Sofort nach dem Amtsantritt hat der amerikanische Präsident eine Kaskade von Massnahmen umgesetzt, um die irreguläre Immigration radikal zu bremsen. Es ist ihm gelungen – und er hat die Bevölkerung hinter sich.
Es ist ruhig geworden an der südlichen Grenze der USA. Schon vor Trumps Amtsantritt, aber besonders seither ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte in die USA rapid zurückgegangen. Im Februar wurden 8450 Migranten gezählt, die versuchten, ohne gültige Dokumente von Mexiko aus in die USA einzureisen. Das waren 70 Prozent weniger als im Vormonat. Unter der Biden-Regierung wurden zeitweise 8000 illegal Eingereiste pro Tag von Grenzschützern aufgegriffen.
Die jüngsten Zahlen der Einwanderungs- und Zollbehörde (CBP) sind zwar noch nicht offiziell, wurden jedoch bereits auf CBS-News und vom Grenzschutzbeauftragten Tom Homan auf X publiziert. Schon im Januar machte sich die Tendenz bemerkbar: «Nennen wir es den Trump-Effekt», hiess es im Communiqué des Weissen Hauses. Laut CBS-News dürften die definitiven Zahlen nicht allzu sehr von den vorzeitig veröffentlichten abweichen.
So wenige illegale Ankömmlinge gab es zuletzt 1968
Die Statistik ist auf jeden Fall aufsehenerregend. Seit Beginn der Zählung im Jahr 2000 gab es noch nie so wenige illegale Grenzübertritte wie in den letzten Wochen. Laut historischen Statistiken, die weiter zurückreichen, war die Zahl zum letzten Mal im Jahr 1968 so tief.
Allerdings muss man festhalten, dass die illegalen Grenzübertritte bereits 2024 – also noch vor Trumps Amtsantritt – deutlich abnahmen. Zuvor hatte Biden per Notverordnung die Grenzkontrollen und die Asylregeln verschärft, nachdem die Zahl der illegalen Einwanderer Ende 2023 einen Rekordwert erreicht hatte.
Verschiedene abschreckende Massnahmen der Trump-Regierung sind verantwortlich für den aktuellen Rückgang. Sie hat die Hürden für Asylanträge erhöht und kontrolliert die Grenze strikter. Papierlose Migranten werden intensiver verfolgt und ausgeschafft. Die Botschaft ist deutlich: Die USA sind alles andere als ein Eldorado für Migrationswillige.
Höhere Hürden für Asylanträge
Laut Gesetz hätte zwar jeder Migrant das Recht, Asyl zu beantragen und damit die Rückschaffung zumindest aufzuschieben. Inzwischen schicken Grenzbeamte illegal Eingereiste jedoch unverzüglich und ohne Verfahren zurück. Die App, mit der Immigranten noch vom Ausland aus Asyl beantragen konnten, wurde abgestellt.
Die faktische Aussetzung des Asylrechts wurde möglich durch die Ausrufung des Notstands. Die Begründung: Das Asyl-System werde von Schmugglern und Wirtschaftsflüchtlingen systematisch missbraucht, und man sehe sich einer Invasion gegenüber. Das ermöglichte es unter anderem, die Südgrenze mit Tausenden von Soldaten zu verstärken.
In diesen Zusammenhang gehört auch die geplante Reaktivierung des Title 42-Gesetzes, das während der Covid-19-Pandemie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit eingeführt wurde und die Immigration deutlich drosselte. Damit könnten Migranten pauschal mit der Begründung abgewiesen werden, es bestehe die Gefahr, dass sie ansteckende Krankheiten wie etwa Tuberkulose verbreiteten.
Striktere Kontrolle der Grenze und Abschreckung
Eine wichtige Rolle spielt Mexiko. Das Land fungiert als Puffer zwischen den USA und Zentralamerika und ist gewissermassen der Wartesaal für Migranten, die in den Norden gelangen wollen. Rund eine Million Migranten wurden im letzten Jahr vor der amerikanischen Grenze abgefangen; im Januar verlegte Präsidentin Sheinbaum zudem 10 000 Nationalgardisten ins Grenzgebiet, nachdem Trump dem Nachbarland Strafzölle angedroht hatte. In diesen Zusammenhang gehört auch Trumps «Remain in Mexico»-Politik aus seiner ersten Amtszeit, die er nun reaktivierte. Sie verpflichtet Migranten, in Mexiko zu bleiben, solange ihr Asylantrag geprüft wird.
Ein Wink war auch die Deklarierung von acht Gangs und Drogenkartellen, die zum Teil als Schlepper und Menschenschmuggler tätig sind, als Terrororganisationen. Das gibt den Sicherheitskräften mehr Möglichkeiten bei der Verfolgung von mutmasslichen Mitgliedern in den USA.
Eine millionenschwere Anzeigenkampagne richtet sich direkt an Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ihr Glück in den USA zu suchen. Sie wurde vom Ministerium für Inlandsicherheit (DHS) unter der Leitung von Kristi Noem lanciert. Ihre Kernbotschaft an Migranten ohne Einreisepapiere lautet: «Kommt nicht in unser Land. Ihr werdet nicht hereingelassen. Und wenn ihr es schafft, werden wir euch jagen und ausschaffen.»
Mit der geplanten Abschaffung der automatischen Staatsbürgerschaft für in den USA geborenen Kinder soll eine wichtiger Anreiz für die Einwanderung beseitigt werden.
Massenausschaffungen
Der Druck wird aber nicht nur auf Migrationswillige erhöht, sondern auch auf diejenigen, die sich bereits ohne Papiere in den USA aufhalten. Insbesondere in demokratisch regierten Metropolen führt die Einwanderungspolizei ICE Razzien durch, die zu grosser Verunsicherung unter den Migranten führen. Zwar behauptet die Regierung an, es würden lediglich Kriminelle verhaftet, suggerierte aber zugleich, jeder Papierlose sei kriminell. Damit ist die Regierung auf Konfliktkurs mit Grossstädten wie New York und Chicago. Diese gelten als «sanctuary cities», wo auch Ausländer ohne gültige Papiere grösstenteils unbehelligt leben und arbeiten können.
Laut dem Ministerium für Inlandsicherheit wurden zwischen dem 21. Januar und dem 18. Februar insgesamt 42 048 Papierlose ausgeschafft. Zum Vergleich: Unter Biden waren es im Fiskaljahr 2024 271 484, also etwa 22 000 pro Monat. Die Rückschaffungen gehen nicht im gewünschten Tempo vor sich. Das hat auch mit mangelnden Unterbringungsplätzen zu tun, die nötig sind, wenn Festgenommene nicht sofort zurückgeschafft werden können, da sie ihre Herkunft verschweigen oder ihr Heimatland die Aufnahme verweigert.
Zwar hat Trump mit einer Durchführungsverordnung die «Catch and release»-Politik seines Vorgängers Biden beendet. Das heisst, festgenommene Migranten werden nicht mehr einfach nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Doch auch hier stellt die mangelnde Infrastruktur Problem dar.
Um schnelle Rückführungen zu ermöglichen, schloss Washington mit mehreren Ländern in der Region Abkommen ab. Aufgegriffene Migranten ohne gültigen Papiere werden nun vermehrt – mit Militärflugzeugen – in ihr Herkunftsland oder in eine Art Durchgangslager auf Guantánamo geflogen.
Die Ausschaffungen sorgen für heftige Kontroversen im Land und werden juristisch angefochten, vor allem auch die Unterbringung auf der Militärbasis in Guantánamo. Dort wurden kurzzeitig 178 Venezolaner festgehalten, die man dann jedoch über Honduras in ihre Heimat repatriierte. Die Internierung sorgte insbesondere in südamerikanischen Medien zum Teil für Empörung. Denn noch immer ist Guantánamo ein symbolträchtiger Ort, der für Schaudern sorgt. Wie es dort weitergehen soll, ist unklar.
Breite Zustimmung
Der Guantánamo-Schockeffekt ist beabsichtigt. Spektakuläre Razzien in Grossstädten oder Abschiebungen nach Guantánamo sind, auch wenn quantitativ kaum bedeutend, publikumswirksam. Denn ebenso wichtig wie die tatsächlichen Zahlen sind Inszenierung und harte Rhetorik, die sich nicht nur an die Papierlosen, sondern vor allem an jene wendet, die mit dem Gedanken spielen, den Sprung in die USA zu wagen. Sie sollen entmutigt werden.
Präsident Trumps Abschreckungsstrategie scheint aufzugehen, was für ihn auch einen persönlichen Triumph darstellt. Biden, die Demokraten und die Medien hätten immer behauptet, es brauche neue Gesetze, um die Grenze zu sichern, sagte er bei seiner Rede vor dem Kongress. «Es stellte sich heraus, dass wir lediglich einen neuen Präsidenten brauchten.» Viele der Massnahmen sind allerdings rechtlich fragwürdig und werden möglicherweise von Gerichten blockiert.
Aber die meisten geniessen breite Unterstützung. Laut einer Erhebung der «New York Times» vom Januar unterstützen 88 Prozent der Befragten die Ausschaffung krimineller Einwanderer ohne gültige Aufenthaltsbewilligung sehr oder teilweise. 64 Prozent befürworten die Ausschaffung all derjenigen, die in den letzten vier Jahren illegal in die USA gekommen sind. 56 Prozent treten für die Ausschaffung aller Ausländer ein, die sich illegal im Land aufhalten, egal, wie lange sie schon hier leben.
Die USA haben für papierlose Auswanderer die Strahlkraft von einst verloren. Das Land wirkt heute eher wie ein umgekehrter Magnet, der allfällige Migranten nicht mehr anzieht, sondern von sich fernhält.