Die Münchner gewinnen auch das Rückspiel gegen Leverkusen. Sie agieren beim 2:0 nahezu fehlerfrei.
Ein Wunder: Nicht mehr, aber auch nicht weniger benötigte Bayer Leverkusen nach dem 0:3 in München, um den Viertelfinal der Champions League einzuziehen. Eine Erzählung, die unablässig auch deshalb wiederholt wurde, weil Leverkusen einen Mann auf der Trainerbank hat, der selbst in einem dieser seltenen Augenblicke auf höchstem Niveau auf dem Fussballfeld gestanden hat, der die Zuschauer sprachlos zurückliess: 2005 besiegte der FC Liverpool die AC Milan im legendären Champions-League-Final von Istanbul. In der regulären Spielzeit hatten die Engländer innerhalb von nur sechs Minuten einen 0:3-Rückstand egalisiert.
Lange galt Xabi Alonso als unfehlbar
Xabi Alonso traf damals per Strafstoss, allerdings im Nachschuss, nachdem der Torhüter Dida den Versuch zunächst abgewehrt hatte. Wer hätte besser geeignet sein können, einer Mannschaft den Glauben einzuimpfen, Ausserordentliches bewegen zu können?
Dass es nicht genügte, dass die Bayern nach ihrer glänzenden Vorstellung erneut dominierten und mit 2:0 durch ein Tor von Harry Kane und Alphonso Davies siegten, ist für sich genommen keine Überraschung. Aber es sagt eben doch etwas aus über die Situation des Trainers Xabi Alonso, der lange Zeit nicht nur unantastbar war, sondern im Generalverdacht stand, partout alles richtig zu machen. Gäbe es so das Unfehlbarkeitsdogma für Trainer, Xabi Alonso wäre ein ernsthafter Kandidat gewesen.
Er hatte ja auch Ausserordentliches geleistet. Er führte Leverkusen zur ersten Meisterschaft der Klubgeschichte, und zwar, ohne ein einziges Spiel zu verlieren. Dazu wurde er Cupsieger. Eine Mannschaft voller Agilität und Aggressivität, perfekt ausbalanciert. Sie wirkte unüberwindlich. Er gibt Spielern, die sich unter seiner Regie in die Weltklasse spielten wie Florian Wirtz, und es gibt den Strategen Granit Xhaka, der Direktiven seines Chefs 1:1 umsetzt.
Es waren nicht nur äusserst ausgeklügelte Ideen, die Alonso seiner Mannschaft mitgab. Zu beeindrucken war die Équipe partout nicht. Rückstände schienen das Team nicht zu interessieren, das Modewort der Resilienz schien wie geschaffen für Leverkusen. Fünf mal in Folge verlor Leverkusen unter dem Basken gegen den grossen FC Bayern kein Spiel. Diese Konstanz liess Leverkusen keineswegs als Aussenseiter in den Achtelfinal gehen.
Alonso wirkte perplex
Nach dem Spiel wirkte Alonso ein wenig perplex. Zeichen einer Erosion? Sie sind kaum zu übersehen. Dabei ist es nicht einmal das Ausscheiden gegen den grossen Konkurrenten, sondern vielmehr die Art und Weise, wie Leverkusen sich in der Liga zuletzt präsentierte. Eine Niederlage vor eigenem Publikum gegen Werder Bremen (0:2) vergangenes Wochenende muss Alonso angesichts der Dominanz, die seine Mannschaft durchaus entwickeln kann, als beschämend empfunden haben. Oder aber erkennen, dass der Verschleiss Folgen zeitigt.
Nun können Kritiker einwenden, dass das Denkmal, das ihm zumindest medial errichtet wurde, eine Nummer zu gross war, dass die Urteile, die über ihn als grossen Trainer gesprochen wurden, zu früh kamen. Ein solcher Einwand ist nicht falsch. Aber die Leistung ist und bleibt einmalig. Zumal der Trainer selber der letzte sein dürfte, der sich nicht im Klaren darüber war, welche Schwierigkeiten in dieser Saison nach dem Triumph auftreten könnten. Dass er in Leverkusen blieb und sich von deutlich renommierteren Klubs nicht unter Vertrag nehmen liess, war ein kluger Zug.
Alonso weiss allerdings auch, wie es ist, wenn ein Team seinen Zenit überschritten hat. Niemals hat er, der Veteran, es schmerzlicher erfahren als bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Dort schied der Titelverteidiger und Europameister in der Vorrunde aus – die Niederländer demontierten den nicht mehr taufrischen Champion gleich zum Auftakt mit einem 5:1.
Wer auf die Karriereplanung des Basken schaut, der erkennt schnell: Jeder Schritt wurde sorgsam getan. Daher war es auch alles andere als eine Sensation, dass er in Leverkusen blieb. Denn Alonso weiss nur zu gut: Ein solches Abschneiden in der Champions League würde ihm als Trainer von Real Madrid nicht ohne weiteres verziehen werden. In Leverkusen überwiegt noch die Dankbarkeit dafür, dass der Trainer sich dem Projekt mit demselben Engagement verschreibt.
Alonso ist erfahren genug, um zu unterscheiden, ob es bloss das Versagen im Augenblick war, das zum Scheitern führte, oder ob sich eine Entwicklung abzeichnet. Fest steht jedenfalls: Ein Gegner, der noch vor wenigen Wochen in der Bundesliga dominiert wurde, wirkt nun geradezu übermächtig.
Bayern-Trainer Kompany spricht von harter Konkurrenz
Ein solcher Eindruck entsteht nicht spontan. Nach dem Match wurde Alonso gefragt, was denn noch fehlt, um die Mannschaft auch international auf Spitzenniveau zu hieven, so wie es der FC Bayern repräsentiert. Alonso antwortete, Bayern sei eben Bayern, Leverkusen sei Leverkusen.
Das klang fast ein wenig zu demütig – und stand im Widerspruch zum Eindruck, den der Münchner Kollege Vincent Kompany hatte: «Wir haben die letzten Jahre keine Ruhe gehabt. Mein Gefühl sagt mir, dass das Duell nicht vorbei ist.» Eine Voraussetzung allerdings wäre, dass sich Alonso weiterhin dem Projekt Leverkusen verschreibt.
Ergebnisse: FC Barcelona – Benfica Lissabon 3:1 (Hinspiel: 1:0). Bayer Leverkusen – Bayern München 0:2 (Hinspiel: 0:3). Inter Mailand – Feyenoord Rotterdam 2:1 (Hinspiel: 2:0). Liverpool – Paris Saint-Germain 0:1 (0:1, 0:1) nach Verlängerung; 1:4 i.P. 1:0