Die höchsten Sicherheitsberater der amerikanischen Regierung haben Angriffspläne gegen Stellungen in Jemen in einer privaten App diskutiert. Der Chefredaktor des Magazins «Atlantic» hat mitgelesen und den Informationsaustausch nun publiziert.
Das amerikanische Magazin «The Atlantic» hat am Mittwoch fast den gesamten Chat-Verlauf über die Angriffspläne der USA gegen die Huthi-Miliz in Jemen veröffentlicht. Der Chefredaktor des amerikanischen Magazins, Jeffrey Goldberg, war vor zwei Wochen aus Versehen in den Gruppen-Chat auf der privaten Nachrichten-App Signal eingeladen worden, in dem der engste Kreis der amerikanischen Regierung die Pläne diskutierte. Nachdem «The Atlantic» das Leck am Montag publik gemacht hatte, wiegelte die Regierung ab und behauptete, es seien keine als geheim eingestuften Informationen ausgetauscht worden. Präsident Donald Trump selbst sprach von einem «Ausrutscher».
Detaillierte Angaben über Flugzeugtypen, Waffen und Zeiten
Der nun publizierte Verlauf, mitsamt Screenshots, spricht jedoch eine andere Sprache. In den Nachrichten, die vermutlich von Verteidigungsminister Pete Hegseth stammen, sind zahlreiche brisante Details enthalten, etwa über die eingesetzten Flugzeug-, Drohnen- und Raketentypen, die Abflugzeiten und die anvisierten Ziele. Unter der Überschrift «Team Update» informierte er die Gruppe am 15. März um 11 Uhr 44 beispielsweise darüber, dass sich das Zeitfenster für den ersten Schlag um 13 Uhr 45, also zwei Stunden später, öffne, das Ziel wohl ein Huthi-Terrorist an seinem bekannten Standort sei und Drohnen starten würden. Um 14 Uhr 10 würden weitere Kampfjets starten, und fünf Minuten später würden Drohnen das Ziel angreifen. «Dann werden die ersten Bomben definitiv fallen.»
Wären diese Informationen so kurz vor dem Einsatz in feindliche Hände gefallen, hätten sie die ganze Operation und auch das Leben der Piloten gefährdet.
Weitere Mitglieder der Gruppe waren vermutlich die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, der CIA-Direktor John Ratcliffe, Vizepräsident J. D. Vance, Aussenminister Marco Rubio sowie Mike Waltz, Trumps Berater für nationale Sicherheit. Waltz behauptete in einem Interview am Dienstagabend, Goldberg habe sich möglicherweise mutwillig Zutritt zur Chat-Gruppe verschafft. Trump selbst spielte auf die Unterstellung an und kommentierte, Goldberg sei sowieso ein Widerling. Auf den nun veröffentlichten Screenshots ist jedoch deutlich zu sehen, dass Waltz den Journalisten zu den Gruppenteilnehmern hinzufügte.
Publikation trotz Einspruch des Weissen Hauses
Goldberg schreibt zur Veröffentlichung des Chat-Verlaufs: «Die Aussagen von Hegseth, Gabbard, Ratcliffe und Trump – zusammen mit den Behauptungen zahlreicher Regierungsbeamter, wir würden über den Inhalt der Signal-Texte lügen – haben uns überzeugt, dass die Menschen die Texte lesen sollten, um ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.» Es bestehe ein klares öffentliches Interesse an der Offenlegung der Informationen, die Trumps Berater über unsichere Kommunikationskanäle übermittelt hätten, insbesondere weil hochrangige Regierungsvertreter versuchen würden, die Bedeutung der übermittelten Nachrichten herunterzuspielen.
Das Magazin hatte die Regierung laut dem Artikel vor der Publikation um eine Stellungnahme gebeten und E-Mails an verschiedene Sicherheitsbehörden geschickt. Viele hätten gar nicht geantwortet, doch das Weisse Haus habe ablehnend reagiert. «Wie wir wiederholt erklärt haben, wurden in dem Gruppen-Chat keine geheimen Informationen übermittelt», schrieb die Pressesprecherin Karoline Leavitt. «Wie jedoch der CIA-Direktor und der Berater für nationale Sicherheit zum Ausdruck gebracht haben, heisst das nicht, dass wir die Veröffentlichung des Gesprächs befürworten.» Trotz dem Einspruch entschied sich das Magazin zur Publikation. Lediglich der Name eines CIA-Mitarbeiters wurde auf Wunsch des Geheimdienstes anonymisiert.
Anhörungen vor dem Geheimdienstausschuss des Senats
Am Dienstag konfrontierte die demokratische Opposition die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard und den CIA-Direktor John Ratcliffe bei einer Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des Senats mit harten Fragen, auf die die beiden mehrheitlich ausweichend und verharmlosend antworteten. So sagte Gabbard wiederholt, sie könne sich nicht erinnern, ob im Chat die Rede von spezifischen Waffen oder Waffensystemen gewesen sei. Ratcliffe sagte, der Verteidigungsminister könne selbst entscheiden, ob Informationen geheim seien oder nicht. Hegseth selbst sagte nicht, ob er den Chat-Verlauf offiziell freigab und ob die Informationen im Moment des Versands schon freigegeben waren. Auf jeden Fall habe es sich um keine Kriegspläne gehandelt, sagte er.
Dies waren auch zentrale Streitpunkte bei einer neuerlichen Anhörung am Mittwoch, bei der Ratcliffe abermals versicherte, es seien keine geheimen Informationen auf Signal kommuniziert worden. Es stimmt zwar, dass die Ziele im Chat nicht lokalisiert wurden, sehr wohl hingegen wurde das genaue Timing der Angriffe beschrieben, was laut Experten schon heikel genug ist. Einige demokratische Senatoren fordern den Rücktritt von Hegseth und Waltz.
Klage gegen Hegseth und Rubio eingereicht
Ebenfalls am Mittwoch schrieb Karoline Leavitt zum neuen «Atlantic»-Artikel auf dem Onlinedienst X: «Diese ganze Geschichte war eine weitere Falschmeldung, die von einem Trump-Hasser verfasst wurde, der für seine reisserischen Äusserungen bekannt ist.»
Die Organisation American Oversight hat inzwischen eine Klage eingereicht – unter anderen gegen Verteidigungsminister Pete Hegseth und Aussenminister Marco Rubio. In der Klage heisst es, die Verantwortlichen hätten gegen das Bundesarchivgesetz verstossen.
Denn beim Chat auf Signal war eine Löschfunktion aktiviert, die den ganzen Verlauf nach vier Wochen automatisch verschwinden lässt. Es besteht aber eine Pflicht, solche Dokumente von Regierungsmitgliedern innerhalb von zwanzig Tagen zu sichern. Das bedeutet allerdings auch, dass die Verantwortlichen immer noch Zeit hätten, den Chat zu speichern.