Gemäss VBS wäre das «grösste» zu erwartende Risiko, wenn 19 Fliegerbomben bei der Räumung gleichzeitig explodieren würden. Bisher wurde jedoch keine Ansammlung von Bomben gefunden.
«Maximal 5 Kilogramm», eine einzelne Granate, könnte bei der Räumung des Munitionslagers in Mitholz explodieren, das sei das grösste Risiko. Zu diesem Schluss kamen Munitionsspezialisten des Kommandos Kamir, einer Fachstelle für Kampfmittelräumung der Schweizer Armee vor einem Jahr. Sie führten Sondiergrabungen- und -bohrungen durch. In ihrem Abschlussbericht, über den die NZZ im Januar berichtete, schrieben die Spezialisten: Die Munitionsrückstände, die noch im Berg liegen, könnten ein Umweltproblem darstellen – aber kein Explosionsrisiko.
Fast 10 000 Bomben, Granaten, Geschosse und Minen holten die Spezialisten aus dem ehemaligen Depot. «Es war eine eigentliche Teilräumung von ‹Hotspots›», wo die grösste Explosionsgefahr vermutet wurde, erklärte Franz Bär, der ehemalige stellvertretende Kommandant, damals.
Anders sieht es das Verteidigungsdepartement (VBS). Es rechnete zunächst mit zwei Szenarien: einem grossen mit zehn Tonnen Sprengstoff – und einem kleineren mit einer Tonne. Im neuen «Faktenblatt» des Generalsekretariats heisst es nun, eine Explosion von zehn Tonnen sei «sehr unwahrscheinlich». Eine Tonne hingegen bleibe möglich.
«Wir wissen nicht, wie viel Munition noch im Berg liegt – und wie genau», erklärte der Projektleiter Adrian Goetschi vor Ort am Mittwoch. Simulationen zeigten: Kommt es bei der Räumung zu einer Explosion, sind Schwerverletzte oder Todesopfer nicht auszuschliessen. Deshalb habe sich das Risiko nicht grundsätzlich verändert. Das VBS bestätigt damit seine eigene Risikoanalyse von 2022. Ein Teil der Dorfbewohner muss somit aus Mitholz wegziehen. Ausserdem seien weiterhin Schutzbauten für Strasse und Bahn nötig.
Das VBS stützt sich dabei insbesondere auf Munitionsuntersuchungen und Übertragungsversuche. Sie sollten klären, ob mehrere Fliegerbomben mit je 50 Kilogramm Sprengstoff gleichzeitig detonieren und eine Kettenreaktion auslösen könnten. Laut Experten wäre das schlimmste Szenario eine gleichzeitige Explosion von 19 Fliegerbomben – insgesamt «max. 400 kg» Sprengstoff. Das entspräche, so der Bericht, «einem Ereignis im unteren Bereich eines Ein-Tonnen-Ereignisses». Zugleich halten die Munitionsspezialisten fest: Bei den bisherigen Sondiergrabungen wurde nur eine Fliegerbombe geborgen, Ansammlungen von «grosskalibriger, eng aneinanderliegender Munition» fanden sie nicht.
Doch ausschliessen wollen die Verantwortlichen nichts. Der Staat steht in der Pflicht. Mitholz ist ein sogenannter «Störfall». Das heisst: Der Bund muss als Eigentümer des alten Munitionsdepots Bevölkerung und Umwelt vor schweren Schäden schützen. 2023 sprach das Parlament dafür einen Kreditrahmen von 2,59 Milliarden Franken.
Da das VBS nun nicht mehr von einem Zehn-Tonnen-Ereignis ausgeht, sollen die Schutzmassnahmen für Strasse und Bahn auch weniger massiv werden. Ob damit auch die Kosten sinken, konnten die Projektverantwortlichen am Mittwoch in Mitholz nicht sagen.
Das ehemalige Munitionslager ist ein Erbe der Schweizer Armee aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Depot war geheim, bis es nach Kriegsende im Stollen zu verheerenden Explosionen kam. Neun Menschen kamen ums Leben. Ein Expertenbericht von 1949 kam zum Schluss: Kleine Explosionen im Berg seien zwar noch möglich, doch sie hätten geringe Auswirkungen. Die Armee baute die Anlage in den darauffolgenden Jahren schliesslich massiv aus. Ein weiterer Bericht von Explosionsexperten bestätigte die erste Analyse. Es blieb stets ruhig im Berg. Erst als das VBS im Jahr 2017 ein Rechenzentrum in den Stollen einbauen wollte, kamen neue Risikoanalysen zum Schluss, dass eine deutlich höhere Gefahr vom verschütteten Munitionsdepot ausgehe als bisher angenommen.
Die ehemalige VBS-Vorsteherin Viola Amherd erklärte den Dorfbewohnern 2020, dass die Munitionsrückstände vollständig geräumt werden müssten. Dafür müsse Mitholz für zehn Jahre zum Geisterdorf werden. Zwei Jahre später wurde eine Kerngefahrenzone definiert. Die Haushalte in dieser Zone müssen wegziehen.