Kilmar Garcia floh vor brutalen Gangs in El Salvador. Nun schob ihn die Trump-Regierung in ein Gefängnis in seiner Heimat ab. Seine Anwälte sprechen von einem «kafkaesken Fehler». Eventuell ist der Familienvater nicht das einzige Opfer der unzimperlichen Ausschaffungen.
Kilmar Garcia durfte eigentlich nicht abgeschoben werden. Ein amerikanischer Richter ordnete dies 2019 an. Seine Begründung: Garcia muss in seiner Heimat El Salvador fürchten, von Gangs bedroht zu werden.
Trotzdem verhafteten Beamte der Einwanderungsbehörde den dreifachen Familienvater am 12. März. Garcia hatte nach der Arbeit gerade seinen Sohn bei den Grosseltern abgeholt und wurde in Handschellen abgeführt. Der amerikanische Staat warf ihm vor, eine «Gefahr für die Allgemeinheit» und ein aktives Mitglied der salvadorianischen Gang MS-13 zu sein. Die Regierung stufte die kriminelle Gruppierung kürzlich als Terrororganisation ein.
Ohne Straftat auf unbestimmte Zeit in Haft
Wenige Tage später wurde Garcia zusammen mit 261 mutmasslichen kriminellen Migranten per Flugzeug nach El Salvador ausgeschafft. Unter ihnen befanden sich mehrheitlich Venezolaner, die zur Gang Tren de Aragua gehören sollen. Präsident Donald Trump wendete für die Abschiebungen die Alien Enemies Act aus dem Jahr 1798 an. Das Gesetz erlaubt es im Falle eines Krieges oder einer Invasion, ausländische Staatsbürger zu verhaften und einfacher auszuschaffen. Ob die Anwendung des Gesetzes auch in Friedenszeiten zulässig ist, erscheint jedoch fraglich. Ein Richter in Washington blockierte die Anwendung umgehend, doch das Flugzeug mit Garcia an Bord war bereits unterwegs nach El Salvador.
Dort in seiner Heimat sitzt der 29-Jährige nun auf unbestimmte Zeit in einem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis voll mit Gangmitgliedern. Die amerikanische Regierung bezahlt El Salvador für die Inhaftierung der Migranten sechs Millionen Dollar für ein Jahr. Trump bezeichnete die ausgeschafften Personen als «sehr schlechte Leute». Seine Pressesprecherin sprach von «Vergewaltigern, Mördern und Gangstern».
Doch Garcia ist in den USA offenbar nie straffällig geworden. Angeblich aus Angst vor der Gewalt der Gangs flüchtete er ungefähr 2011 im Alter von 16 Jahren in die USA. Seine Mutter betrieb ein kleines Geschäft. Sie verkaufte Pupusas – Teigtaschen, gefüllt mit Käse, Bohnen oder Schweinefleisch. Die Gang Barrio 18 soll von ihr Schutzgeld erpresst haben und drohte zunächst, Garcias älteren Bruder Cesar zu töten. Nachdem dieser in die USA geflohen war, drohte die Gang offenbar damit, Garcia zu entführen. Danach floh auch er nach Amerika.
In den USA heiratete Garcia eine amerikanische Staatsbürgerin, die zwei Kinder mit in die Ehe brachte. Gemeinsam haben sie einen 5-jährigen Sohn. Garcia ist Mitglied einer Gewerkschaft und machte eine Lehre als Metallbauschlosser. Zum Verhängnis wurde ihm 2019 offenbar eine eher zufällige Verhaftung gemeinsam mit drei anderen Männern auf einem Parkplatz vor einem Haushaltgeschäft, wo Garcia nach Arbeit suchte. Die Einwanderungsbehörden warfen ihm danach gestützt auf einen «Informanten» vor, ein Mitglied der MS-13 zu sein. Im Oktober lehnte ein Richter seinen Asylantrag ab, untersagte aber eine Ausschaffung.
Supreme Court: Ausschaffung ist «illegal»
In Gerichtsdokumenten gestanden die Einwanderungsbehörden kürzlich ein, dass es sich bei der Abschiebung um einen «administrativen Fehler» und «ein Versehen» gehandelt habe. Die Bundesbezirksrichterin Paula Xinis bezeichnete das Vorgehen als «vollkommen gesetzlos». Garcias Anwälte sprechen von einem «kafkaesken Fehler». Doch das amerikanische Justizministerium behauptet, die Regierung könne Garcia nicht aus dem Gefängnis in El Salvador zurück in die USA holen. Trumps Justizministerin Pam Bondi beurlaubte vor wenigen Tagen einen Staatsanwalt, der in einer Gerichtsverhandlung das Vorgehen der Regierung in diesem Fall kritisierte.
Am Donnerstag aber bezeichnete auch der Supreme Court die Abschiebung als «illegal». Die Regierung müsse Garcias Freilassung «ermöglichen». Richterin Xinis verlangte nach der Anordnung des Obersten Gerichts sogleich, dass die Behörden «alle möglichen Schritte unternehmen, um Garcia so bald wie möglich in die USA zurückzubringen».
Ob die Trump-Regierung dies tun wird, ist unklar. Für Freitagnachmittag (Lokalzeit) hat Xinis eine weitere Anhörung in dem Fall angesetzt. In seiner Anordnung schrieb der Supreme Court auch, dass das Bundesbezirksgericht in der Frage «genügend Rücksicht» auf die aussenpolitischen Kompetenzen der Regierung nehmen müsse. Das Justizministerium schrieb deshalb in einer Erklärung: «Aktivistische Richter haben keinerlei Zuständigkeit, um die Kontrolle über die Aussenpolitik des Präsidenten zu übernehmen.»
Sollte die Regierung nicht willens sein, ihren «administrativen Fehler» schnell zu korrigieren, könnte sich der Rechtsstreit weiter in die Länge ziehen. Für Garcia würde dies weitere Tage in Gefangenschaft bedeuten ohne einen fairen Prozess und ohne Kontakt zu seiner Familie.
Garcia ist aber womöglich nicht das einzige Opfer von Trumps unzimperlichen Ausschaffungen. Der Fernsehsender CBS berichtete kürzlich über einen schwulen Visagisten, einen ehemaligen Fussballspieler und einen Fahrer eines Lieferservices, die gemäss ihren Anwälten unschuldig in El Salvador inhaftiert sind. Lindsay Toczylowski, die Anwältin des venezolanischen Visagisten Andry Romero, sagte CBS: «Wir haben grosse Sorgen, ob er überleben kann.» Romero habe gute Chancen auf Asyl in den USA gehabt, glaubt Toczylowski.
Noch immer ist wenig bekannt über die Identitäten der 261 abgeschobenen Migranten. CBS verschaffte sich aber interne Regierungsdokumente mit einer Liste der Namen. Bei 75 Prozent der Venezolaner – 179 Männer – fand der Sender keinerlei Vorstrafen. Nur etwa ein Dutzend hätten schwere Straftaten begangen.