Rahul Sahgal glaubt, dass sich Donald Trump mit dem Zollkrieg unter Druck gesetzt hat. Der US-Präsident müsse bis zu den Zwischenwahlen 2026 wirtschaftliche Erfolge vorweisen können.
Im Zollkrieg herrscht derzeit eine 90-tägige Pause. Wie beurteilen Sie als Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer die gegenwärtige Situation für die Schweiz?
Unmittelbar nach der Verhängung der Zölle in Höhe von 31 Prozent hat die Schweiz sehr gute erste Gespräche mit den USA geführt. Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat sofort Kontakt aufgenommen mit dem Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten. Sehr wichtig war das Telefonat von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter mit Präsident Donald Trump. Die USA wissen nun, was die Schweiz in den USA bereits leistet. Damit sind die wichtigsten Pflöcke eingeschlagen.
Welches Angebot kann die Schweiz den USA machen, damit es am Schluss zu einem Deal kommt?
Die Schweiz ist bereits sehr gut positioniert. Wir können und müssen nicht mit einem fixfertigen Angebot an die USA herantreten. Wir haben auch kein Verhandlungsmandat. Wir sind heute der grösste Investor pro Kopf, der viertgrösste in der industriellen Produktion und der grösste in Forschung und Entwicklung. Das ist enorm wichtig für die amerikanische Wirtschaft. Wir importieren pro Kopf 14-mal mehr Güter als die Amerikaner von uns. Und 99 Prozent dieser Güter kommen zollfrei in die Schweiz.
Doch all dies scheint Donald Trump nicht zu genügen. Was hat die Schweiz aber an neuen Angeboten in den Deal einzubringen?
Wir sprechen auch von nichttarifären Handelshemmnissen. Wir können über Regulierungen sprechen, die den Import amerikanischer Produkte in die Schweiz erschweren. Es geht auch um Zölle auf Produkte, die wir nicht selber herstellen.
Eine weitere Möglichkeit sind neue Investitionen in den USA. Der Pharmakonzern Novartis hat angekündigt, 23 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Wie wichtig sind solche Signale?
Das ist sehr wichtig, denn es zeigt, dass die Schweiz nicht einfach Fertigprodukte auf den amerikanischen Markt wirft. Vielmehr exportieren wir Güter, die Amerika selbst nicht herstellen kann. Zudem schaffen wir einen Mehrwert für die Gesellschaft, indem die Schweiz in den USA Forschung und Entwicklung betreibt. Damit sind wir bei einem weiteren Thema, das wir sehr gut machen.
Welches ist das?
Die Ausbildung von Fachkräften. Sie können keine Forschung und Entwicklung beispielsweise in der Pharmaproduktion betreiben ohne qualifiziertes Personal. Hier herrscht in den USA ein absoluter Mangel.
Als vorbildlich wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Berufsausbildung genannt.
Es gibt sehr viele Unternehmen, die bereits heute Leute ausbilden. Sie tun dies nicht, um den Amerikanern einen Gefallen zu tun, sondern komplett aus Eigeninteresse. Schweizer Unternehmen in den USA bilden seit langem Fachkräfte vor Ort aus, um dort überhaupt produzieren zu können.
Wie geht es nun weiter, bis die von Trump gewährte Frist von 90 Tagen abgelaufen ist?
Ich bin zuversichtlich, dass die Schweiz eine Einigung mit der Trump-Administration erzielen kann. Die USA wollen mit den einfachen Handelspartnern, zu denen ich auch uns zähle, eine Art Abkommen schliessen. Das kann sehr schlank und gezielt für gewisse Gebiete massgeschneidert sein. Es kann auch andere Bereiche wie die duale Bildung oder Investitionsabsichten umfassen. Auch die USA stehen nämlich unter Zeitdruck. Die Reaktion der Börsen hat gezeigt, dass diese Unsicherheit Gift ist für die Märkte. Auch muss Trump schnell liefern, um bei den Midterm Elections 2026 den Wählern etwas vorweisen zu können. Die US-Regierung will sich schnell anderen Themen wie Steuererleichterungen, Deregulierung und anderen Massnahmen zuwenden können.
Sie treten heute an einem Anlass von Schweiz Tourismus auf, für den eine länger anhaltende Unsicherheit fatal sein könnte. Spüren Sie diese Unsicherheit in Ihrem Umfeld?
Wir befinden uns definitiv in einer Phase der Unsicherheit. Das wird sich auf das Reiseverhalten auswirken. Tourismus hat sehr viel mit Emotionen zu tun, und das Reisen wird nicht gerade gefördert. Nach dem Börsenabsturz überlegen sich in Amerika viele Leute, die auf die Einkommen aus Aktien angewiesen sind, ob sie sich eine Reise in ein teures Land wie die Schweiz noch leisten können. An der Ost- und Westküste gibt es auch viele Amerikaner, die glauben, die ganze Welt hasse sie und sie seien bei uns nicht mehr erwünscht. Auf der anderen Seite höre ich von Schweizerinnen und Schweizern, die nicht in die USA reisen, weil sie Trump widerlich finden. Ich hoffe aber, dass diese Unsicherheit in ein paar Monaten vorbei sein wird.
Als CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer haben Sie Kontakt zu Leuten, die häufig in die USA reisen. Erhalten Sie Beschwerden über Probleme bei der Einreise?
Das Thema ist virulent. Das sehe ich an den vielen Anfragen, die wir diesbezüglich erhalten. Auch hier besteht offenbar eine gewisse Unsicherheit, und das ist nicht gut. Ich persönlich kenne aber niemanden, der wirklich Probleme bei der Einreise hatte.