Der Chef der Deutschen Börse Theodor Weimer hat an der Politik von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein gutes Haar gelassen. Kritiker werfen ihm jetzt vor, dadurch Rechtsradikale gestärkt zu haben.
Grössen der deutschen Wirtschaft liessen es schon bisher nicht an Regierungskritik fehlen. So mahnte BASF-Chef Martin Brudermüller im April, dass Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten bleibe. Der anfängliche Spirit der Regierung, das eigene Ego und die eigene Partei zurückzustellen und nach dem Interesse des Landes zu fragen, sei leider nicht mehr da, sagte Brudermüller im Gespräch mit der NZZ.
Doch wohl noch keine Wortmeldung entfaltete eine ähnliche Durchschlagskraft wie die Theodor Weimers, des scheidenden Chefs der Deutschen Börse. Das dürfte an der drastischen Wortwahl und düsteren Prognose gleichermassen liegen.
Deutschland sei zum «Ramschladen» geworden
In einem sich seit einigen Tagen verbreitenden Mitschnitt seiner Rede beim Wirtschaftsrat Bayern Mitte April sieht Weimer Deutschland «ökonomisch gesprochen» auf dem Weg zum Entwicklungsland. Das Ansehen des Landes bei internationalen Investoren sei so gering wie nie. Diese würden nur noch investieren, weil es in Deutschland billig sei. Die Bundesrepublik sei zum «Ramschladen» geworden.
Besonders hart ging Weimer mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Gericht. «Ich hatte inzwischen mein 18. Treffen mit unserem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck hinter mir und ich kann Ihnen sagen, es ist eine schiere Katastrophe.»
Die Kritik an der Kritik liess nicht lange auf sich warten. Der scheidende grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer empfahl der Politik, Weimer künftig zu schneiden. «Mit einem CEO, der so voller Verachtung für die demokratische Legitimität einer Politik unterwegs ist, die ihm nicht passt, muss sich kein Minister, Staatssekretär oder Abgeordneter treffen», schieb er auf der Plattform X.
Bütikofer bezog sich damit wohl auf die Passage in Weimers Rede, in der er davon sprach, dass sich die deutsche Wirtschaft klein vor Brüssel und Berlin mache, also EU und Bundesregierung. Weimer stellte dem Begegnungen mit Wirtschaftsführern in den USA gegenüber. Diese forderten Deutschland dazu auf, eine «private economy» statt einer «public economy» zu sein. «In den USA sagen die: Ist doch egal, welcher alte Mann Präsident wird. Wir als Unternehmer, wir führen das Land.»
Lob von der AfD
Auf Gewerkschaftsseite wurde ebenfalls Kritik laut. «Die Wutrede von Weimer beschädigt unsere Demokratie. Wer bewusst ein Zerrbild der wirtschaftlichen Lage malt, politisches und staatliches Handeln verächtlich macht, spaltet das Land und stärkt die Rechtsradikalen», schrieb der Chefökonom der Gewerkschaft «Ver.di», Dierk Hirschel, auf der Plattform X.
Ein Kommentar des Magazins «Der Spiegel» rückte Weimers «teils muntere, grösstenteils aber krude Ausführungen» in den Kontext einer allgemeinen Politikerverachtung. «Das Ansehen der Ampelregierung, der Politiker insgesamt ist nahe dem Nullpunkt, die verbale Verächtlichmachung gehört zum Geschäftsmodell von AfD, Aiwanger, Wagenknecht und Teilen der sogenannten bürgerlichen Mitte. Von körperlichen Angriffen ganz zu schweigen.»
Mehrere Medien, darunter «Der Spiegel» und das Wirtschaftsmagazin «Capital», wiesen darauf hin, dass Weimer in rechten Kreisen und der AfD viel Zuspruch erhalte. Tatsächlich lobte beispielsweise die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch Weimers Ausführungen. Er spreche die Dinge an, die schief liefen.
Weimer selbst wies gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Vereinnahmungsversuche zurück. Wer seine Einlassungen dazu nutze, rechtsextreme Positionen von Europafeindlichkeit und Fremdenhass zu befeuern, sei auf dem Holzweg. «Ich als Person stehe für Freiheit und Demokratie. Mein Anliegen ist es, für Deutschland und Europa den Wohlstand zu mehren. Als Bürger und als Wirtschaftsführer unterstütze ich das Projekt eines starken Europas.»
Neben Kritik erfährt Weimers Rede aber auch viel Zustimmung. So sieht die CDU-Politikerin und frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner in den Ausführungen des Börsenchefs einen Beleg für die schlechte Regierungsarbeit der Regierung.
Auch der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Thorsten Alsleben nahm den Börsenchef gegen Kritik in Schutz. Weimer sei CEO eines «exzellent performenden» 16 000-Mitarbeiter-HighTech-Unternehmens mit intensiven Kontakten zu den wichtigsten Investoren weltweit. Als solcher habe er eine erschreckende Analyse des Standorts gegeben. «Reaktion von grünen X-Dullies und linken C4-Profs mit 5 Hiwis: «Der redet wirr», schrieb Alsleben auf der Plattform X.