Kurz vor der Debatte mit Donald Trump veröffentlicht Kamala Harris ihr Wahlprogramm. Mit ihrem «neuen Weg vorwärts» führt sie Joe Bidens Politik fort. Die Demokratin will die Reichen zur Kasse bitten, die Waffengesetze verschärfen und Trump vor Gericht sehen.
Vizepräsidentin Kamala Harris musste in nur wenigen Wochen eine eigene Wahlkampfstrategie auf die Beine stellen. Am Parteitag im August bezeichnete sie ihre politische Vision als «neuen Weg vorwärts». Doch ein umfassendes Programm mit ihren inhaltlichen Standpunkten präsentierte sie nicht. Ihre Positionen erklärte sie bei ihren Wahlkampfauftritten bisher nur in Bruchstücken.
Kurz vor der ersten Fernsehdebatte mit Donald Trump am Dienstag schaltete Harris auf ihrer Website jedoch ein Wahlprogramm auf. Auch dieses trägt den Titel «ein neuer Weg vorwärts». Doch bereits beim ersten Punkt – der Wirtschafts- und Steuerpolitik – wird klar: Ihr Weg wurde weitgehend von Präsident Joe Biden vorgezeichnet. Die Grundidee bleibt die gleiche: Steuergeschenke und Subventionen für die breite Bevölkerung, Steuererhöhungen für die Reichen und die grossen Unternehmen.
Geschenke für die breite Masse
Die 2017 unter Präsident Trump verabschiedeten Steuersenkungen laufen 2025 aus. Unter anderem reduzierte das Gesetz den Unternehmenssteuersatz von 35 auf 21 Prozent. Trump möchte diese Steuern für Firmen, die in Amerika produzieren, noch weiter bis auf 15 Prozent senken. Harris hingegen will die Unternehmenssteuern auf 28 Prozent anheben. Das Gleiche gilt auch für die Kapitalgewinnsteuer für Personen mit einem Einkommen von über einer Million Dollar.
Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen von Unternehmen und Gutverdienern möchte Harris verschiedene Steuergeschenke für den Mittelstand finanzieren. Unter anderem verspricht Harris, die Steuervergünstigungen für Familien mit Kindern auszubauen. Eltern mit einem neugeborenen Kind etwa sollen einen Abzug von 6000 Dollar erhalten. Um gleichzeitig die Wohnungsnot zu lindern, sollen Personen, die sich erstmals ein Eigenheim kaufen, zudem einen Betrag von 25 000 Dollar bekommen.
Mit Steueranreizen will die demokratische Vizepräsidentin überdies auch kleinere und mittlere Unternehmen stärken. Dabei soll der Steuerabzug für neugegründete Firmen von 5000 auf 50 000 Dollar angehoben werden. Um Arbeiterfamilien zu entlasten, verspricht Harris mit einem Gesetz gegen die angebliche Preistreiberei von Lebensmittelgeschäften vorzugehen. Um die Gesundheitskosten zu senken, will Harris die grossen Pharmaunternehmen in Verhandlungen zu weiteren Senkungen ihrer Medikamentenpreise zwingen. Bidens Regierung ist dies etwa beim Insulin gelungen. Harris möchte sich aber auch dafür einsetzen, dass die Schulden für medizinische Behandlungen vermehrt gestrichen werden.
Die von Harris geplanten Steuererhöhungen dürften ihre Geschenke an die Steuerzahler kaum finanzieren können. Gemäss unterschiedlichen Schätzungen würde das Defizit in den nächsten zehn Jahren um 1,4 Billionen Dollar anwachsen. Allerdings gehen die Experten davon aus, dass die von Trump in Aussicht gestellten Steuersenkungen den Schuldenberg noch schneller wachsen lassen würden: um 3,6 bis 6,6 Billionen Dollar.
Harris sucht die Mitte
Wenig überraschend will Harris auch in der Energiepolitik den von Biden eingeschlagenen Mittelweg fortführen. Die Vizepräsidentin hatte sich 2019 für ein Fracking-Verbot ausgesprochen. Nun aber verspricht sie, den Klimawandel zu bekämpfen, aber sich auch für tiefe Energiekosten und eine unabhängige Energieversorgung einzusetzen. Ganz ähnlich ist Harris auch in der Einwanderungspolitik in die Mitte gerückt. Sie will die im Vorjahr vom Senat ausgehandelten Verschärfungen im Asylgesetz unterzeichnen, aber verlangt für papierlose Zuwanderer auch einen Weg zur Staatsbürgerschaft.
Im Gegensatz zu Trump will sich die Demokratin für ein landesweites Recht auf Abtreibung und schärfere Waffengesetze einsetzen. Unter anderem fordert Harris ein Verbot von Sturmgewehren und grossen Magazinen. Gerade zu aussenpolitischen Fragen bleibt das Wahlprogramm jedoch vage. Harris verspricht zwar, stets an der Seite der amerikanischen Verbündeten zu stehen und Diktatoren die Stirn zu bieten. Aber zum Krieg in der Ukraine formuliert sie keinerlei Ziele oder Visionen.
Jedes Kapitel ihres Wahlprogramms vergleicht Harris auf ihrer Website auch mit Trumps Standpunkten. Dabei warnt die Demokratin unter anderem vor einer Rezession, sollte der Republikaner die Wahl gewinnen und sein protektionistisches Wirtschaftsprogramm umsetzen. Trump selbst indes dürfte vor allem ein Punkt in den Wahlversprechen seiner Kontrahentin beunruhigt haben: Harris werde dafür kämpfen, dass kein ehemaliger Präsident eine Immunität für im Weissen Haus begangene Verbrechen geniesse, heisst es in ihrem Wahlprogramm.