Früher hiess es «Grand Hotel Europa», jetzt gehören das historische Gebäude und sein Neubau zu den «W Hotels». Ein Besuch im Prager Jugendstiljuwel.
Ein Kafka-Zitat, natürlich: «Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden», so steht es in goldenen Lettern im Hoteleingang des «W Hotel Prag», das vergangenen Herbst eröffnet wurde. Als Jungbrunnen bieten sich die mit Elementen von der Frühromantik bis in die Moderne durchsetzten Strassenzüge der tschechischen Hauptstadt förmlich an – auch das «W Hotel» ist ein Jugendstiljuwel.
Allein die Fassade mit schmiedeeisernen Balkönchen und Goldstuckelementen ist so pittoresk, sie hat ihren eigenen Eintrag auf Accidentally Wes Anderson verdient, auch wenn das Gebäude auf der Website noch unter dem Namen «Grand Hotel Europa» vorgestellt wird.
Denn die Geschichte des Gebäudes ist bewegt: Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, bis 1905 im Jugendstil umgebaut, 1912 Schauplatz der einzigen öffentlichen Lesung Franz Kafkas in Prag, ab 1924 das erste Haus am Platz mit Etagenbädern.
Vor allem aber zeugte hier 1938 ein britischer Banker von besonders viel Herzensbildung: Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg richtete Nicholas Winton im Hotel ein Büro ein, um jüdische Kinder ins rettende Ausland zu entsenden. 669 Mal gelang es ihm, seine berührende Geschichte wurde vor zwei Jahren mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle verfilmt.
Jugendstil-Grandeur trifft auf 3-D-Gedrucktes
Zuletzt recht heruntergekommen, wurde das Grand-Hotel 2013 endgültig geschlossen. Nach langjähriger Restaurierung schickt sich nun also das «W Hotel Prag» aus der Marriott-Familie an, im bewährten Hospitality-Konzept mondänen Luxus und Party-Vibes zu verbinden.
Dafür wurde dann auch geklotzt und nicht gekleckert: Jetzt dockt an die vier Etagen des historischen Gebäudes ein neunstöckiger Flügelbau im Hinterhof als Erweiterung an. 161 Zimmer und Suiten fasst die bauliche Verschränkung, und während zur Schauseite am Wenzelsplatz Entrée und Kaffeehaus in all ihrer denkmalpflegerisch aufbereiteten Jugendstil-Grandeur glänzen, poppt im Bauch des Neubaus dahinter die «W Lounge» auf, mit schwarzglänzender, plissierter Wandverkleidung aus dem 3-D-Drucker und pilzähnlichen Säulen mit Lamellen-Auskragung.
Die anschliessende Aussenterrasse in tiefer Hochhausschlucht säumt eine Brunnenanlage mit wasserspuckenden Goldhähnen unter einem Street-Art-Mural, das den «Fantastical Garden» beschwört, ein Motiv frei nach dem tschechischen Jugendstilkünstler Alfons Mucha.
Das historische Kaffeehaus und die alte Trinkhalle
Herzstück des Hotels ist und bleibt aber das Kaffeehaus, das seit über hundert Jahren Hotelgäste wie Prager Bevölkerung empfängt, inzwischen als «Le Petit Beefbar au Grand Café»: mit vergoldetem Stuck, marmorverkleideten Pfeilern, poliertem Messing, funkelndem böhmischem Glas, Intarsien in den Holzverkleidungen, das Servicepersonal in weissen Uniformen.
Fenster geben den Blick frei auf die Baustelle des neuen Trams und auf Schulklassen in gelangweiltem Trott: Laufen Sie in die linke Richtung, sind Sie vermutlich unterwegs zum Nationalmuseum, das man in wenigen Minuten erreicht. Würde man rechts abbiegen, gelangte man zuletzt immer wieder hakenschlagend durch Altstadtgassen und Menschentrauben, zur Karlsbrücke.
Ein Stockwerk tiefer bescheren gleich zwei Bars Drinks. Etwa den Cognac-basierten Cocktail Forbidden Fruit, samt kirschfarbenem Lollipop aus Mascarpone-Glace. Der Barmann verweist auf die originalen Buntglasfenster, in denen rote Früchte auszumachen sind, bereits vor über hundert Jahren befand sich unter diesem Gewölbe eine Trinkhalle.
Der Glace-Lolli verweise auf den Sündenfall, sagt der Bartender nickend – die architektonischen Details der Räumlichkeiten hätten selbst die Cocktailkarte inspiriert. Ausserdem gehöre zu jedem Drink eine philosophische Frage, als Anregung zum Gespräch, in diesem Falle: «Wann gabst du das letzte Mal der Verführung nach?» Mit einem Augenzwinkern stellt der Barkeeper klar: «Wir urteilen aber nicht.» Nun, wir schon: schön hier.
Doppelzimmer mit Frühstück ab 357 Euro inkl. Frühstück, Vaclavska Namesti 826/25, Nové Mesto, 110 00 Praha 1, Tschechien, w-hotels.marriott.com
Das «W Hotel Prag» auf einen Blick
Publikum
Menschen mit Faible für alten und neuen Glamour. Ausleben kann man diese Schwäche bestens in der 92 Quadratmeter grossen «Extreme Wow Suite» auf der 8. Etage. Eine geschwungene Rundumverglasung – die Vorhänge öffnen sich auf Knopfdruck – bietet phänomenale Ausblicke über die Stadt. Tipp: Bei der Buchung generell aufs Stockwerk achten: Je tiefer das Zimmer (im Neubau) liegt, desto höher die Gefahr, auf viel Mauerwerk zu sehen.
Design
Jugendstil-Palais meets neunstöckiges Ufo.
Extras
Unten: Tief unterirdisch mäandern Gänge zu Spa, kleinem Pool und Gym. Oben: Auf dem Dach wird mit Spannung die Dachterrasseneröffnung im Mai erwartet, davon gibt es in Prag nämlich kaum welche.
Gastronomie
Das Kaffeehaus des Hotels war schon die hundert letzten Jahre schicker Treffpunkt der Stadt. Und jetzt, mit dem an High-End-Adressen weltweit adaptierten monegassischen Bistro-Konzept des Gastronomen Riccardo Giraudi, mit «Le Petit Beefbar au Grand Café» also wieder.
Morgens gibt es Frühstück für Hotelgäste und Bevölkerung, samt Trüffel-Rührei, Chia-Pudding oder die mit Vanille- und Pistazien-Crème gefüllten Patisserien.
Danach wird bis spät in den Abend Räucherforellen-Ceviche oder das sehr beliebte «Insane Rock Corn» – Mais in Tempurateig mit scharfer Mayonnaise – serviert. Und natürlich Beefbar-Klassiker wie Steak-frites oder japanisches Wagyu.
Dieser Besuch wurde vom Hotel unterstützt.