Die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Kosovos verfehlt ihr Ziel von 50 Prozent der Stimmen. Die grossen Oppositionsparteien holten ihren Rückstand auf. Dem Land stehen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor.
Der jüngste Staat Europas hat sein neues Parlament gewählt. Wie erwartet erhielt die Partei Vetevendosje (LVV, Selbstbestimmung) des amtierenden Ministerpräsidenten Kosovos, Albin Kurti, die meisten Stimmen. Sie schnitt jedoch deutlich schlechter ab als noch vor vier Jahren.
Das offizielle Wahlergebnis liess auf sich warten. Die Wahlkommission Kosovos kämpfte am Abend nach den Wahlen mit Problemen bei der elektronischen Datenverarbeitung. Stundenlang konnte ihre Website nicht abgerufen werden. Mittlerweile sind 90 Prozent der Stimmen ausgezählt. Das vorläufige Resultat lautet:
Die LVV von Albin Kurti kommt auf 41 Prozent aller Stimmen. Das sind knapp zehn Prozentpunkte weniger als 2021. Damals war sie auf knapp über 50 Prozent der Wählerstimmen gekommen.
Die beiden Oppositionsparteien PDK (Demokratische Partei Kosovos) und LDK (Demokratische Liga Kosovos) erhalten 22 beziehungsweise 18 Prozent der Stimmen. Beide legten im Vergleich zu 2021 um 5 Prozentpunkte zu. Die dritte Oppositionspartei, die AAK (Allianz für die Zukunft Kosovos) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj, steht wie 2021 bei 7 Prozent.
In den mehrheitlich serbischen Gebieten gewann erneut die Partei Serbische Liste (SL). Sie ist eng mit der Regierungspartei Serbiens und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic verbunden und folgt dessen Anweisungen. Die SL war jüngst von Kosovo-Serben kritisiert worden. An den Urnen zeigte sich dies nur vereinzelt. Die SL sichert sich laut den vorläufigen Ergebnissen alle zehn der für serbische Abgeordnete reservierten Sitze im kosovarischen Parlament.
Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent. Knapp 800 000 Kosovarinnen und Kosovaren hatten ihre Stimme bis zum Sonntagabend abgegeben. 2021 hatte die Wahlbeteiligung bei 49 Prozent gelegen. Die Wahlen verliefen laut Beobachtern und der Polizei ohne grössere Zwischenfälle.
Schlechte Beziehungen zu den USA schadeten Kurti
Während der vergangenen vier Jahre punktete Kurti vor allem, indem er die Kontrolle der Regierung über die mehrheitlich serbischen Gebiete im Norden des Landes ausweitete. Er verbot den Gebrauch serbischer Nummernschilder und des serbischen Dinars, stationierte die kosovarische Spezialpolizei im Norden und schloss Postämter, Versicherungen und weitere Institutionen, die durch Belgrad finanziert wurden. In weiten Teilen der kosovarischen Bevölkerung kam dies gut an. Nicht jedoch im Ausland.
Die traditionellen Verbündeten und Schutzmächte Kosovos, die USA und die EU, kritisieren Kurti für sein Vorgehen scharf und belegten das Land mit Sanktionen. Trumps Gesandter für Sondermissionen, Richard Grenell, äusserte sich im Vorfeld der Wahlen durch und durch negativ über Kurti. Dessen Beziehungen mit dem Ausland und insbesondere den USA seien sowohl unter Biden als auch unter Trump I nie schlechter gewesen, schrieb Grenell auf X. Das ist eine Botschaft, die in Pristina ernst genommen wird.
Delusional.
Relations have never been lower. Albin Kurti has been condemned by the first Trump Administration, the Biden Administration, NATO, the EU, the U.S. Embassy, Anthony Blinken, etc. https://t.co/jiqMrrk18d
— Richard Grenell (@RichardGrenell) February 7, 2025
Viele Kosovarinnen und Kosovaren sind sich ihrer schwachen Position gegenüber dem grösseren und bevölkerungsreicheren Nachbarn Serbien bewusst. Sie fürchten sich vor einem Rückzug der Amerikaner aus ihrem Land. Den USA verdanken die Kosovaren letztlich ihren Staat. Erst mit dem Eingreifen der Nato unter amerikanischer Führung wurde der Kosovo-Krieg (1998–1999) beendet. Seither wacht eine Nato-Schutztruppe über den Frieden in Kosovo.
Eine junge Kosovarin sagt im Gespräch, dass die Äusserungen Grenells ausschlaggebend gewesen seien für sie, eine der Oppositionsparteien zu wählen. 2021 hatte sie die Vetevendosje gewählt.
Darüber hinaus wird Kurti für den immer noch schlechten Zustand des Bildungs- und Gesundheitswesens kritisiert. Noch immer ist die Abwanderung in Kosovo hoch. Dringend benötigte Reformen und Infrastrukturprojekte blieben aus.
Schwierige Koalitionsverhandlungen
Jetzt hat Kurti die absolute Mehrheit im Parlament verloren, mit der er die letzten vier Jahre bequem regieren konnte. Will er eine weitere Amtszeit, braucht er Koalitionspartner. Diese zu finden, dürfte schwierig werden. Kurtis stellvertretender Ministerpräsident Besnik Bislimi schloss wenige Tage vor der Wahl aus, dass Vetevendosje mit einer der Oppositionsparteien koalieren würde.
Die drei grossen Oppositionsparteien (PDK, LDK, AAK) kämen zusammen auf etwas mehr Sitze als Vetevendosje. Mit Vertretern der Minderheitsparteien, denen zwanzig Sitze im kosovarischen Parlament zustehen, könnten sie zumindest rechnerisch eine nächste Regierung bilden.
Die Vertreter der Minderheiten Kosovos könnten also das Zünglein an der Waage sein bei der Bildung der Regierung. Verschiedene Koalitionen aus Opposition, Minderheiten und der Regierungspartei sind derzeit denkbar.
Kurti, der vor den Wahlen sagte, er werde sich nicht an einer Regierung beteiligen, sollte er weniger als 50 Prozent der Stimmen erreichen, verkündete gestern Nacht: «Wir haben gewonnen, und wir werden die nächste Regierung bilden.» Die Frage bleibt nur: Mit wem?