Die enormen Einfuhrabgaben, die Amerika errichtet hat, gefährden beide Kernaufträge der amerikanischen Zentralbank. Die optimistischen Finanzmärkte sind dem Fed-Chef Jerome Powell auch keine grosse Hilfe.
Jerome Powell, der amerikanische Notenbankchef, steht vor einem anstrengenden letzten Amtsjahr. Eben erst hatten er und seine Kollegen beim Fed es geschafft, die Inflation in Amerika wieder halbwegs in den Griff zu bekommen, ohne dass die Wirtschaft kollabierte. Die Währungshüter brauchten viel Geduld und Fingerspitzengefühl, um die richtigen Bausteine ihrer Zinspolitik im richtigen Moment einzusetzen.
Powells Dilemma
Doch nun droht Donald Trump Powells wackligen Jenga-Turm mit seiner Zollpolitik vom Tisch zu fegen und die Zentralbank in eine sehr unangenehme Lage zu bringen. Das Fed hat den gesetzlichen Auftrag, sowohl für stabile Preise als auch für Vollbeschäftigung zu sorgen. Das ist schon in normalen Zeiten knifflig, weil sich die Ziele oft widersprechen. Trumps enorme Zölle gefährden nun beide Ziele gleichzeitig: Die Einfuhrabgaben werden sowohl für höhere Inflation sorgen als auch das Wirtschaftswachstum in Amerika abschwächen, was wiederum zu höherer Arbeitslosigkeit führt.
Gibt Trump im Handelsstreit nicht nach, müssen sich die Währungshüter bald entscheiden, welches dieser beiden Ziele ihnen wichtiger ist: Senken sie die Zinsen, um dem Arbeitsmarkt zu helfen, könnte die Inflation ausser Kontrolle geraten. Bleiben die Zölle erhalten, dürfte sich die Teuerungsrate gemäss Fachleuten mittelfristig um 1,5 bis 2 Prozentpunkte erhöhen und im schlimmsten Fall eine Lohn-Preis-Spirale auslösen.
Arbeiter würden dann wegen der Inflation grosse Lohnerhöhungen einfordern und die Firmen im Gegenzug ihre Preise erhöhen. Hat dieser Prozess erst einmal eingesetzt, wird es für Powells Team enorm schwierig, ihn wieder zu stoppen. Mit einer zu harten Geldpolitik läuft das Fed dagegen Gefahr, den Wirtschaftsabschwung zu beschleunigen, den die Zölle mutmasslich bereits in Gang gesetzt haben.
Daueroptimisten an der Wall Street
Die Theorie besagt, dass Zentralbanken einmalige Inflationsschübe aussitzen können, wenn auch die Wirtschaftsteilnehmer glauben, dass der Preisdruck bald wieder abnimmt. Diese Strategie ist aber sehr riskant – und nach der Corona-Pandemie schon einmal gründlich missglückt.
Die Finanzmärkte setzen darauf, dass Trumps Hauruck-Politik die Notenbank dazu zwingen wird, die Binnenwirtschaft zu stützen, indem sie die Leitzinsen stärker senkt als bisher gedacht. Es ist die neueste Spielform des Glaubens an den «Fed Put» – die Überzeugung, dass die Zentralbank grössere Verwerfungen an den Aktienmärkten nicht zulassen wird.
Dieser Glauben scheint umso stärker zu sein, nachdem sich die Hoffnung zerschlagen hat, dass Trump das Wohlergehen der amerikanischen Börse als persönlichen Leistungsausweis interpretiert und alles dafür tut, die Kurse zu stützen. Der Präsident hat seine Zollstrategie als Medizin bezeichnet und als Schmerz, den man aushalten müsse, bis es besser werde.
Daten der Derivatebörse CME deuten darauf hin, dass eine Mehrheit der Marktteilnehmer noch mit vier bis sechs weiteren Zinssenkungsschritten in diesem Jahr rechnet. Vor einer Woche lag der Konsens noch bei drei Schritten. Selbst diese Prognose ist viel optimistischer als die Projektionen, welche die Fed-Spitze selbst Mitte März aufgestellt hatte. Neun von neunzehn Mitgliedern des Offenmarktausschusses, der die Zinspolitik festlegt, rechneten damals mit bloss zwei weiteren Zinssenkungen bis Ende 2025. Vier Mitglieder erwarten nur eine, vier weitere gar keine Zinssenkung.
Nun war Mitte März noch nicht bekannt, wie einschneidend Trumps Zollstrategie tatsächlich ausfallen würde. Doch in einem vielbeachteten Auftritt am vergangenen Freitag hat der Fed-Chef Jerome Powell zum Ausdruck gebracht, dass Trumps Zölle die Inflation erhöhen und das Wirtschaftswachstum senken würden. Er liess sich aber nicht zu der Prognose verleiten, dass das Fed deswegen seine Zinspolitik lockern wird. Bei grosser Unsicherheit hat die Zentralbank die Tendenz, eher zu vorsichtig als zu aggressiv zu reagieren.
Die Mehrheitsmeinung an den Märkten wird deshalb auch an der Wall Street nicht von allen geteilt. Der Blackrock-Chef Larry Fink sagte etwa, es bestehe «keine Chance», dass das Fed die Zinsen im jetzigen Umfeld so stark senken werde, wie das die Märkte antizipierten. Hat Fink recht, drohen den Börsen weitere schwarze Tage, weil sie auf Zinssenkungen verzichten müssen, die sie längst eingepreist haben.
Ein alter Konflikt flammt auf
Donald Trump hatte Jerome Powell während seiner ersten Amtszeit zwar selbst zum Fed-Chef ernannt, bereute diesen Schritt aber bald, als sich die Notenbank seinem Wunsch nach ultratiefen Leitzinsen widersetzte und diese von 2017 bis 2019 stattdessen mehrfach erhöhte.
Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hatte sich Trump mit Kritik an Powell noch zurückgehalten; er hatte in anderen Dossiers viel um die Ohren. Mittlerweile, da der Präsident wegen seiner eigenen Wirtschaftspolitik unter Druck geraten ist, schiesst er aber wieder schärfer gegen die Zentralbank. Kurz vor Powells Auftritt am vergangenen Freitag forderte Trump einmal mehr tiefere Zinsen und kritisierte, dass Powell «immer zu spät» reagiere.
Die Gefahr, dass Trump das Fed als Sündenbock nutzt, wenn seine Zolloffensive in einer Rezession endet, ist real; und es gibt nicht allzu viel, was das Fed dagegen tun kann. Am 7. Mai müssen die Währungshüter ihren nächsten Zinsentscheid fällen.