Die Sängerin hat mehr als 279 Millionen Follower auf Instagram. Seit Jahren unterhält Taylor Swift diese mit politischen Botschaften.
«Im Moment, in dem du die Nachrichten hörst, schreist du innerlich», singt Taylor Swift in «Only The Young». Der Song ist 2020 erschienen, geschrieben hat ihn die amerikanische Künstlerin als Antwort auf die Zwischenwahlen in den USA von 2018. Diese Wahlen hätten sie politisiert, erklärte Swift in einem Interview mit dem amerikanischen Magazin «Variety».
An der Wahl nahm die republikanische Politikerin Marsha Blackburn teil, die Senatorin von Tennessee werden wollte. Im republikanisch geprägten Gliedstaat lebt auch Taylor Swift. Die Musikerin fand es unerträglich, dass eine wie Blackburn das Rennen machen könnte. Eine Frau, die sich in ihren Augen weder für Frauenrechte einsetze noch die Rechte von queeren Menschen verteidige.
Swift äusserte sich daher zum ersten Mal politisch auf ihrem Instagram-Account und forderte ihre damals 112 Millionen Follower auf, die Demokraten zu wählen und so Blackburns Einzug in den Kongress zu verhindern. Den Sitz im amerikanischen Kongress gewann Blackburn trotzdem.
Die Schlappe und die Ohnmacht darüber verarbeitet Swift in «Only The Young». Das Lied ist eine Hymne an die politische Veränderungskraft einer Jugend, die von einer Welt im Aufbruch träumt: hin zu mehr Gleichheit, Harmonie und Gerechtigkeit.
Wie wichtig Swift die Rechte von Frauen und queeren Menschen sind, zeigte sie schon ein Jahr zuvor mit dem Lied «You Need to Calm Down». Das Lied von 2019 gilt als ihr erster politischer Song.
Im dazugehörigen Video kommt es zu einer Tortenschlacht, Swift ist mitten im Getümmel. Das lässt sich als Analogie verstehen, dass sie sich nun einmischt in die amerikanische Politik. Bunte Torten fliegen durch die Luft, ein dicker Mann schüttet sich Wasser auf seine Wampe, und Taylor Swift umarmt im Pommes-Kostüm eine als Burger verkleidete Frau. Auch hier steckt eine Botschaft dahinter: Alle dürfen so sein, wie sie sind. Dick, dünn, schräg und vor allem: anders als der Mainstream.
Dem Getümmel gegenüber steht eine aufgebrachte Menge. Diese streckt Plakate mit durchgestrichenen Regenbögen in den Himmel. Man muss nicht lange überlegen, wen sie verkörpert: Leute wie Marsha Blackburn. «You’re being too loud», singt Swift in die Richtung der Menge. Ihr seid zu laut. Am Ende des Videos erscheint eine Texttafel: Swift bittet darauf, ihre Petition für die Rechte von queeren Menschen in den USA zu unterstützen.
Das war der Anfang. Seitdem positioniert sich Swift regelmässig politisch. Im Sommer 2022 sprach sie sich etwa öffentlich für ein landesweites Recht auf Abtreibung aus, das der Supreme Court kurz zuvor gekippt hatte. Die Richter realisierten damit ein langjähriges Anliegen der Republikanischen Partei.
Swifts Fans lieben sie inzwischen nicht nur für ihren Country-Pop, sondern auch für ihr politisches Engagement. Und Politikexperten fragen sich: Welchen Einfluss hat diese Frau auf die anstehende Präsidentschaftswahl im Herbst?
Denn Swift sprengt alle Rekorde: Sie ist 34 Jahre jung und eine der erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten. Die amerikanische Zeitschrift «Time» wählte sie zur Person des Jahres 2023. Mit über 26 Milliarden Streams war sie auf der Musik-Plattform Spotify die beliebteste Künstlerin im vergangenen Jahr. Ihre Tournee 2023 wurde zur erfolgreichsten Konzertreise in der Musikgeschichte.
Taylor Swifts Fans sind jung und progressiv
Auf Instagram folgen ihr mehr als 279 Millionen Personen. Swifts Fangemeinde ist damit fast so gross wie die Bevölkerung der USA mit 332 Millionen Einwohnern. Laut der Umfrage eines amerikanischen Beratungsunternehmens bezeichnet sich jeder zweite erwachsene Amerikaner als Swift-Fan, 16 Prozent beschreiben sich sogar als Ultra-Fan.
Swift bewegt sich damit in einer Sphäre der Bekanntheit, die nur wenige Stars erreichen. Justin Bieber etwa hat 292 Millionen Fans auf Instagram, Beyoncé kommt auf 319 Millionen Follower. Lady Gaga hat bloss 56 Millionen Instagram-Fans, Britney Spears 43 Millionen und Madonna nur 19 Millionen Follower.
Die sogenannten «Swifties» vergöttern ihr Idol. Musik-Experten sind sich einig, dass es keine intensivere Fankultur gibt, als ein Swiftie zu sein. Swifties tun, was Swift sagt. Und Swifties sind jung. Viele von ihnen sind minderjährig, auch unter den wahlberechtigten Fans gehören die meisten zur Generation Z und zu den Millennials. Der typische Swiftie ist jünger als 35 Jahre.
Genau hier liegt das politische Potenzial von Taylor Swift. Denn die junge Generation in Amerika ist an Politik weniger interessiert als die älteren Generationen. Bei der vergangenen Präsidentenwahl ging nur jeder Zweite unter 30 an die Urne, in der Gesamtbevölkerung waren es zwei von drei. Dass Swifts Einfluss auf die jungen Menschen gross ist, zeigte sich im September 2023.
Jedes Jahr im September findet in den USA der nationale Tag zur Wählerregistrierung statt. Die Künstlerin rief ihre amerikanischen Follower dazu auf, sich im Wählerverzeichnis registrieren zu lassen, und verwies auf die für diesen Anlass erstellte Website vote.org. Die Wählerregistrierung ist in Amerika Voraussetzung, damit man überhaupt an den Wahlen teilnehmen kann.
Die Website vote.org verzeichnete daraufhin fast ein Viertel mehr Registrierungen als im Jahr zuvor, was 35 000 zusätzlichen Anmeldungen entspricht. Die Website-Betreiber betonen, dass sie das Swift zu verdanken hätten. In der Stunde nach der Veröffentlichung des Posts zählte die Website über 1200 Prozent mehr Besucher als zuvor. Schon 2018, als Swift gegen die republikanische Senatskandidatin Marsha Blackburn agitierte, rief sie auf Instagram ihre Fans dazu auf, sich zum Wählen anzumelden. Auch damals folgten Tausende dem Aufruf.
Statistisch gesehen, profitieren die Demokraten von Swift
Gerade in den «Swing States», in denen keine Partei eine sichere Mehrheit hat, könnten die von Swift mobilisierten jungen Leute im kommenden Herbst den Unterschied machen und den Demokraten zum Sieg verhelfen.
Bei der Wahl für das Repräsentantenhaus im Jahr 2022 votierten 63 Prozent der unter 30-Jährigen für die Demokraten, nur 35 Prozent entschieden sich für die Republikaner, wie eine Studie der Tufts University festhält. 38 Prozent aller Amerikaner sind unter 30 Jahren, 13 Prozent sind in ihren Zwanzigern. Die jungen Leute haben also einen erheblichen Einfluss auf die Wahl – wenn sie denn wählen.
Bei den demokratischen Politikern ist längst angekommen, dass der Star die jungen Leute deutlich besser erreicht als sie selbst. Und so versuchen viele, von Swifts Beliebtheit zu profitieren. Als Swift auf ihrer Tournee im Sommer in Pittsburgh haltmachte, benannte der Bürgermeister die Stadt für einige Tage in «Swiftsburgh» um. Die Bürgermeisterin von Santa Clara machte ihre Stadt in einer Videoansprache auf Social Media zu «Swiftie Clara».
Vertreter aus dem rechten Lager versuchen hingegen, den Pop-Star zu diskreditieren. Der Fox-News-Moderator Jesse Watters unterstellte der Sängerin, sie handle im Auftrag der Demokraten, um die Amerikaner psychologisch zu manipulieren. Der rechtsextreme Radio-Moderator Stew Peters sagte, Swift nutze während ihrer Konzerte Hexenkräfte.
Auch Donald Trump weiss um den Einfluss der Pop-Sängerin. Schon als sich Swift 2018 gegen die republikanische Senatskandidatin ihres Gliedstaates stellte, sagte Trump, er möge Swifts Musik jetzt «25 Prozent» weniger. Seitdem ist die Sängerin noch einflussreicher geworden. Werden die Swifties Donald Trump verhindern können? Möglich ist es. Wenn es dazu kommt, wird Trump Swifts Musik noch weniger mögen.