Der Streit um Entsorgungscoupons eskaliert.
Im letzten Herbst hat die Stadträtin Simone Brander (SP) die kostenlosen Entsorgungscoupons für Sperrgut abgeschafft. Seither liefert sie sich mit dem Stadtparlament einen Machtkampf. Brander steht im Ruf, unnachgiebig zu sein – was man als Standfestigkeit, aber auch als Sturheit auslegen kann. Diesem Ruf macht sie in der Causa Entsorgungscoupons alle Ehre.
Die nächste Eskalationsstufe wurde am Mittwoch bekannt: Der Stadtrat geht rechtlich gegen das Stadtparlament vor – mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang.
Anreise mit dem Auto unerwünscht
Angefangen hat der Streit damit, dass Brander die Entsorgungscoupons für Sperrgut praktisch über Nacht strich. Die Coupons haben es den Stadtzürchern ermöglicht, bis zu 400 Kilogramm Sperrgut kostenlos zu entsorgen. Im Alltag des typischen Stadtbewohners bedeutete dies: Wer Sperrgut loswerden will, organisiert sich ein Auto und fährt nach Aubrugg zum Recyclinghof.
Doch Brander hält das für nicht mehr zeitgemäss. Viel besser seien mobile Lösungen wie das Cargo-Tram. Ihr schwebt das Konzept von zahlreichen «mobilen Recyclinghöfen» vor: In den Quartieren sollen an bestimmten Tagen Lastwagen Sperrgut gratis entgegennehmen. Wobei man nicht mit dem Auto anreisen soll.
Im Stadtparlament bildete sich rasch parteiübergreifend eine Front für die Beibehaltung der Coupons, bestehend aus Bürgerlichen, den Mitte-Parteien, aber auch linken Parlamentariern. Ein Postulat von Martin Bürki (FDP) zur Rettung der Coupons fand im Herbst eine deutliche Mehrheit.
Doch die Stadträtin Brander hielt an der Abschaffung fest und schuf Tatsachen: Im Frühling 2025 wurden die Coupons nicht mehr an die Stadtbevölkerung verschickt. Brander verteidigte den Schritt mit der Kreislaufwirtschaft und dem Verursacherprinzip. An das FDP-Postulat sah sie sich insofern nicht gebunden, als der Stadtrat zwei Jahre Zeit habe, dieses zu prüfen.
Die «Reparaturförderung» – ein trügerischer Ersatz
Allerdings verkündete Brander schon bald, das Postulat sei erfüllt, nämlich mit dem «Pilotprojekt zur Reparaturförderung». Statt der alten Coupons sollte es für Stadtbewohner einen jährlichen Bonus von bis zu 100 Franken geben – für die Reparatur von Elektronikgeräten, Textilien oder Möbeln. Ein Ersatz für die Entsorgungscoupons sei das aber überhaupt nicht, fand damals der FDP-Mann Bürki. Sein Postulat sei mitnichten erfüllt.
Aus dem Stadtparlament gab es mehr als nur einen Anlauf für die Beibehaltung der Coupons, und sie fanden über die Parteigrenzen hinweg Mehrheiten. Einer davon war die ominöse parlamentarische Initiative, über die jetzt rechtlich gestritten wird.
Der Vorstoss von FDP, GLP und Mitte hatte zum Ziel, dass die Stadtzürcher zumindest 200 Kilogramm Sperrgut gebührenfrei entsorgen können. Dies bis mindestens 2028. Die Logik dahinter: Die Stadt sei noch nicht so weit mit der geplanten Umstellung auf dezentrale Recyclinghöfe. Und solange dies so sei, dürfe man die Gutscheine nicht komplett abschaffen.
Mit einer parlamentarischen Initiative kann das Parlament selber Verordnungen anpassen und somit den Stadtrat umgehen. Das tat das Parlament in diesem Fall und schrieb die Coupons in die Weisung des Stadtrats über die mobilen Recyclinghöfe – das Corpus Delicti im jetzigen Rechtsstreit.
Man kann den Machtkampf zwischen Brander und dem Parlament aus der juristischen Begründung herauslesen. Es geht darum, wer die letzte Entscheidung hat. Der Stadtrat macht einen «sachfremden Zusatzbeschluss» geltend, den das Stadtparlament gefällt habe. Heisst: Das Stadtparlament habe einen Beschluss des Stadtrats auf unstatthafte Weise abgeändert.
Das Problem ist aus Sicht des Stadtrats, dass das Parlament eine Bestimmung über die Beibehaltung der Entsorgungscoupons in einen Stadtratsbeschluss geschrieben hat, bei dem es um etwas anderes geht, nämlich um mobile Entsorgungsstellen. Coupons und Entsorgungsstellen – das sind aus Sicht des Stadtrats zwei völlig verschiedene Dinge. Es sei aber «unzulässig, sachfremde Elemente in den Antrag des Stadtrats aufzunehmen». Das verlange nach «aufsichtsrechtlicher Klärung».
An der Stadtparlamentsitzung am Mittwochabend sprach der FDP-Gemeinderat Emmanuel Tschannen in einer persönlichen Erklärung von einer «Missachtung des Parlaments». Immer wieder neue rechtliche Gründe krame der Stadtrat hervor, um seinen Willen durchzudrücken. Das Stadtparlament werde aber nicht klein beigeben.
Auch wenn der Bezirksratsentscheid dann einmal fällt, wird das Hickhack nicht enden. Tschannen kündigte am Mittwoch an, man erwäge eine Volksinitiative zum Erhalt der Coupons. Kommt es dazu, wird der Machtkampf zwischen Simone Brander und dem Stadtparlament auf höchster Ebene entschieden – vom Souverän, dem Stimmvolk.