Die Europäische Union war empört über den Ausschluss ihrer Flagge beim vergangenen Eurovision Song Contest. Jetzt darf sie wieder zu sehen sein – zumindest teilweise.
Beim Eurovision Song Contest (ESC) schwenken Fans unzählige bunte Fahnen und Flaggen der teilnehmenden Nationen. Nicht darunter ist die blaue Flagge mit gelben Sternen – jene der Europäischen Union. Denn diese wurde im vergangenen Jahr bei der Veranstaltung verboten. Das zumindest sagten mehrere Besucher auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken. Nun ist die EU-Flagge wieder erlaubt, allerdings nur teilweise.
Vorausgegangen war ein Eklat zwischen der EU-Kommission und den Veranstaltern.
Im vergangenen Jahr hate die EU-Kommission offiziell die Entscheidung bedauert, wonach EU-Flaggen beim ESC nicht erlaubt waren. Der damalige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, fand in einem emotionalen Telefonat mit «Politico» deutlichere Worte: Das Verbot helfe nur «den Feinden Europas». Grund für den Aufruhr: Viele «seiner Freunde» seien nicht eingelassen worden mit ihren EU-Flaggen. Schinas forderte damals Antworten von der Europäischen Rundfunkunion (EBU).
Der Bann hatte einen brisanten Hintergrund: 2024 hatten Tausende in Georgien mit EU-Flaggen für Demokratie demonstriert. Zudem standen die EU-Wahlen bevor. Georgiens staatlich kontrollierter TV-Sender Public Broadcaster ist Teil der EBU. Und Georgien war im vergangenen Jahr mit seinem Kandidaten im Finale. «Politico» fragte die EBU, ob sie von dem georgischen Sender dazu aufgefordert worden war, die EU-Flaggen zu verbieten. Eine Antwort blieb aus.
Ein Sprecher des ESC sagte 2024, die Regelungen zu den Flaggen in den offiziellen Bereichen seien dieselben wie im Vorjahr. Videos auf Youtube zeigen allerdings, dass im Vorjahr EU-Flaggen im Publikum zu sehen waren. Das bisherige Flaggenreglement wurde zuvor also offenbar nicht umgesetzt, oder es galten andere Regeln. Offiziell kommuniziert werden diese nicht, sondern den Delegationen direkt übermittelt, wie ein Sprecher der EBU auf Anfrage sagt.
Moments before we were forced to leave the 🇪🇺 flag at the gates of the @Eurovision Malmö Arena. Far from dividing us, it is the unifying symbol of our generation & represents our desire to live in freedom & peace. @EBU_HQ give us back our flag! #Eurovision https://t.co/hByN5gMn7K pic.twitter.com/lTSLWAVAyQ
— Dorin Frăsîneanu (@DorinFrasineanu) May 13, 2024
Der EU liess die Sache keine Ruhe. In diesem Jahr legte der maltesische EU-Kommissar für Kultur Glenn Micallef nach. «Die Europaflagge steht für unsere Werte, für unsere europäische Identität und für die Staatsbürgerschaft von fast einer halben Milliarde Menschen», sagte er. «Wenn Nationalflaggen auf die Bühne gehören, dann gehört die Europaflagge auch dazu.»
Die Hartnäckigkeit des Maltesers brachte der EU nun immerhin einen Achtungserfolg: Die EBU und die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), die in diesem Jahr den ESC gemeinsam organisieren, erlaubten nun zumindest Fans, die EU-Flagge zu dem Event mitzubringen. Künstlern bleibt es hingegen verboten, mit der Fahne der Europäischen Union aufzutreten.
Nur Flaggen teilnehmender Nationen
Nach dem Reglement der Veranstalter sind auf der Bühne nur Flaggen der teilnehmenden Nationen erlaubt. In einem Interview mit Euronews erklärte der Direktor des ESC Martin Green, dass die Künstler in den offiziellen Bereichen verpflichtet seien, «unter einer Flagge» aufzutreten. Dazu zählen neben der Bühne der sogenannte Green Room, wo sich die Künstler vor und nach ihren Auftritten aufhalten, sowie das Eurovision-Dorf und der türkisfarbene Teppich, über den die Künstler beim Eintreffen gehen. In allen anderen Bereichen hätten die Künstler aber grössere Freiheiten.
Diese Differenzierung trage dazu bei, das Eurovision-Motto «Vereint durch die Musik» aufrechtzuerhalten, sagte Green zur Begründung. Der ESC will also vereint in der Musik sein, flaggentechnisch vertritt er aber den Nationalismus.
Die SRG sagt der NZZ auf Anfrage, die offiziellen Flaggenrichtlinien 2025 hätten zum Ziel, «insbesondere für die offiziellen Veranstaltungsflächen einheitliche und transparente Regeln zu schaffen – sowohl für das Publikum als auch für die teilnehmenden Delegationen».
Für die teilnehmenden Delegationen gilt laut der Richtlinie, in offiziellen Bereichen ausschliesslich die jeweilige Nationalflagge zu verwenden.
Ausserhalb dieser offiziellen Flächen gelte für Delegationen die gleiche Regelung wie für das Publikum: Dort seien alle Flaggen erlaubt, die gemäss Schweizer Recht zulässig seien – etwa die LGBTQ-Regenbogenflagge oder auch die Palästinenserflagge. Verboten sind nach dem Schweizer Bundesgesetz Flaggen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen.
Die Fans können also vor der Bühne fröhlich Flaggen schwenken, egal welcher Couleur.