Der 17-jährige Alexander Doghmani zeigt, dass Talent allein nicht reicht, um eine Casting-Show zu gewinnen. Was es auch noch braucht, ist eine Eigenart, die man nicht nachahmen kann.
Er wirkt wie der Junge, der auf dem Pausenplatz immer abseitssteht. Oder übrigbleibt, wenn im Turnen eine Mannschaft zusammengestellt wird. Alexander Doghmani, ein 17-jähriger Teenager aus dem sächsischen Erzgebirge, gewann am Samstagabend die 16. Staffel der RTL-Casting-Show «Das Supertalent».
Da stand der junge Mann mit dem Wuschelhaar im Lichtkegel auf der Bühne, seinen schweren Körper hatte man in einen übergrossen Kittel gesteckt, dazu Hemd und ein elegant geknüpftes Foulard um den Hals – aus dem glockenhelle Töne kamen.
Alexander Doghmani sang Giacomo Puccinis «O mio babbino caro». In dieser Arie fleht eine Tochter ihren «lieben Vater» an, der Hochzeit mit ihrem Auserwählten zuzustimmen. Mit Inbrunst machte Doghmani den Wunsch der jungen Frau fühlbar. Er trieb seine Stimme in so hohe Höhen, wie es für einen 17-Jährigen, der die Pubertät hinter sich hat, erstaunlich ist.
Vermutlich sang er mit Kopfstimme. Dieter Bohlen, das Jury-Oberhaupt der Casting-Show, sagte es so: «Falls ich nochmal Modern Talking mache, buche ich dich für solche hohen Sachen sofort.»
Er sang vor Hotelgästen
Bei seinem Auftritt stand Doghmani in seinen weissen Sneakers wie angeklebt an Ort und Stelle, nur seine linke Hand bewegte sich, mit ihr gab er seinen Gefühlen Ausdruck, es war, als dirigierte er sich selbst. Die Ergriffenheit übertrug sich aufs Publikum, wie sich die Kamera mit ein paar Nahaufnahmen von glänzenden Augen vergewisserte.
Dieter Bohlen hatte Doghmani vorab prophezeit, dass er sich «ganz doll wundern würde, wenn du das Ding heute nicht reisst». Bohlen weiss, was es neben Talent auch noch braucht, um herauszustechen.
Alexander Doghmani erfüllt es in seinem ganzen Nerd-Sein und der Gestalt eines Exoten. Als er zum Sieger verkündet wurde, war er so ratlos, dass Bohlen den herabhängenden Arm des Sängers für eine Siegerpose in die Luft heben musste.
Was es also braucht neben Talent, ist eine Eigenart, die man nicht nachahmen kann. Doghmani stammt aus Altenberg in Sachsen, knapp 8000 Einwohner, seine Familie betreibt dort ein Hotel. Seine Mutter schickte das talentierte Kind schon früh zum Gesangsunterricht. Bisher ist Doghmani daheim vor Hotelgästen aufgetreten, umso nervöser sei er, vor Tausenden von Menschen zu singen, sagte er schüchtern ins Mikrofon.
Diese plötzliche Hingabe
Heute, da sich alle vor der Kamera so geschmeidig geben, erhalten die Ungeübten alle Sympathien. Man spürt ihre Angst, sich zu blamieren, und also ihre Scham auf Vorrat. Das macht sie, mit einem Allerweltswort, authentisch. Deshalb krönt man Menschen, die im Alltag wie Verlierer wirken, gerne zu Siegern. Neidlos.
So schaffte es vor fünfzehn Jahren schon Susan Boyle zu internationaler Bekanntheit. Die arbeitslose, mausgraue Schottin sang sich in der Casting-Show «Britain’s Got Talent» mit ebenfalls viel Aschenbrödel-Pathos zum Sieg.
Aber natürlich können sie auch etwas. Alexander Doghmani war beim Singen absolut konzentriert und ganz bei sich, jede Unsicherheit war verflogen. Man sah jemandem zu, der sich voll und ganz einer Sache hingibt.
Damit gewann er wohl auch das Grossmaul Bohlen, der die Kandidaten oft vor laufender Kamera verbal vernichtet. Als Doghmani in der Show zum ersten Mal vors Mikrofon trat, um sich vorzustellen, schlug sich Bohlen zwar auch noch die Hand vors Gesicht. «Du darfst keine Angst vor diesem Scheissding haben», wies er ihn an.
Solche TV-Formate zeigen dann auch, wie leicht sich die Bewunderung mit einer unangenehmen Gönnerhaftigkeit verbinden kann. Als die Mutter nach der Siegerverkündung auf die Bühne gezogen wurde und im XXL-Shirt ebenfalls etwas überfordert aussah, tätschelte die Moderatorin ihren Arm. Und Dieter Bohlen sagte zu Doghmani: «Das hast du gut gemacht. 50 000 Euro für Mama und dich!»