2024 haben nachhaltige Anlagen schlechter abgeschnitten als konventionelle Investitionen. Der Zufluss in ESG-Produkte ist zum Rinnsal verkommen. Beides wirft Fragen zur Zukunft der Anlageklasse auf.
Investitionen, die mit Blick auf die Umwelt, die Gesellschaft und die gute Unternehmensführung ausgesucht werden – auf Englisch Environmental, Social and Governance, kurz: ESG – sind ins Hintertreffen geraten. Dies gleich auf mehreren Ebenen.
Besonders auffällig zeigt sich das an den Kursen im Bereich erneuerbarer Energien: Der S&P Global Clean Energy Index, der rund hundert Titel aus diesem Segment umfasst, hat 2024 fast ein Viertel eingebüsst. Besonders stark korrigiert haben Solaraktien, etwas robuster zeigte sich das Windsegment.
Der Wind hat gedreht, auch politisch. Bereits Ende 2023 haben republikanische Staatsanwälte in den USA Klagen gegen Vermögensverwalter eingereicht. Ihr prominentestes Ziel war BlackRock und der Vorwurf an den weltgrössten Vermögensverwalter lautete: Als Mitglied von Organisationen wie der Net Zero Asset Managers Initiative sowie von Climate Action 100+ würde er anstreben, Unternehmen dahingehend umformen zu wollen, dass sie den Ausstoss von Treibhausgasen reduzieren und sich Klimaziele setzen.
Solche Asset Manager würden ihre treuhänderische Pflicht gegenüber den Kunden verletzen, denn diese bestünde darin, die finanzielle Rendite zu maximieren. Demgegenüber stünde der Fokus, den Umwelteinfluss der Unternehmen zu minimieren, in direktem Kontrast, so die Argumentation.
Dabei hat sich ESG als Anlagemethode ursprünglich gerade dem Ziel verschrieben – und damit geworben –, negative Auswirkungen aus Umwelt und Gesellschaft auf die Performance von Finanzanlagen zu mindern. Das soll das Rendite-Risiko-Profil verbessern und langfristig eine überdurchschnittlich gute finanzielle Entwicklung des Anlagesegments ermöglichen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Performance spiegelt das tatsächlich.
Der MSCI ACWI SRI, was für Socially Responsible Investing steht, hat seit seiner Auflegung vor zehn Jahren bis Ende 2024 eine Rendite inklusive Dividenden von 172% erreicht. Der konventionelle Weltaktienmarktindex von MSCI, der All Country World Index, ACWI, der fast 2700 Titel umfasst, hat über dieselbe Zeitspanne 150% abgeworfen. Der Nachhaltigkeitsindex SRI hat damit eine Überrendite von mehr als 20 Prozentpunkten gezeigt.
Doch der Blick zurück zeigt ebenso: Der SRI hat in drei von zehn Jahren schlechter abgeschnitten als der konventionelle Index – in den letzten drei Jahren gar gleich zweimal, auch 2024.
Ebenso auffallend ist, dass der SRI im Jahresverlauf in Rückstand geraten war – just zur US-Präsidentenwahl aber aufgeholt hat. Als klar wurde, dass Donald Trump das Rennen gemacht hat, und zwar deutlich, verlor der Nachhaltigkeitsindex gegenüber seinem konventionellen Gegenüber abermals.
Trumps Einfluss zeigt sich mehrfach. Nicht nur darin, dass er Subventionen für erneuerbare Energien streichen sowie Öl und Gas wieder stärker fördern will. Sondern auch im Druck, der von ihm auf die Finanzindustrie ausgeht.
Quasi in vorauseilendem Gehorsam haben sich Asset Manager und Banken seit seiner Wahl reihenweise aus Nachhaltigkeitsorganisationen zurückgezogen.
BlackRock, die zuvor stark auf ESG gesetzt hatte – und deshalb wie erwähnt gar in den Fokus von Staatsanwälten geriet –, hat sich aus der Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM) verabschiedet, ebenso andere Vermögensverwalter.
Die NZAM hat sich seit dem UN-Klimagipfel in Glasgow 2021 auf die Fahne geschrieben, ESG-konformes Investieren zu fördern. Nun aber legt sie einen Marschhalt ein: Sie überprüft angesichts der Entwicklungen in den USA, sowie divergierender regulatorischer und kundenspezifischer Erwartungen in unterschiedlichen Jurisdiktionen ihre Zukunftsfähigkeit, teilte die Organisation Anfang Jahr mit. Bis dahin setzt sie ihre Aktivitäten aus.
Ähnlich sieht das Bild bei der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) aus. Hier sind alle namhaften US-Banken ausgetreten, als letzte die Grossbank JPMorgan – und auch UBS überprüft offenbar den weiteren Verbleib in diesem Zusammenschluss.
Vom Hype zum Aussenseiter
Diese Entwicklungen schlagen auf die Kapitalallokation durch.
Im Hoch von ESG waren gemäss Morningstar von 2020 bis Ende 2021 quartalsweise mehr als 150 Mrd. $ in ESG-Produkte geflossen. Seit 2022, dem ersten Jahr seit 2015, in dem die Performance von ESG-Produkten hinter der von konventionellen Anlagen zurückblieb, war es nur noch ein Bruchteil davon.
In den USA waren die Geldströme gar über das gesamte Jahr 2024 negativ, einzig in Europa fliesst noch Neugeld in ESG, allerdings nur noch ein Zehntel des früher global registrierten Zuflusses.
Das ist bemerkenswert, denn die eingangs dargestellte langfristige Gegenüberstellung von ACWI und SRI zeigt: Die Mehrperformance von 20 Prozentpunkten, die der Nachhaltigkeitsindex über zehn Jahre zeigt, stammt allein aus der Boomphase des Hochs beim Neugeldzufluss: Bis Ende 2021 hatte sich der Nachhaltigkeitsindex einen Vorsprung auf den konventionellen Index von 30 Prozentpunkten erarbeitet. Seither ist dieser Vorsprung um ein Drittel geschmolzen.
Doch was unterscheidet den SRI vom konventionellen Weltaktienmarktindex, und wie lässt sich die abweichende Performance erklären?
Der ACWI und sein Nachhaltigkeitspendant SRI
Der SRI orientiert sich an ESG-Kriterien, womit der Index bei der Titelselektion ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt sowie auf eine gute Unternehmensführung achtet.
Zwar gibt es ganz unterschiedliche nachhaltige Investitionsansätze. Doch für einen allgemeinen Vergleich zwischen traditionellen Anlagen und einem ESG-basierten Ansatz bietet sich die Gegenüberstellung des ACWI und seinem SRI-Pendant an: Sie sind von MSCI auf derselben Basis konstruiert und lassen sich sowohl punkto Performance als auch der ESG-Benotung direkt vergleichen.
Der MSCI ACWI umfasst zurzeit 2676 Unternehmen aus 23 entwickelten und 24 aufstrebenden Ländern. An diesem Universum orientiert sich auch der MSCI ACWI SRI, er beschränkt sich jedoch auf 25% der Marktkapitalisierung je Region, und zwar ausgewählt anhand der ESG-Ratings von MSCI sowie gewisser Ausschlusskriterien.
Das führt insgesamt zu einer im Schnitt deutlich höheren ESG-Bewertung der Unternehmen im MCSI ACWI SRI als in seiner konventionellen Basis. Gleichzeitig ist allerdings, trotz der mehr als 600 im SRI enthaltenen Einzeltitel, auch die Konzentration deutlich stärker, insbesondere in den grössten Positionen.
Beim MSCI ACWI war Apple per Jahresende mit einem Anteil von 4,9% die grösste Position. Insgesamt stehen die grössten zehn Positionen für knapp 24% des Indexes. Beim SRI bestimmt Nvidia als grösste Einzelposition hingegen allein fast 17% des Indexes und die Top Ten stehen für mehr als ein Drittel der Gesamtauswahl.
Technologie hoch gewichtet
Auffallend ist auch die Verschiebung der Sektoraufteilung. Obwohl das Schwergewicht Apple wegen eines ungenügenden ESG-Ratings von BBB nicht im SRI enthalten ist – es werden nur Unternehmen mit einem Score von mindestens A neu in den ESG-Index aufgenommen –, ist der Bereich Informationstechnologie (IT) mit 29% um 3 Prozentpunkte höher gewichtet als im Basisindex. Mit Tesla an zweiter Position ist auch der Sektor zyklischer Konsum um 4 Prozentpunkte höher gewichtet.
Deutliche Untergewichte von 4 und 2 Prozentpunkte bestehen in den Bereichen Kommunikation und Energie.
2022 beendete Energie als einziger Sektor im Plus, zu den schlechtesten Sektoren zählte damals IT. 2023 war es genau umgekehrt – und 2024 zeigte sich dieses Muster erneut, mit einem Unterschied: Der Bereich Kommunikation, in dem der SRI sein grösstes Untergewicht hat, war im vergangenen Jahr der zweitstärkste Sektor.
Das schlechte Abschneiden des Nachhaltigkeitsindexes SRI 2022 sowie die Überperformance 2023 sind massgeblich auf die gegenüber dem ACWI abweichende Sektorzusammensetzung zurückzuführen: das Übergewicht im Bereich Technologie und das Untergewicht im Bereich Energie.
2024 belastete hingegen zusätzlich das Untergewicht im gut gelaufenen Sektor Kommunikation, wodurch keine Performance in der Grössenordnung des ACWI möglich war.
Sektorgewichte prägen über die lange Frist
Auch in der langfristigen Betrachtung ist die Sektoraufteilung klar mit der Performance korreliert. Just als der SRI Mitte 2014 ins Leben gerufen wurde, begann die Schwäche der Energietitel – und die IT-Kolosse haben zum Höhenflug angesetzt.
Zudem war der zweitstärkste Sektor über diese Zeit zyklischer Konsum, in dem der SRI sein inzwischen grösstes Übergewicht hat. Das grösste Untergewicht, Kommunikation, wiederum zählte über diese Frist zu den Verlierern.
Mit Blick auf die Zukunft eröffnet das die Frage: Was bleibt von der langjährigen Überrendite von ESG-Anlagen, wenn sich die Sektorpräferenzen der Investoren verändern?
Seit Anfang 2025 manifestiert sich eine solche Verschiebung: Der im SRI hoch gewichtete Bereich IT lahmt und ist im bisherigen Jahresverlauf der schwächste Sektor; das Untergewicht Kommunikation boomt und zeigt sich als bislang stärkster Sektor.
Das führt zur nächsten Frage: Wie entwickeln sich die Zu- und Abflüsse in ESG-Anlagen, wenn die Performance nicht mehr überzeugt?
Der politische Druck in den USA führt dort bereits zu Abflüssen – und es dürfte für Vermögensverwalter umso schwieriger werden, sich gegen die Vorwürfe zu wehren, moralische Überlegungen höher zu gewichten als die Rendite, wenn letztere bei ESG-Anlagen tatsächlich wiederholt schlechter ausfallen sollte als bei konventionellen Anlagen: Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre war das in Summe zwar nicht der Fall, in den letzten drei Jahren im Schnitt allerdings schon.
Es hat sich gezeigt, dass die Performance von ESG-Anlagen genau dann obenaus schwang als der Zustrom in die Anlageklasse anschwoll – oder allenfalls umgekehrt. Nämlich als die massive Neuallokation von Kapital die Performance nachhaltiger Anlagen befeuert hatte.
Wenn künftig nun beide Kurstreiber schwächeln sollten, müsste auch die Frage gestellt werden, inwieweit ESG tatsächlich das Rendite-Risiko-Profil von Investitionen verbessert – oder schlicht der Glaube daran, Kapital angezogen und der Anlagestil dann vor allem dank einer günstigen Sektorallokation tatsächlich über Jahre besser abgeschnitten hat als der Gesamtmarkt.