worte als Anerkennung.
Bei einer Veranstaltung mit der Wochenzeitung «Die Zeit» hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Kritik am Migrationskurs von Friedrich Merz bekräftigt. Ausserdem stellt sie sich nur zögerlich hinter den Kanzlerkandidaten der Union.
Auf die Frage «Robert Habeck oder Friedrich Merz?» antwortet Merkel ausweichend: «Ich bin jetzt CDU-Mitglied, ich bin vor allen Dingen überzeugt, dass die CDU, was die wirtschaftlichen Aufgaben . . .» Doch bevor sie ihre Ausführung beenden kann, wird sie von Gelächter und Applaus im Saal unterbrochen. Schliesslich fährt sie fort: «Wenn ich an die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes denke, ich wollte jetzt, also ich will hier, wenn es jetzt heisst ‹Merz oder Habeck›, dann muss ich sagen: Merz. Aber ich wollte noch eine Begründung dafür liefern.»
Dass sie als Ex-Kanzlerin den Kanzlerkandidaten Merz wegen der Vorgänge im Bundestag kritisiert hat, habe mit der Grundsätzlichkeit der Sache zu tun. «Ich fand es sehr, sehr richtig und wichtig, dass Friedrich Merz am 13. November im Deutschen Bundestag angesichts des Zusammenbruchs der Ampel artikuliert hat, dass er diese mehrheitsmässige, unübersichtliche Situation im Deutschen Bundestag nicht ausnutzen möchte», sagte Merkel.
Merz hatte Entschliessungsantrag mithilfe der AfD durchgesetzt
Staatspolitisch richtig sei auch gewesen, dass Merz erklärt hatte, nicht zufällige Mehrheiten zu erzeugen, die der AfD erlauben, auf das Ergebnis einer Abstimmung Einfluss zu nehmen.
Merz hatte in der vergangenen Woche allerdings seine Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik und einen Gesetzesentwurf im Deutschen Bundestag mit dem Wissen zur Abstimmung gebracht, dass eine Mehrheit nur mithilfe der AfD wahrscheinlich war. Der Entschliessungsantrag wurde mit den Stimmen der AfD angenommen, der Gesetzentwurf scheiterte.
Merz hatte zuvor mehrfach betont, er schliesse eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Merkel nannte es damals falsch, «sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen».
Merkel verteidigt eigene Flüchtlingspolitik
«Ich mische mich ja in die normalen politischen Auseinandersetzungen nicht ein, aber ich fand das doch eine Frage grundsätzlicher Bedeutung», sagte die Altkanzlerin und langjährige frühere CDU-Chefin. Dass sie sich erst einen Tag nach der Bundestagsentscheidung zum Entschliessungsantrag geäussert hat, begründete sie damit, dass sie nicht vorschnell habe vorgehen wollen. «Da habe ich noch mal eine Nacht auch darüber geschlafen und fand es dann doch (. . .) richtig und für mich einfach auch notwendig, dazu meine Meinung zu sagen.»
Gleichzeitig verteidigte sie ihre eigene Migrationspolitik von 2015 bis 2021. «Ich halte die Flüchtlingspolitik der letzten zehn Jahre nicht für verfehlt.» Allerdings sei noch eine ganze Menge zu tun, sagte Merkel etwa mit Blick auf das Durchsetzen von Ausreisepflichten oder die Digitalisierung von Ausländerämtern. «Da muss mehr getan werden, und auf diesem Weg hätte man vielleicht auch hier und da schneller sein können. Aber verfehlt? Das kann ich so nicht akzeptieren», sagte die Ex-Kanzlerin.
Mit DPA-Agenturmaterial.