Die Atomverhandlungen mit Iran sind in eine Sackgasse geraten. Droht nun eine nukleare Aufrüstung des Landes oder gar ein militärischer Schlagabtausch? Ein Überblick über die Ursprünge der Konfrontation und die jüngsten Ereignisse.
Die neusten Entwicklungen
- Iran lehnt Verhandlungen mit der neuen amerikanischen Regierung ab. Die oberste politische Autorität des Landes, Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei, hat die Idee von Verhandlungen mit der Administration Trump am 7. Februar als unklug bezeichnet. Khamenei wies damit die von Trump kurz zuvor ausgesandten Signale einer amerikanischen Verhandlungsbereitschaft auf schroffe Weise zurück. Irans Haltung hat sich damit deutlich verschärft, nachdem der als reformfreundlich geltende Präsident Masud Pezeshkian über Monate hinweg Offenheit für einen Dialog gezeigt hatte. Khamenei ist jedoch der entscheidende politische Schiedsrichter im Teheraner Regime. Er begründete seine Haltung damit, dass es Trump gewesen war, der 2017 das internationale Atomabkommen mit Iran torpediert hatte. Khamenei sagte bei einer Ansprache vor Offizieren des Landes, dass die Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen seien.
- Iran steigert die Herstellung von fast atomwaffentauglichem Uran. Teheran habe der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) Pläne für einen drastischen Produktionsanstieg mitgeteilt und schon erste Schritte unternommen, teilte der IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi am Freitag (6. 12.) mit. Schon bisher stellte Iran Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent her. Gemäss Irans jüngsten Plänen kann die Produktionskapazität für 60-prozentiges Uran von 4,7 Kilogramm auf über 34 Kilogramm pro Monat gesteigert werden. Vielen Staaten bereitet dies Sorge, da solches Material in kurzer Zeit auf waffentaugliche 90 Prozent angereichert werden könnte.
- Iran droht mit Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. Einen solchen Schritt brachte Vizeaussenminister Majid Takht-Ravanchi bei einem Treffen mit Vertretern aus Deutschland, Frankreich und Grossbritannien Ende November in Genf zur Sprache, und zwar als mögliche Reaktion auf die Wiedereinführung von Uno-Sanktionen gegen das Land. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Isna unter Berufung auf den Sprecher der Kommission für nationale Sicherheit des iranischen Parlaments, Ebrahim Resai. Das Atomabkommen von 2015 mit Iran sieht die Möglichkeit vor, dass diese drei europäischen Staaten die damals eingefrorenen Uno-Sanktionen reaktivieren können.
Hintergrund
Seit den siebziger Jahren steht Iran im Verdacht, unter dem Deckmantel der zivilen Kernenergienutzung nach Atomwaffen zu streben. Diese Besorgnis verstärkte sich nach der Jahrtausendwende, als in dem Golfstaat mehrere heimlich errichtete Nuklearanlagen entdeckt wurden. Iran wäre als Mitglied des Atomwaffensperrvertrags verpflichtet gewesen, diese militärisch nutzbaren Anlagen zu deklarieren.
Untersuchungen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) und Analysen von Nuklearexperten lassen wenig Zweifel daran, dass Iran mit dem sogenannten Amad-Plan zumindest zeitweise ein Atomwaffenprogramm verfolgt hat. Wie weit es gedieh und ob das Regime in Teheran sich je grundsätzlich davon distanziert hat, ist nicht völlig klar. Die IAEA scheiterte bei ihren Anstrengungen, auf zentrale Fragen befriedigende Antworten der iranischen Behörden zu erhalten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten kann die Kontrollbehörde deshalb nicht bestätigen, dass Irans Atomenergieprogramm ausschliesslich friedliche Zwecke verfolgt.
Das von Vertuschung und Hinhaltetaktik gekennzeichnete Vorgehen Irans legt den Schluss nahe, dass das islamistische Regime zumindest die technologische Fähigkeit erlangen will, Atomwaffen bei Bedarf sehr schnell herstellen zu können. Zu diesem Zweck hat sich das Land das Know-how verschafft, waffenfähiges Spaltmaterial mit dem Verfahren der Urananreicherung herzustellen.
Das nach jahrelangen Uno-Sanktionen und zähen Verhandlungen 2015 abgeschlossene Abkommen mit Iran über eine Begrenzung des Atomprogramms weckte vorübergehend die Hoffnung, Iran auf diesem gefährlichen Kurs stoppen zu können. Teheran verpflichtete sich, während 10 bis 15 Jahren die Urananreicherung stark einzuschränken und strengen Kontrollen durch internationale Inspektoren zu unterstellen. Im Gegenzug wurden die ausländischen Wirtschaftssanktionen – sowohl der Uno als auch der USA und der EU – eingefroren.
Das Atomabkommen von 2015 war ein Kompromiss, der sich jedoch bald als nicht tragfähig erwies. 2018 stiegen die USA während der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump aus der Vereinbarung aus und verhängten wieder Wirtschaftssanktionen; ab dem folgenden Jahr setzte sich auch Iran schrittweise über die Abmachungen hinweg und forcierte die Herstellung von nuklearem Spaltmaterial.
2021, nach der Wahl Joe Bidens zum amerikanischen Präsidenten, kamen zwar in Wien Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Abkommens in Gang. Diese gerieten jedoch schnell in eine Sackgasse. Die USA und ihre westlichen Partner werfen Iran vor, eine faire Kompromisslösung verworfen zu haben. Vor dem Hintergrund der verschärften Repression in Iran seit dem Herbst 2022 besteht in den USA erst recht keine Bereitschaft mehr, dem Teheraner Regime stärker entgegenzukommen. Im Atomstreit ist damit keinerlei Lösung in Sicht.
Eine militärische Lösung – Luftangriffe Israels oder der USA auf Irans Atomanlagen – gilt ebenfalls als wenig wahrscheinlich. Das Risiko einer grösseren kriegerischen Auseinandersetzung wäre erheblich und schreckt die derzeitige Regierung in Washington ab. Zudem ist unklar, ob die Bombardierung der tief verbunkerten Anlagen Irans Atomprogramm mehr als nur um einige Monate oder Jahre zurückwerfen könnte.
Von Beginn weg gab es in den USA starke Vorbehalte gegenüber der Vereinbarung. Erstens stellte sie für Iran kein Hindernis dar, seine Machtstellung in der Region auszudehnen. Washington sieht die Islamische Republik als feindliche Macht, die in Syrien, im Irak oder in Jemen gegen die Interessen der Amerikaner und der wichtigen Verbündeten Israel und Saudiarabien arbeitet. Wegen seiner Unterstützung für den libanesischen Hizbullah, die palästinensische Hamas und andere Gruppen steht Iran seit langem auf der amerikanischen Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützen.
Zweitens schränkte das Atomabkommen Iran nicht wirksam bei der Entwicklung ballistischer Raketen ein; solche Raketen könnten dereinst als Träger von Atombomben auch Europa und die USA bedrohen. Drittens krankte das Abkommen von Anfang an daran, dass es keine dauerhafte Lösung bot; zentrale Einschränkungen des Atomprogramms galten nur für ein Jahrzehnt. Damit bewahrten sich die Iraner die Option, längerfristig auf den Bau von Atombomben zu setzen.
Der Republikaner Trump forderte nach seinem Amtsantritt 2017 daher eine Revision des unter seinem demokratischen Vorgänger Barack Obama ausgehandelten Abkommens. Als dies misslang, setzte er die suspendierten Wirtschaftssanktionen wieder ein und verhängte neue. Erwartungsgemäss stieg in der Folge auch Iran aus dem Abkommen aus. Nach dem neuerlichen Machtwechsel im Weissen Haus 2021 sah sich der Demokrat Biden mit der schwer lösbaren Aufgabe konfrontiert, Iran erneut zu einer Beschränkung seines Atomprogramms zu bewegen. Das war schwieriger als 2015, da Iran inzwischen technologisch viel weiter bei der Anreicherung von Uran war. Biden gab schnell auf. Trump hat nach seiner Rückkehr ins Weisse Haus 2025 die Bereitschaft zu neuen Verhandlungen angedeutet, aber noch keine konkreten Schritte in diese Richtung unternommen.
Die entscheidende Hürde beim Bau einer Atombombe besteht darin, genügend nukleares Spaltmaterial zu beschaffen. Dabei handelt es sich um radioaktive Isotope, die nach dem Zünden der Bombe im Rahmen einer nuklearen Kettenreaktion zerfallen und dadurch gewaltige Energiemengen freisetzen. Als Spaltmaterial geeignet sind in erster Linie Plutonium sowie Uran-235. Plutonium kann durch die Aufarbeitung von Nuklearbrennstäben aus Schwerwasserreaktoren gewonnen worden, Uran-235 durch die Verarbeitung von natürlichem Uran. Beide Wege zur Atombombe hat Iran erkundet. Entsprechend zielte die Atomvereinbarung von 2015 darauf ab, sowohl den Bau des Schwerwasserreaktors von Arak zu stoppen als auch enge Grenzen bei der Anreicherung von Uran zu setzen.
Mit der Anreicherung von Uran werden spaltbare Isotope für die Herbeiführung einer nuklearen Kettenreaktion gewonnen. Das Isotop Uran-235 findet sich in natürlichem Uran nur mit einem Anteil von 0,7 Prozent. Der grosse Rest besteht aus nicht spaltbarem Uran-238, dessen Kern über drei zusätzliche Neutronen verfügt. Bei der Anreicherung geht es darum, den Anteil von spaltbarem Uran zu erhöhen. Für den Einsatz in Atomkraftwerken genügt eine leichte Anreicherung auf rund 3,5 Prozent, für Atomwaffen ist jedoch ein Anreicherungsgrad von 90 Prozent erforderlich. Das heisst, dass 9 von 10 Uranatomen in einer entsprechenden Bombe Uran-235-Isotope sein müssen.
Iran setzt bei der Anreicherung das sogenannte Gaszentrifugen-Verfahren ein. Bei dieser Technologie wird Uran zunächst in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt. Das Gas wird danach in sehr schnell rotierende, zylinderförmige Zentrifugen eingeführt. Wegen der unterschiedlichen Atommasse lagern sich die Moleküle mit den leichteren Uran-235-Isotopen entlang der Achse der Zentrifugen an und können dadurch von den übrigen Uranmolekülen separiert werden.
Im Rahmen des Atomabkommens von 2015 war Iran die Anreicherung nur noch in engen Grenzen erlaubt:
- Mit einer begrenzten Zahl von Uranzentrifugen älterer Bauart (5060 Stück des Modells IR-1, das auf Technologie aus den siebziger Jahren zurückgeht)
- Nur in geringen Mengen (Gesamtbestand von weniger als 300 Kilogramm Uranhexafluorid)
- Höchstens bis zu einem Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent (schwach angereichertes Uran, wie es für Brennstäbe in Kernkraftwerken genutzt werden kann)
Diese Begrenzungen anerkennt Iran nicht mehr, und es verstösst gegen alle drei. So begann Iran Anfang Januar 2021 nach siebenjährigem Unterbruch wieder mit der Produktion von höher angereichertem Uran. Zunächst erfolgte die Anreicherung auf 20 Prozent, später sogar auf 60 Prozent. Diese Produktion geschieht unter anderem in der Nuklearanlage von Fordo, die sich tief unter dem Erdboden befindet und durch Flugabwehrstellungen militärisch gesichert ist. Spaltmaterial mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent gilt als besonders heikel, weil es keinen Nutzen für Irans Kernkraftindustrie hat und beinahe an waffenfähiges Uran herankommt.
In dieser Situation wächst das Risiko einer Konfrontation und nehmen die Befürchtungen über eine atomare Aufrüstung Irans zu. Es besteht die Gefahr, dass Iran eines Tages die Inspektoren der Internationalen Atomenergieagentur des Landes verweist und mit der Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial beginnt. Ein solcher «Sprint» in Richtung Atombombe wäre dank den wachsenden Uranbeständen möglicherweise so schnell, dass dem Ausland nicht genügend Zeit für eine energische Gegenmassnahme bliebe.
Die Ausgangslage hat sich stark verändert, seit Iran auch über Uran mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent verfügt, das sich mit geringem Aufwand in Uran für eine Atombombe umwandeln liesse. Die Vorräte dürften weiterhin stark steigen, da Teheran nun eine wachsende Zahl von wesentlich leistungsfähigeren Uranzentrifugen einsetzt. Westliche Experten schätzen, dass die modernsten Modelle, die Typen IR-6 und IR-8, Uran 7 bis 11 Mal schneller anreichern als der früher hauptsächlich eingesetzte Typ IR-1.
Dies wirft die Frage auf, wie schnell Iran das für eine Atombombe nötige Spaltmaterial herstellen könnte. Diese Zeitspanne wird als «Breakout»-Dauer bezeichnet; nicht eingerechnet sind dabei die anschliessende Umwandlung in Uranmetall und die Herstellung eines fertigen Nuklearsprengkopfs. Das Institute for Science and International Security (Isis), ein Washingtoner Think-Tank, veranschlagte die «Breakout»-Dauer schon im November 2019 mit 6 bis 10 Monaten. Diese Zeitspanne sank in der Folge, je stärker Irans Uranvorräte wuchsen. Im Februar 2021 wurde sie nur noch auf 3 Monate geschätzt. Inzwischen ist die «Breakout»-Zeit laut dem Institut auf null gesunken, da Iran nun über genügend 60-prozentiges Uran verfüge, um damit notfalls eine einfache Bombe herstellen zu können, ohne auf 90 Prozent anzureichern.
Falls Iran Uran auf den für Atombomben üblichen Grad von 90 Prozent anreichern will, so könnte es laut dem Isis das nötige Spaltmaterial für eine erste Bombe innerhalb einer Woche herstellen. Die Uran-Vorräte und Anreicherungsanlagen würden ausreichen, um innerhalb eines Monats das Material für fast zehn Bomben zu gewinnen.
Wie die USA mit diesem Damoklesschwert umgehen wollen, ist unklar. Präsident Donald Trump hat wie sein Vorgänger Joe Biden keine Strategie gegen Irans atomare Drohkulisse vorgelegt. Gleichzeitig spürt das Teheraner Regime unter dem Revolutionsführer Ali Khamenei und dem 2024 gewählten Präsidenten Masud Pezeshkian keinen massiven Druck, seinen Kurs zu korrigieren. Angesichts der Schwächung der iranischen Verbündeten Hamas und Hizbullah, des Umsturzes in Syrien und der wiederholten israelischen Luftangriffe auf iranische Militäranlagen dürfte die nukleare Abschreckung für das Regime in Teheran sogar noch an Bedeutung gewonnen haben.
Iran hat sich faktisch zum Atomwaffen-Schwellenstaat entwickelt und damit ein wichtiges machtpolitisches Ziel erreicht. Selbst wenn der letzte Schritt zum Bau der Bombe noch nicht erfolgt, verfügt das Land bereits jetzt über das Material dafür, besitzt die notwendige Technologie und – mit seinen ballistischen Raketen – auch das Transportmittel zum Einsatz. In einer Krise könnte sich Iran relativ schnell offen zur Atomwaffenmacht erklären. Allein schon dieses Potenzial verleiht dem Land erhebliches Gewicht als Akteur in der Region.