Kein Verkehr, keine Hektik, kein Lärm: Diese Spazierwege führen an Orten vorbei, an denen Zürich etwas langsamer tickt.
Über den Dächern von Zürich, entlang des Orelliwegs
Manchmal habe ich einfach genug von der Zürcher Innenstadt – den vielen Menschen, dem hektischen Verkehr, dem Lärm und dem Stress. Dann steige ich in das Tram Nr. 6 und fahre bis zur Endstation «Zoo». Oben angekommen, kann ich wieder durchatmen. Während die meisten Trampassagiere mit Kinderwagen Richtung Zooeingang schlendern, begebe ich mich auf den Orelliweg – für mich eine der schönsten Flaniermeilen Zürichs, weit weg vom Trubel der Stadt.
Hat man die anfangs etwas steile Kurve hinauf zum Sorell Hotel Zürichberg geschafft, beginnt der flache, geteerte und damit gut begehbare Orelliweg. Vorbei am Hotel und noch ein paar Minuten durch den Wald, dann eröffnet sich ein herrlicher Blick über die ganze Stadt: Der See, der gegenüberliegende Üetliberg, die vielen Häuser – alles ist auf einen Blick zu sehen und scheint doch so weit weg.
Allein ist man auf dem Orelliweg wohl nur ganz früh am Morgen – ich selbst habe es zwar noch nie geschafft, aber den Sonnenaufgang von dort oben zu erleben, muss einmalig sein. Ist man hingegen eher zu späterer Stunde unterwegs, begegnen einem auf dem Orelliweg immer wieder Jogger, Hündeler oder andere Flaneure. Zum Glück ist der Weg aber sehr breit, so dass alle Spaziergänger, die die Ruhe am Zürichberg suchen, ohne Gedränge aneinander vorbeikommen.
Der Orelliweg kreuzt ab und zu andere Strässchen, die an verschiedenen Stellen wieder hinunter in die Wohnquartiere führen. Dies ermöglicht auch nur kurze Spaziergänge von 10 bis 20 Minuten. Meistens laufe ich aber bis zur Endstation der Seilbahn Rigiblick, die einen bequem wieder hinunter an die Universitätsstrasse bringt. Der ganze Weg kann auch in umgekehrter Richtung zurückgelegt werden – diese Variante hat den Vorteil, dass man sich am Ende auf der schönen Terrasse des Hotels Zürichberg gemütlich niederlassen kann, mit der gleichen sagenhaften Aussicht vor Augen und einem wohlverdienten Apéro in der Hand.
Tipp: Nina Fehr
Schlendern und geniessen beim Viadukt
Das Viadukt im Kreis 5 ist kein Ort zum Durchhetzen. Wer hierherkommt, will schmökern, entdecken, probieren, pausieren, geniessen. Man schlendert entlang der steinernen Rundbögen, in denen kleine Läden untergebracht sind. Wer sich nicht mit Schaufenster-Shopping begnügen will, stattet ihnen einen Besuch ab; bei Sibler etwa findet man alles für die Küche, im Westflügel literarische Entdeckungen. Tarzan verkauft nachhaltige Mode, Cabinet und Norkind alles für das schöne Leben. Vor den Lokalen stehen Stühle oder Bänke, manchmal sitzt jemand mit Kaffee in der Sonne. Hier scheint Zürich etwas weniger schnell zu funktionieren als in der Innenstadt.
Im Restaurant Viadukt stärkt man sich mit einem Kaffee, geniesst zwischendurch eine erfrischende Gazosa, gegen Abend hin den Apéritif. Weiter hinten schliesst sich die Markthalle an – mein liebster Ort. Hier gibt es frisches Brot, Käse, Fleisch, Sushi, Pasta, Wein. Man kann im Restaurant Markthalle, wo Bodenständiges wie Siedfleisch vom Schweizer Rind oder Moules et frites serviert wird, einkehren oder im Laden Berg und Tal einkaufen, wo tolle Produkte aus der Region angeboten werden. Sobald es die Temperaturen zulassen, ist Letzteres meine erste Wahl: Mit den Einkäufen geht es dann rüber auf die Josefwiese. Rasen unter den Füssen, Wein im Becher, Käse und Trockenwürste auf dem knusprigen Brot – mehr braucht es nicht.
Tipp: Sonja Siegenthaler
Am Zürichhorn kommen Feriengefühle auf
Der Zürichsee wird immer schöner, je weiter man vom Zürcher Stadtzentrum weggeht. Das offenbart sich vor allem, wenn man die Seepromenade begeht. Vom engen Seebecken am Bürkliplatz aus eröffnen sich für Spazierende insbesondere stadtauswärts prächtige Ausblicke, so bei der Saffainsel und der Landiwiese am Mythenquai – vor allem aber bei der «Goldküstenstrecke», nach Uto- und Seefeldquai in Richtung Küsnacht.
Am Ende des Hafens Riesbach steht bei schönem Wetter meist der «Gelati am See»-Wagen, dahinter beginnt der schönste Abschnitt der Zürcher Seepromenade: der Seeuferweg Zürichhorn. Dieser liegt etwas niedriger als der flach geteerte Fussweg und ist dank Villen, Blatterwiese und Chinagarten gut vom Verkehrslärm der Bellerivestrasse abgeschottet.
Der Abschnitt gilt als Schlüsselwerk der Schweizer Landschaftsarchitektur, 2010 wurde ihm gar ein Taschenbuch gewidmet. Das Konzept bot bei der Erstellung 1963 eine Alternative zu traditionellen Promenaden im Stil des 19. Jahrhunderts. Über unterschiedlich verlegte, riesige Steinplatten spaziert man hier direkt am Wasser; die Gartengestaltung ist abwechslungsreich, naturnah, manchmal gar japanisch anmutend. Es gibt Unebenheiten und nach Regenfällen auch einmal überflutete Stellen, aber immer wieder inspirierende Ecken zum Absitzen, Ausblicken und Beobachten.
Der Seeuferweg am Zürichhorn endet am Ententeich und beim Biergarten des Restaurants Fischerstube.
Nach dem sanften Auf und Ab des sich windenden Wegs erreicht man dann wieder geteertes Terrain und gelangt via Brücklein oder einen Weg aus runden Pfählen im Ententeich zum Restaurant Fischerstube am Zürichhorn mit weitläufiger, traumhafter Aussicht. Im Sommer beschränkt sich die Idylle – wie so oft in der Stadt – eher auf die Morgenstunden. Aber auch am Abend kommen hier bei schönem Wetter Feriengefühle auf.
Tipp: Kim Dang
Der Sihl entlang zur Allmend
Als mir ein Freund von der Allmend erzählte, konnte ich mir das nicht wirklich vorstellen. Eine weite, offene Fläche, nur eine gute halbe Stunde zu Fuss von der Zürcher Innenstadt entfernt? Ich bin im Mittelland mit seinen ewigen Wiesen und sanften Hügeln aufgewachsen. Für mich bedeutete das früher vor allem Eintönigkeit. Doch manchmal vermisse ich in Zürich diese Weite. Also spaziere ich, angefangen beim Hotel Helvetia oder bei der Sportanlage Sihlhölzli, der Sihl entlang in Richtung Sihlcity und daran vorbei.
Begleitet wird man dabei vom Rauschen des Flusses und – für das richtige Mittelland-Feeling – vom Rauschen der Autobahn. Velofahrer in teurem Lycra und Joggerinnen in T-Shirts vom letzten Zürich-Marathon flitzen vorbei. Hohe Bäume spenden Schatten. Bald schon tut sich die Allmend Brunau auf mit ihren Fussballspielern, Modellflugzeugfliegern und von der Freiheit überwältigten Hunden. Vom grossen Steg aus sieht man bis zum Üetliberg und überall ins Grüne. Also bleibt man ein bisschen.
Tipp: Jana Schibli
Beim Schanzengraben bleibt der Stadtlärm aussen vor
Vom Zürcher Hauptbahnhof führen viele Wege Richtung See. Einer der am wenigsten bekannten ist der Schanzengrabenweg oder die Schanzengrabenpromenade: Etwas versteckt beginnt der Weg bei der Gessnerallee. Unter Baumkronen flaniert man auf hölzernen Stegen und Sandsteinplatten, über Treppen und kleine Brücken, stets leicht erhöht über dem Seeabflussgewässer Richtung Bürkliplatz. Man passiert das Hallenbad City und das Männerbad Schanzengraben – oberhalb davon liegt der Alte Botanische Garten.
Schon bald erreicht man das Quartier Enge nahe der Selnaubrücke und dem Bärenbrüggli. Auf Höhe des Paradeplatzes unterquert man den Bleicherweg und landet schliesslich hinter dem Hotel Baur au Lac – und ist damit fast schon am Ziel: der Uferpromenade des Zürichsees.
Der in der Länge recht überschaubare Schanzengrabenweg ist mittlerweile zu einem Stück meines Nachhauseweges geworden. Flanieren verbindet sich auf diesem Weg mit vielen idyllischen Mini-Impressionen, die einem die Stadt ganz lieblich und friedlich erscheinen lassen. Die Bänkchen und Mauern, die man hier zuweilen findet, sind Sitzdomizile von Frischverliebten, Arbeitenden mit Lunchpaketen und Menschen, die in Gespräche vertieft sind. Manche stecken hier zum ersten Mal im Jahr die Füsse ins Wasser, um zu testen, wie warm der See wohl schon ist. Das Beste: Man ist mitten in der Stadt, und doch hört man kein Nervenkostüm-strapazierendes Gelärme.
Tipp: Ulrike Hug