Der Multimillionär Bryan Johnson macht alle zwei Wochen einen: Ganzkörper-Scans im MRT sollen Krebs und andere Krankheiten erkennen, bevor sie sich bemerkbar machen. Doch Fachleute sehen den Hype kritisch.
«Wir haben die grösste Schwäche von Krebs entdeckt – frühes Erkennen.» Wow. So einfach ist das also. Wenn man die Website des amerikanischen Anbieters Ezra besucht, kommt man aus dem Staunen nicht heraus: Der Anbieter von Ganzkörper-Scans im MRT-Scanner erkennt angeblich bei sechs Prozent seiner Kunden «möglichen Krebs». Sein Scan sucht in nur einer Stunde nach über 500 Auffälligkeiten in 13 Organen. Dafür sind lediglich 2395 Dollar zu berappen, zahlbar auch in Raten. In den USA ist Ezra an 27 Standorten vertreten. Bald soll es weltweit an 34 weiteren Orten losgehen, unter anderem in Zürich. Ganz Eilige können sich bereits in eine Warteliste eintragen. Oder als Privatzahler zu einer der zahlreichen Radiologie-Praxen gehen, die hierzulande bereits auf den Zug aufgesprungen sind.
Seit der Entdeckung der Röntgenstrahlen vor 130 Jahren sind wir begeistert davon, in den menschlichen Körper hineinzuschauen. Inzwischen sind weitere bildgebende Verfahren hinzugekommen, allen voran die Magnetresonanztomografie, kurz MRT oder englisch MRI, wie sie auch Ezra anbietet. Die MRT kommt ohne schädliche Röntgenstrahlen aus, sie arbeitet mit starken, aber ungefährlichen Magnetfeldern.
Das könnte sie eigentlich zu einer perfekten Methode machen, um in einem äusserlich gesunden Körper krankhafte Veränderungen frühzeitig zu entdecken, getreu dem Motto «Vorsorge ist die beste Medizin». Aber kann die Früherkennung per MRT-Scanner auch halten, was sie verspricht?
Ganzkörper-Scans sind im Kommen – nicht nur in den USA
In Europa leisten sich bis jetzt nur wenige betuchte Klienten den Rundum-Scan. Doch in letzter Zeit schwappe der Trend zum Ganzkörper-Check aus den USA mehr und mehr zu uns herüber, sagt der MRT-Experte Florian Buck, Vorstandsmitglied der Schweizer Gesellschaft für Radiologie und Mitinhaber des Medizinisch-Radiologischen Instituts mit vier Standorten in Zürich.
Hippe Influencer posen vor Magnetröhren und bezeugen ihr phantastisches Erlebnis – oft gesponsert von Anbietern. So postet «katelove» zu Weihnachten auf Instagram: «Ich liebe die Idee der Vorsorge-Checks, anstatt erst einen Arzt zu sehen, wenn etwas schiefgegangen ist. Ein unglaubliches Geschenk für dich und für jemanden, den du liebst.» Knapp 4000 von «kateloves» Followern gaben ihr dafür ein Herzchen.
Auch Kim Kardashian und Bryan Johnson werben für den Scan
Angeblich keine Werbung ist der Instagram-Post der Influencer-Königin Kim Kardashian, die darin vor einem Gerät des Ezra-Konkurrenten Prenuvo posiert. «Es hat wirklich das Leben einiger meiner Freunde gerettet», schreibt sie. Knapp 3,4 Millionen Followern gefiel der Post. «Während das Vertrauen in Medizinautoritäten neuerdings sinkt, ist ein Kardashian-Post so viel wert wie tausend akademische Studien», kommentierte die «New York Times».
Prominentester Fürsprecher des Ganzkörper-Scans von Ezra ist der Multimillionär Bryan Johnson, der mit seinem Project Blueprint nicht weniger will, als den Tod zu besiegen. «Ich habe wahrscheinlich mehr Zeit in einem MRT-Gerät verbracht als jeder andere Mensch», sagt Johnson stolz. In den vergangenen vier Jahren seien es 25 Stunden jährlich gewesen– im Schnitt liess er sich also alle zwei Wochen in die Röhre schieben. Wer dem Gesundheits-Maniac Johnson nacheifern will, kann sich «Ezra Blueprint» leisten, einen doppelten Scan für 5995 Dollar.
MRI saved my life. It may save yours too.
I’m excited to announce the world’s best full-body MRI protocol in partnership with @ezrainc. This Blueprint MRI includes everything I’ve learned over the past four years becoming the most MRI-measured person in the world. This is me👇 pic.twitter.com/z9gMbggXBq
— Bryan Johnson /dd (@bryan_johnson) October 22, 2024
Doch so vollmundig die Werbeversprechen vom frühen Erkennen und langen Leben auch sind, so wenig haben sie mit der medizinischen Realität gemein.
Dabei erlaubt die MRT tatsächlich immer spektakulärere Einblicke in das Körperinnere, von schlagenden Herzen über ultrascharfe Detailaufnahmen bis hin zur Darstellung von Stoffwechselprozessen. «Man kann unglaubliche Dinge machen», sagt Florian Buck. Und richtig ist auch, dass sich dank diesen Fortschritten viele Krankheiten immer treffsicherer diagnostizieren lassen.
Für die Früherkennung taugt die MRT kaum
Aber: So gut die MRT als Diagnose-Werkzeug ist – zur Früherkennung nach dem Motto «Mal schauen, was wir finden» taugt sie wenig. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Je schärfer das Bild eines Körperteils sein soll, desto länger muss der Patient in der Röhre liegen. Ein Ganzkörper-Scan darf aber höchstens eine Stunde dauern, weil sich das Gewebe sonst zu stark erhitzt. Die Auflösung ist also zwangsläufig suboptimal.
- Für detaillierte Aufnahmen sind oft Kontrastmittel nötig, die man bei einem Routine-Scan wegen potenzieller Nebenwirkungen nicht einsetzen sollte.
- Bei einer Untersuchung ins Blaue ist ein auffälliger MRT-Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fehlalarm, obwohl derselbe Befund in Verbindung mit entsprechenden Beschwerden ziemlich sicher korrekt wäre. Statistiker sprechen bei diesem Phänomen von einer unterschiedlichen Vortest-Wahrscheinlichkeit.
- Dass ein auffälliger Befund ein Fehlalarm ist, stellt sich erst nach weiteren, oft gar nicht mehr so harmlosen Untersuchungen heraus. Dann ist das MRT auch kein Privatvergnügen mehr, denn die Abklärung wird meist von der Solidargemeinschaft bezahlt.
- Selbst wenn sich ein Zufallsbefund bestätigt, kann es sein, dass er nie Beschwerden verursachen würde. So wird beileibe nicht aus jedem kleinen Tumorherd ein gefährlicher Krebs. Solche Überdiagnosen machen Gesunde zu Patienten, ohne dass sie einen Nutzen davon haben.
Aufgrund all dieser Einschränkungen empfiehlt keine einzige medizinische Leitlinie den allgemeinen Body-Check per MRT. Schon 2010 kam ein Artikel im deutschen Ärzteblatt zu dem Schluss: «Ein ungerichtetes Screening ohne adäquate Indikationsstellung ist in keiner Weise zu vertreten.»
Nur in Spezialfällen trägt ein MRT zur Vorsorge bei
Selbst wenn man nicht den ganzen Körper scannt, sondern gezielt nur einzelne Organe, ist die MRT zur Früherkennung medizinisch nicht angezeigt. Zwar treten einige Fachleute vehement für die MRT zur Früherkennung von Brustkrebs ein, doch in der deutschen Leitlinie heisst es unmissverständlich: «Die Mammografie ist die einzige Methode mit gesicherter Reduktion der Krebsmortalität.» Für den Nutzen der MRT gebe es keine ausreichende Evidenz, weder als Ersatz noch als Zusatz zur röntgengestützten Mammografie.
Erst wenn man den Fokus noch enger stellt, ergibt die MRT zur Früherkennung Sinn. So rät man Trägerinnen einer Genmutation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Krebs führt, ihre Brust einmal im Jahr mit einer MRT untersuchen zu lassen. Denn hier sorgt die höhere Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine geringere Rate von Fehlalarmen. Perfekt ist die Kontrolle aber nicht: Mit enger MRT-Kontrolle sinken die Zahlen zwar, doch noch immer sterben etliche Frauen an Brustkrebs.
Obwohl ein privates Institut wie das von Florian Buck eigentlich prädestiniert dafür wäre, sich mit Ganzkörper-MRT zur Vorsorge ein goldenes Näschen zu verdienen, bieten Buck und seine Kollegen es nicht offensiv an. «Wir sind da sehr zurückhaltend. Denn die Aufgabe der Radiologie im Schweizer Gesundheitssystem ist die Abklärung von Patienten mit einer dezidierten klinischen Frage», sagt Buck. «Es ist meine ärztliche Überzeugung, dass solche Scans keinen Sinn ergeben.»
Auch der Fachverband rät ab
Mit dieser skeptischen Haltung gibt Buck auch den Standpunkt der Schweizer Gesellschaft für Radiologie wieder, in deren Vorstand er ist.
Wenn jedoch ein Klient den MRT-Check von sich aus verlangt, erhält er ihn auch im Medizinisch-Radiologischen Institut. Nach dem Ausbleiben der vermögenden Klientel aus Russland und der Ukraine komme jetzt noch ungefähr einer im Monat, so Bucks Eindruck. Wie viele Ganzkörper-MRT zur Vorsorge in der Schweiz gemacht werden, lässt sich nicht sagen. Da die Leistung privat abgerechnet wird, gibt es dazu keine offiziellen Zahlen.
Aber wer weiss. Wenn eines Tages künstliche Intelligenz die meisten der unnötigen Befunde aussortiert und auch in unscharfen Bildern noch relevante Details erkennt, könnte sich die Ganzkörper-MRT vielleicht doch noch zum geeigneten Werkzeug für eine effektive Früherkennung mausern. Stand jetzt ist sie aber sicher keines.