Nachdem Trump den ukrainischen Präsidenten einen «Diktator» geschimpft hat, wagen sich eine Handvoll republikanische Falken im Kongress hervor. Aber ihr Widerstand ist verhalten.
Ähnlich wie der Ständerat in der Schweiz gilt der Senat auch in den USA als «chambre de réflexion». Amerikanische Politiker sprechen gerne vom «grossartigsten Beratungsorgan der Welt». Die 100 Mitglieder der kleinen Parlamentskammer müssen sich nur alle sechs Jahre einer Wiederwahl stellen. Dabei sollten sie nicht in erster Linie ihre Partei, sondern die Interessen aller Einwohner ihres Gliedstaats vertreten. Das gibt ihnen eine grössere Unabhängigkeit als den Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Diese werden nur für zwei Jahre gewählt, wobei rund 90 Prozent in Wahlkreisen zu Hause sind, in denen von vornherein klar ist, ob ein Republikaner oder ein Demokrat gewinnt.
Doch obwohl sie mehr politischen Spielraum besitzen, wagen die republikanischen Senatoren kaum noch, von Donald Trumps Linie abzuweichen. Dies zeigt sich nun im Fall der Ukraine besonders deutlich. Der amerikanische Präsident hat mit seinen Handlungen und Äusserungen in den vergangenen Tagen den russischen Diktator Wladimir Putin gestärkt und die amerikanische Allianz mit der Ukraine und den übrigen europäischen Staaten geschwächt. Dabei schimpfte er den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski einen «Diktator» und warf ihm vor, den Krieg vor drei Jahren begonnen zu haben. Selenski müsse diesen Krieg nun schnell beenden, wenn er sein Land nicht ganz verlieren wolle.
«Trump ist die grösste Hoffnung für die Ukraine»
Das ging einigen konservativen Senatoren zu weit. Aber ihre Kritik an Trump fiel dennoch gnädig aus. Ein gutes Beispiel ist der republikanische Falke Lindsey Graham. Er hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder für grössere Waffenlieferungen an Kiew eingesetzt. «Lasst uns diesen Mann bis an die Zähne bewaffnen», sagte er vergangene Woche bei einem Podiumsgespräch in München zu Selenski. Gleichzeitig versuchte Graham in Gesprächen mit Trump immer wieder für eine anhaltende Unterstützung der Ukraine zu werben. Nun schrieb er am Mittwoch auf X: «Wenn es um die Verantwortung der Ukraine geht, gebe ich vor allen anderen Putin die Schuld.» Dann fand er lobende Worte für seinen Präsidenten: «Trump ist die grösste Hoffnung für die Ukraine, um diesen Krieg auf ehrenhafte und gerechte Weise zu beenden.» Trump werde dieses Ziel auf seine Weise erreichen.
Tom Cotton, der Vorsitzende im Geheimdienstausschuss des Senats, wollte sich am Mittwoch gegenüber Journalisten gar nicht zu Trumps Tiraden gegen Selenski äussern: «Kein Kommentar.» Auch Cotton ist ein aussenpolitischer Falke. Im Mai 2022 warnte er vor den weltweiten Folgen, sollte der Westen in der Ukraine einknicken. Auch der chinesische Präsident Xi Jinping verfolge den Krieg genau: «Wenn der Westen nach ein paar Monaten aufgibt und die Ukraine zu einem Frieden drängt, während sich russische Truppen immer noch auf ihrem Staatsgebiet befinden, ist es viel wahrscheinlicher, dass er (Xi) in Taiwan aufs Ganze geht.»
Am Dienstag zeigte Cotton nun jedoch Verständnis für Trumps Annäherung an Russland. Dessen demokratischer Amtsvorgänger Joe Biden habe in der Ukraine einen Schlamassel angerichtet, weil er mit zu zögerlichen Waffenlieferungen einen schnellen ukrainischen Sieg verhindert habe, erklärte Cotton gegenüber CNN. Nun seien Verhandlungen mit der Ukraine und mit Russland «unvermeidbar».
Cotton relativierte die Tatsache, dass die Ukrainer und die Europäer bei den ersten amerikanisch-russischen Gesprächen am Dienstag in Saudiarabien nicht am Tisch sassen. Trump sei es darum gegangen, diplomatische Kanäle zu etablieren und die möglichen Konturen eines Waffenstillstandes abzustecken. In seinen Augen war es ein erster Schritt hin zu Verhandlungen, an denen später «natürlich» auch die Ukrainer teilhaben müssten.
Im Zweifel für den Präsidenten
Auch der republikanische Senator Thom Tillis widersprach: «Putin ist ein Mörder.» Die USA müssten ihn aufhalten, damit er nicht in ganz Europa weiterwuchere. Er sei bereit, Trump vorerst Spielraum zu gewähren. «Aber am Ende muss Putin der Verlierer und das ukrainische Volk der Gewinner sein.» Senator Roger Wicker, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, äusserte seinen Unmut bereits vor Trumps offenem Streit mit Selenski. Er nannte Putin einen «Kriegsverbrecher» und kritisierte den Auftritt von Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth vergangene Woche in Brüssel als «Anfängerfehler». Hegseth hatte unter anderem einen Nato-Beitritt der Ukraine ausgeschlossen und die Rückeroberung der besetzten Gebiete als «Illusion» bezeichnet.
Die Ukraine hat im amerikanischen Senat also durchaus noch Freunde. Die Frage ist allerdings, ob sie für diese Freundschaft auch bereit sind, eine echte Konfrontation mit Trump zu wagen. Die republikanischen Senatoren haben in den vergangenen Wochen fast geschlossen die Nomination umstrittener Regierungskandidaten wie Hegseth oder wie die neue Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard bestätigt. Beide hatten sich in der Vergangenheit skeptisch über die Ukraine geäussert. Doch Wicker bezeichnete Hegseth in der Anhörung im Senat als «exzellente Wahl». Tillis wollte eigentlich bis zuletzt gegen Hegseth stimmen, knickte aber in letzter Minute ein. Trump soll ihm bei seiner nächsten Wiederwahl 2026 mit einem Gegenkandidaten und dem Ende seiner politischen Karriere gedroht haben. Für den Präsidenten zeigte dies: Die konservativen Senatoren halten mit ganz wenigen Ausnahmen auch dann zu ihm, wenn sie Bedenken an seinen Entscheidungen haben. Im Zweifel für Trump.