Acht EU-Länder fordern, das Verhältnis zum syrischen Regime zu normalisieren. Sie wollen so den Weg für die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge ebnen. Dabei auf den Diktator von Damaskus zu setzen, ist jedoch zum Scheitern verurteilt.
Einen neuen «realistischen und nachhaltigen Ansatz» in der Syrien-Politik – das verlangen acht europäische Aussenminister. Die bisherige Politik gegenüber dem Regime von Bashar al-Asad müsse überprüft werden «ohne Scheuklappen und ohne Denkverbote», fordern der Österreicher Alexander Schallenberg und der Italiener Antonio Tajani, die die Initiative vor dem jüngsten Aussenministertreffen am Montag lanciert haben. Unterstützt werden sie von Griechenland, Kroatien, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Zypern.
«Wir müssen als Europäer endlich einsehen, dass es in Syrien keine Lösung ohne Asad geben wird», sagte Schallenberg in einem Interview mit der «Welt». Worum es ihm vor allem geht, machte er dabei klar: eine Rückführung der Syrer aus Europa in ihr Heimatland. Der Aufstand der Opposition in Syrien sei gescheitert, Asad sitze wieder fest im Sattel, sagte Schallenberg. Die arabischen Nachbarn hätten diese Realität anerkannt und ihr Verhältnis zu Asad normalisiert.
Nun ist es verständlich, nach einer Möglichkeit für die Rückkehr der Flüchtlinge zu suchen. Es war nie die Idee, dass sie dauerhaft in Europa bleiben. Auch ist es nicht falsch, die eigene Politik zu überprüfen. Tatsächlich hat sich die Lage in Syrien in den letzten Jahren verändert. Die Hoffnung der Europäer, durch die Unterstützung der Opposition Asad zu stürzen, hat sich nicht erfüllt. Auch die westlichen Sanktionen haben den Diktator nicht in die Knie gezwungen. Die Verhandlungen in Genf über eine politische Lösung sind schon vor Jahren gescheitert.
Der Krieg ist nicht vorbei, sondern nur eingefroren
Daraus zu folgern, dass der Krieg vorbei und das Land stabilisiert sei, wäre jedoch falsch. Der Konflikt ist nur eingefroren, gelöst ist er nicht. Asad mag heute dank der Unterstützung der russischen Luftwaffe und der iranischen Revolutionswächter wieder 70 Prozent des Landes kontrollieren, doch er herrscht über ein Land in Trümmern, das am Rande des wirtschaftlichen Kollapses steht. Politische Morde, Entführungen und Anschläge bleiben an der Tagesordnung.
Noch immer zählt die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte Monat für Monat Hunderte Tote – im Juni waren es 234. In den Weiten der Badia-Wüste verüben die Zellen der Terrormiliz IS wieder vermehrt Anschläge und Überfälle. Laut dem Syrien-Experten Charles Lister gab es in der ersten Jahreshälfte 397 IS-Angriffe in Syrien, mehr als doppelt so viele wie in den sechs Monaten zuvor. Auch die amerikanische Armee warnte kürzlich vor einem Wiedererstarken des IS.
Das Land bleibt aufgeteilt in Einflusszonen. Der Nordosten jenseits des Euphrat wird von kurdisch-arabischen Milizen beherrscht, in der Region Idlib im Nordwesten hat das Jihadistenbündnis HTS das Sagen. Entlang der Grenze zur Türkei hat Ankara ein Protektorat eingerichtet, in dem sich die letzten Reste der Rebellen versammelt haben. Und die Iraner sind auf Dutzenden Stützpunkten im ganzen Land präsent – sehr zum Ärger Israels, das regelmässig Luftangriffe auf sie fliegt.
Ein Wiederaufflammen des Krieges ist jederzeit möglich
Es hat sich ein prekäres Gleichgewicht in Syrien etabliert, doch kann es jederzeit kippen. Die Türkei wird nur durch die Präsenz der Russen und Amerikaner im Nordosten davon abgehalten, eine neue Offensive auf die Kurdenmilizen zu starten, die Ankara wegen ihrer engen Verbindungen zur PKK-Guerilla als Bedrohung betrachtet. Nur die türkischen Truppen rund um Idlib wiederum verhindern, dass Asad einen neuen Angriff auf die letzte Rebellenbastion lanciert.
Ein Wiederaufflammen der Kämpfe in Idlib oder im Nordosten dürfte eine neue Flüchtlingswelle zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund scheut der Grossteil der 5,8 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei, Libanon und Jordanien weiterhin eine Rückkehr. Dies liegt auch daran, dass Regimekritikern unter Asad noch immer Inhaftierung, Folter und Mord drohen. Hunger, Armut und der Mangel an Perspektiven treiben derweil weiter zahlreiche Syrer zur Emigration.
Ist es dieser Situation realistisch, mit dem Diktator in Damaskus ein Abkommen zur Rückführung syrischer Flüchtlinge aus Europa zu schliessen? Bevor die Europäer mit ihm in Verhandlungen treten können, müssten sie ihre diplomatischen Beziehungen mit Damaskus retablieren und die seit 2011 verhängten Sanktionen aufheben. Asad müsste seinerseits weitreichende Sicherheitsgarantien geben, damit eine Rückführung mit dem Recht der EU-Staaten vereinbar ist.
Asad hat den Besitz der Flüchtlinge längst neu verteilt
Doch Asad hat gar kein Interesse daran, Hunderttausende mehrheitlich regimekritische Syrerinnen und Syrer aus Europa zurückzuholen. Ihre Rückkehr würde nicht nur das prekäre Machtgleichgewicht gefährden. Es widerspräche auch den finanziellen Interessen des Regimes. Es hat den Land- und Immobilienbesitz der Flüchtlinge längst an seine Anhänger verteilt. Wie in dieser Situation die Syrer zur freiwilligen Rückkehr bewegt werden könnten, ist unklar.
Auch sollte Schallenberg und Tajani das Beispiel der arabischen Staaten eine Warnung sein. Sie haben im vergangenen Jahr Asad zurück in die Arabische Liga gelassen. Ihre Forderungen an Asad, im Gegenzug den Export der Droge Captagon einzudämmen, die seit Jahren die Golfstaaten überschwemmt, blieben aber ungehört. Asad braucht die Drogenexporte, um sein bankrottes Regime zu finanzieren. Die Flüchtlinge braucht er nicht. Die Chancen, mit ihm in dieser Frage zu einer Verständigung zu kommen, erscheinen gering.







