Waldbrände, Hochwasser, Hitzewellen – eine Wetter-Schlagzeile jagt die andere. Ist der Klimawandel ist schuld? Der Klimaforscher Patrick Brown hält dagegen. Ein Gespräch
In der Schweiz und in Teilen Europas gab es dieser Tage schwere Regenfälle, die USA wurden diesen Monat von Überschwemmungen getroffen. Schnell stellt sich nach Extremwetter die Frage: Ist der Klimawandel schuld? Sie sind Klimaforscher, wie sinnvoll ist diese ewiggleiche Frage?
Die Nutzung fossiler Brennstoffe und unsere Landwirtschaft stossen beide Treibhausgase in die Atmosphäre aus, und das erhöht die globale Durchschnittstemperatur. Die Temperatur ist eine so fundamentale Variable, dass sie das gesamte Wetter beeinflussen muss. Die Frage ist jedoch, um wie viel.
Zur Person
Patrick Brown – Klimaforscher
Brown unterrichtet an der Johns-Hopkins-Universität in Washington (DC) und hatte jahrelang eine Führungsrolle in der amerikanischen Denkfabrik The Breakthrough Institute inne.
Kann man das beziffern?
Wenn wir uns historische Trends bei vielen Wetterextremen ansehen, dann sehen wir keine grosse Entwicklung in die eine oder andere Richtung. Man verwendet also Modelle oder Theorien, um zu sagen: Wir wissen, dass die globale Durchschnittstemperatur höher ist, als sie es vor der industriellen Revolution war. Wir wissen, dass es einen schrittweisen Effekt auf das Wetter gibt, das wir beobachten. Wir wissen, dass die Erwärmung alles beeinflusst. Aber in vielen Fällen ist es nicht so, dass man sich die Beobachtungen der letzten dreissig Jahre ansehen und einen dramatischen Anstieg feststellen kann. Die Frage, ob der Klimawandel diese Art von Ereignissen verursacht hat, lässt sich also nicht leicht beantworten.
Und doch lesen – und schreiben – wir ständig, dass der Klimawandel extreme Wetterereignisse intensiver und häufiger mache. Können wir eine so platte Aussage überhaupt machen, oder raten Sie davon ab?
Ich finde diese pauschale Aussage, dass die Erwärmung dazu führe, dass extreme Wetterereignisse intensiver und häufiger würden, problematisch.
Haben Sie Beispiele, wo wir vorsichtiger sein müssten?
Die Temperaturen werden höher. Das bedeutet, dass Hitzewellen extremer werden. Aber es bedeutet auch, dass Kältewellen weniger extrem sind, sie werden milder.
Und was ist mit Regenfällen und Dürren?
Wir nehmen an, dass die extremsten Niederschlagsereignisse zunehmen. Die höheren Temperaturen führen zu einer stärkeren Verdunstung. Wenn es also eine Dürre gibt, kann sie noch trockener ausfallen als früher. Gleichzeitig gehen wir aber eben auch davon aus, dass die Gesamtniederschläge mit der Erwärmung zunehmen. Was die Hurrikane angeht, so ist man sich im Grunde einig, dass die Entstehung von Hurrikanen nicht begünstigt wird. Aber: Wenn sie sich bilden, kann es bei höheren Meerestemperaturen sein, dass Hurrikane extremer werden. Bei vielen dieser Ereignisse ist die Richtung des Einflusses durch den Klimawandel also nicht klar. Es gibt extreme Ereignisse, die weniger extrem werden. Doch das kommt in den Schlagzeilen nicht wirklich an.
Solche Komplexitäten lassen sich wohl schwer kurz und bündig vermitteln.
Die Aussage ist zum allgemeinen Sprachgebrauch geworden. Wenn ich einen Artikel zum Klima schreibe, fange ich stets mit dieser Aussage an: «Jeder weiss, dass extreme Ereignisse extremer werden, wenn es wärmer wird.»
Besteht die Sorge, dass die Unterstützung für den Klimaschutz abnimmt, wenn nicht andauernd auf zerstörerische Wetterereignisse hingewiesen wird?
Ich denke, das ist die Motivation und der Grund, warum so viele Klimawissenschafter nicht dagegenhalten. Die Besorgnis über den Klimawandel wurde ursprünglich anhand der Auswirkungen auf die Natur und die Ökosysteme vermittelt, die Folgen liegen weit in der Zukunft. Dann hat man festgestellt, dass das keine gute Botschaft war, um die Menschen zum Handeln zu motivieren. Und so wurde der Schwerpunkt auf den Menschen verlagert, mit der Botschaft: «Der Klimawandel ist schon die Gegenwart. Schau aus dem Fenster. Welch schlechtes Wetter auch immer draussen vorbeizieht, das ist der Klimawandel!» Und das ist meiner Meinung nach wissenschaftlich ungenau.
Sie kritisieren diese Ungenauigkeit oft öffentlich. Fürchten Sie, dass sie der Klimawissenschaft schadet und das Vertrauen in Forscher allgemein untergräbt?
Es kann nach hinten losgehen, wenn man Dinge sagt, die wissenschaftlich ungenau sind. Das kann zu öffentlicher Kritik führen und dazu, dass die Leute am gesamten wissenschaftlichen Apparat zu zweifeln beginnen. Der einzige Grund, Wissenschaftern überhaupt zu glauben, ist doch, weil wir annehmen, dass sie keine Abstriche machen, keine falschen Botschaften vermitteln und nur die Fakten liefern. Das sollte oberste Priorität haben, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken.
Viele Klimaforscher bekunden regelmässig auf den sozialen Netzwerken ihre Sorge über die steigenden Temperaturen. Es heisst oft, mit dem Klimawandel beträten wir unbekanntes Terrain. Teilen Sie diese Sorgen gar nicht?
Ich teile diese Sorge. Es ist beängstigend und gefährlich, dass wir dieses Experiment auf der Erde durchführen. Es gibt eine Menge Unbekannte. Aber wir wissen nicht wirklich, was passieren wird.
Trotzdem scheinen Sie frustriert zu sein?
Ich bin deshalb frustriert, weil die Klimawissenschaft kein wirklich vollständiges Bild von den Kosten und dem Nutzen der Energiewende zeichnet – und auch nicht von den bekannten und unbekannten Faktoren. Sie konzentriert sich eher stark auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels und lässt die Nachteile einer raschen Einschränkung fossiler Brennstoffe aussen vor. So viele Leute scheinen einfach zu denken, dass es selbstverständlich ist, dass wir leicht zu CO2-freien Energiesystemen übergehen können. Das ist eine unehrliche Unterhaltung.
Im Jahr 2023 haben Sie eine Forschungsarbeit zu Waldbränden veröffentlicht. Anschliessend haben Sie sich selbst öffentlich dafür kritisiert, dass Sie darin die Rolle des Klimawandels stark hervorgehoben hätten. Ihr Eingeständnis schlug wie eine Bombe ein. Sie haben viel Kritik geerntet. Was hat Sie damals dazu bewogen?
Aus der Sicht eines Forschers strebt man Veröffentlichungen an, die eine grosse Wirkung haben. Wenn man den Schwerpunkt auf die negativen Folgen des Klimawandels legt, geht man einfach den Weg des geringsten Widerstands. Die nützlichere Forschungsarbeit wäre es aber, stattdessen den Klimawandel im Vergleich zu anderen Einflüssen zu untersuchen und auf diese Weise in das Gesamtbild einzuordnen.
Auch in Europa steigt die Waldbrandgefahr in Regionen, die früher kaum betroffen waren. Welche Rolle spielt der Klimawandel in diesem Kontext, und bei welchen Einflüssen sollten wir ansetzen, um die Brandgefahr zu reduzieren?
Wir sprechen von Feuerwetter, wenn es heiss, trocken und windig ist. Das ist also der Hauptmechanismus, durch den der Klimawandel das Risiko von Waldbränden erhöht. Aber wenn es um die Gesamtfaktoren für Waldbrände geht, dann spielt die Menge und Verfügbarkeit von brennbaren Materialien eine sehr grosse Rolle. Einen wichtigen Unterschied macht auch der Wohnort der Menschen aus, etwa wie viele Menschen sich im Grenzgebiet von Stadt und Land aufhalten; rund 90 Prozent der Waldbrände in den USA werden von Menschen verursacht.
Politiker sollten sich also darauf konzentrieren, konkrete Risiken in Wohngebieten zu verringern, etwa trockene Sträucher und Holz beseitigen und die Brandsicherheit von Häusern stärken?
Zumindest in den nächsten siebzig Jahren wirken sich diese Faktoren sehr viel stärker auf die Waldbrandgefahr aus, als zu sagen: «Oh, wir haben ein Waldbrandproblem, lasst uns ein Elektroauto-Gesetz verabschieden.»
In klimapolitischen Diskussionen gehen Fragen, wie wir uns an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können, schnell unter oder werden bewusst ausgegrenzt, scheint es. Warum?
Es ist eine kulturelle Frage geworden. Heute heisst es doch: «Die bösen Menschen reden über Anpassung! Also redet nicht darüber!» Aber wenn man die Ergebnisse für die Menschen verbessern will, muss man über Anpassung sprechen.
Bleiben wir bei der Zukunft der Klimaforschung. Seit Jahrzehnten sind die USA in vielen Bereichen der Klimawissenschaften führend. Jetzt geht die Angst um, dass Donald Trumps Administration mittels Sparprogrammen und anderer Interventionen die Forschungsinfrastruktur in den USA zerschlägt. Teilen Sie die Sorge?
Ich warte erst einmal ab, was mit der NOAA [der zentralen amerikanischen Forschungsbehörde für den Ozean und die Atmosphäre, Anm. d. Red.] passiert und was am Ende gestrichen wird. Aber grundsätzlich sind die Beobachtungen, die die NOAA produziert, wirklich wertvoll. Wir brauchen die Beobachtungen, sie sind das Herzstück der Wissenschaft. Das kann wirklich nicht gekürzt werden.
Darüber hinaus scheint allgemein die Angst umzugehen, dass die Klimaforschung in den USA unter Beschuss ist.
Aus intellektueller Sicht ist es schrecklich, wenn ein Staatsoberhaupt diesen ideologischen Lackmustest durchführt und sagt, dass alles, was das Wort Klima oder Ähnliches enthalte, angegriffen werden solle. Aber gleichzeitig respektiere ich die Demokratie, und ich respektiere, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten Donald Trump gewählt haben. Wenn die Leute einen Grossteil dieser Forschung nicht mit ihren Steuergeldern finanzieren wollen, ist es nicht Sache der Forscher, zu sagen: «Das ist ein Skandal, ihr müsst mich dafür bezahlen.»
Wird diese Entwicklung Folgen für den Wissensstandort und die amerikanische Vormachtstellung in der Forschung haben?
Diesen Magneten – die Universitäten, die so viel Humankapital anziehen, Kapital, das in den USA bleibt –, den würde man natürlich beibehalten wollen. Selbst Elon Musk ist ein Einwanderer. Ich weiss also nicht, auf welcher Ebene man argumentieren könnte, dass die Einwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte begrenzt und diese Anziehungskraft geschwächt werden sollte.