Die Vogelgrippe breitet sich epidemisch aus auf den Hühner- und Rinderfarmen in den USA. Millionen von Hühnern fielen ihr schon zum Opfer. Das bedroht die Existenz vieler Bauernbetriebe. Besuch bei einem betroffenen Hühnerzüchter.
166 Millionen Hühner starben in den letzten drei Jahren an der Vogelgrippe in den USA. Einer der vielen betroffenen Bauern ist Marty Thomas. Seine Geflügelfarm Kakadoodle, die er zusammen mit seiner Frau MariKate betreibt, befindet sich in Matteson, südlich von Chicago. Ihre Hühner legten 24 000 Eier pro Woche – bis vor kurzem.
2500 Hühner starben an der Vogelgrippe
«Am 12. Januar fand ich dreissig tote Hühner, als ich das Gehege am Morgen betrat. Es war sehr kalt, und ich dachte, vielleicht seien sie erfroren», berichtet er. «Aber als ich am nächsten Morgen nachschaute, lagen Hunderte von toten Tieren am Boden.» Er rief den Tierarzt an, der jedoch der Meinung war, es sei nichts Ernstes, weil das Geflügel keine Symptome gezeigt hatte. Aber als am nächsten Morgen wiederum Hunderte von Hühnern gestorben waren, informierten sie das USDA, das Landwirtschaftsministerium.
Die Angestellten betraten die Farm in Schutzanzügen. Rasch stellten sie fest, dass es sich um einen Vogelgrippe-Ausbruch handelte. 2500 Hühner waren ihm zum Opfer gefallen; es blieben nur noch 500, die die Beamten gleich vor Ort notschlachteten. «Es war verstörend, alle unsere 3000 Hühner begraben zu müssen», sagt Thomas. Die Beamten erklärten das Gebiet rund um die Hühnerställe zur Gefahrenzone, sperrten es ab und stellten Schilder auf: «Restricted Area». Es darf fünf Monate lang nicht betreten werden, und auch Hühner sind für diese Zeit verboten.
Die Kakadoodle-Farm ist zugleich ein Verteilzentrum für Bauern aus der Umgebung. Thomas, als ehemaliger Webdesigner, ist zuständig für die Online-Bestellungen und die Logistik. Von hier aus werden etwa 500 Kunden in der Umgebung mit Milchprodukten, Fleisch, Gemüse und Blumen beliefert. Die USDA-Beamten entschieden, der Lagerraum des Zentrums, der sich auch auf der Farm befindet, müsse aus Sicherheitsgründen ebenfalls geschlossen werden.
Thomas erklärte ihnen, dass diese Massnahme nicht nur ihn, sondern auch all die Bauern in der Umgebung ruinieren würde, und sie fanden glücklicherweise eine Lösung, so dass sie den Betrieb aufrechterhalten können.
Die Risiken eines Biobetriebs
Dass Thomas überhaupt zum Hühnerzüchter wurde, hatte mit einem Schicksalsschlag zu tun. Vor sechs Jahren erkrankte er am Non-Hodgkin-Lymphom, einem Lymphdrüsenkrebs. «Man erklärte mir, dass Glyphosat, ein Pestizid, das oft in der Landwirtschaft verwendet wird, mitverantwortlich sein könnte.» Da begann er sich für Gifte in Nahrungsmitteln zu interessieren, und als er den Krebs überwunden hatte, entschied er sich zusammen mit seiner Familie für einen Neustart in biologischem Landbau.
Thomas vermutet, dass der Ausbruch der Vogelgrippe auf seinem Hof auf wildlebende Vögel zurückging, die die Hühner ansteckten, indem sie ihren Kot in das Futter des Geflügels fallen liessen. Die traurige Ironie an der Geschichte ist, dass er meinte, sein Biobetrieb – ohne Chemikalien und Antibiotika – sei vor der Vogelgrippe besser geschützt als einer mit Massentierhaltung. Aber ausgerechnet der Auslauf, die naturnahe Produktion unter freiem Himmel und der Kontakt mit den Vögeln entpuppten sich als Risiko. In drei Monaten will er neue Hühner kaufen. Der Auslauf wird bleiben, aber fressen werden die Hühner unter Dach, geschützt vor den Vögeln.
Auf der Crowdfunding-Plattform GoFundMe konnten sie in kurzer Zeit Geld sammeln, das der Familie mit den vier Kindern hilft, in der Zwischenzeit über die Runden zu kommen und einen neuen Futterplatz für die Hühner zu bauen.
«Wie ein Coiffeur, der ein Auto reparieren soll»
Die gegenwärtige Vogelgrippe brach in Amerika vor drei Jahren aus. Doch dann, im Februar 2024, tauchte das H5N1-Virus überraschend in Milchkühen auf. Inzwischen haben sich etwa siebzig Amerikaner angesteckt, und dieses Jahr starb zum ersten Mal ein Mensch in den USA wegen einer Infizierung. Allein im Januar wurden in den USA 23 Millionen Hühner notgeschlachtet.
Bis jetzt macht sich die Vogelgrippe für den durchschnittlichen Amerikaner vor allem durch die hohen Preise für Eier bemerkbar. Sie haben sich in den letzten drei Jahren mehr als verdreifacht. Aber die Folgen der Epidemie könnten laut Experten dramatischer werden. Zwar seien bis jetzt nur Bauern angesteckt worden, die in direktem Kontakt mit kranken Tieren gestanden seien, sagt Pablo Penaloza-MacMaster, Professor in der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie an der Northwestern University in Chicago. Aber die Gefahr, dass sich das Virus mit anderen Grippeviren verbinde, mutiere, auf den Menschen überspringe und dann auch zwischen Personen weiterverbreitet werde, sei real. «Dann wäre auch eine Pandemie möglich», sagt der Experte. «Deshalb sind proaktive Überwachung und Vorbereitungen für den Ernstfall essenziell.»
Die USA sind laut Penaloza-MacMaster besonders von der Vogelgrippe betroffen, weil die Geflügelindustrie riesig ist und viele Migrationsrouten der Vögel über das Land führen. Aber es sei gut möglich, dass das Virus auch in anderen Ländern grassiere, die epidemische Ausbrüche auf Geflügelhöfen weniger gut überwachten. Umso wichtiger sei es, die Entwicklung international zu verfolgen. Die Tendenz der Regierung gehe gegenwärtig jedoch in die gegenteilige Richtung, sagt er.
Vor allem der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht ihm Sorgen. «Aber auch viele Forschungsprogramme zu Infektionskrankheiten und Impfungen werden gegenwärtig gestrichen», sagt er. «Das zögert die Entwicklung von präventiven Massnahmen und lebensrettenden Medikamenten hinaus.» Besonders unverständlich findet er die Ernennung des Impfskeptikers Robert F. Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister. «Den Umgang mit Infektionskrankheiten einem Politiker ohne Fachwissen anzuvertrauen, ist, wie einen Coiffeur zu bitten, ein Auto zu reparieren», sagt er. Sorgen machen ihm auch die Budgetkürzungen und Entlassungen von über tausend Wissenschaftern an Forschungseinrichtungen wie den National Institutes of Health (NIH) im Bereich der Biomedizin oder an den Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Weniger Hilfe für die Bauern unter Trump
Im Februar versuchte die Regierung, Vogelgrippe-Experten zurückzuholen, die im Rahmen von Elon Musks «Effizienzprogramm» aus dem Landwirtschaftsministerium entlassen worden waren – weil man realisierte, dass sie angesichts der Epidemie unerlässlich waren. Aber oft dominiert immer noch politisch motivierte Abwiegelung.
So warf der Handelsminister Howard Lutnick kürzlich der Biden-Regierung vor, zu viele Hühner getötet zu haben und deshalb für die Eierknappheit und die hohen Preise verantwortlich zu sein. Das stösst bei vielen Bauern auf offene Ohren, die aus Angst um ihren Betrieb Vogelgrippe-Ausbrüche verschweigen, um eine mehrmonatige Quarantäne und damit verbundene Einbussen zu vermeiden. Die Experten hingegen sind sich einig, dass es angesichts der Gefahr einer Pandemie nicht weniger, sondern mehr Kontrolle, Transparenz und Aufklärung brauche – und Hilfsgelder für die Bauern, damit sie Vogelgrippefälle nicht aus Existenzangst vertuschten.
Zwar hat das Landwirtschaftsministerium Ende Februar angekündigt, zusätzlich 1 Milliarde Dollar aufzuwenden, um die Folgen der Epidemie für die Bauern abzufedern. Der Ökobauer Marty Thomas rechnet mit je 5 Dollar für 500 notgeschlachtete Hühner. Aber 2500 Dollar könnten die Einkommenseinbusse aufgrund der monatelangen Quarantäne nicht wettmachen.
Soeben erreichte ihn eine neue Hiobsbotschaft. Nachdem ihm im Oktober im Rahmen des Resilient Food System Infrastructure Program ein Bundeszuschuss von 220 000 Dollar in Aussicht gestellt worden war, erhielt er letzte Woche die Nachricht, aufgrund von Trumps Sparprogrammen sei der Beitrag gestrichen worden.