Im Januar 2021 beobachteten mehrere Berner Journalisten einen Einsatz der Polizei gegen einen Nordafrikaner. «Bund» und «Berner Zeitung» verglichen den Vorfall mit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd.
Das Berner Obergericht hat einen Polizisten freigesprochen, der nach einem Einsatz gegen einen Nordafrikaner in Bern im Sommer 2021 wegen Amtsmissbrauchs und Tätlichkeiten angeklagt worden war. Dies hat die kantonale Berner Sicherheitsdirektion in einem Communiqué mitgeteilt.
Der Vorfall hatte im Sommer 2021 ein grosses Medienecho ausgelöst und die Öffentlichkeit empört. Zwei Kantonspolizisten nahmen vor der Heiliggeistkirche beim Bahnhof Bern am frühen Morgen einen torkelnden Mann fest. Offenbar zufällig anwesende Journalisten von «Bund» und «Berner Zeitung» beschrieben das Vorgehen der Polizisten als brutal, rücksichtslos und unverhältnismässig. «Verstörende Szenen» hätten sich abgespielt, schrieben sie. Ein Polizist habe den Mann in Handschellen gewaltsam in einen Polizeiwagen gestossen. Auf Aufnahmen eines Fotografen sah es aus, als ob ein anderer Polizist sein Knie dem Mann auf den Hals drücke.
Die Staatsanwaltschaft eröffnete eine Ermittlung gegen die Polizisten und erhob Anklage. Einer der Polizisten wurde 2023 vom Regionalgericht freigesprochen, der andere wurde in erster Instanz verurteilt und ging in Berufung. Die Sicherheitsdirektion schreibt in ihrer Mitteilung vom Mittwoch, dass nun feststehe, dass der Polizeieinsatz strafrechtlich nicht relevant gewesen sei. Kein einziger der erhobenen Vorwürfe der Medien habe sich erhärtet.
Vergleiche mit George Floyd
Die Zeitungen «Bund» und «Berner Zeitung» hatten das Vorgehen der Berner Polizisten mit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd in den USA verglichen. Floyd wurde im Frühjahr 2020 von einem Polizisten mit dem Knie stark zu Boden gedrückt und erstickt. Sein Tod löste die «Black Lives Matter»-Bewegung aus.
Der Regierungsrat veröffentlichte Ende Januar einen Expertenbericht, der die Berichterstattung der Medien zum Vorfall vor der Heiliggeistkirche untersuchte. Darin heisst es, die Berichterstattung und vor allem der Vergleich mit dem Fall George Floyd seien irreführend und vorverurteilend gewesen. Die Medien hätten die Anhaltung wider besseres Wissen gefährlicher dargestellt, als sie tatsächlich gewesen sei.
Die Polizei hatte in einer Stellungnahme angegeben, der Mann habe überwältigt werden müssen, weil er sich bei der Anhaltung gewehrt habe. Einer der Polizisten habe sich bei der Auseinandersetzung die Hand verletzt, deshalb habe er zum Festhalten des Mannes sein Knie gebraucht. Dabei sei ihm unbeabsichtigt das Schienbein für kurze Zeit auf den Hals des Mannes gerutscht, schrieb auch der Regierungsrat in seinem Bericht. Der zweite Polizist sagte vor Gericht aus, er habe den Mann nicht gestossen, dieser sei beim Einstieg ins Fahrzeug gestolpert.
Die Sicherheitsdirektion schreibt nun: «Die Freisprüche bestätigen auf der ganzen Linie, dass die Medienberichterstattung vorverurteilend gewesen ist.» Es sei nicht zu beanstanden, dass über den Vorfall berichtet worden sei. «Die Art und Weise wie auch die Intensität der Medienberichterstattung erscheinen jedoch im Licht der vollständigen Freisprüche fragwürdig und irritierend», so die Behörde. Der Sicherheitsdirektor Philippe Müller bezeichnet die Berichterstattung in der Mitteilung als «Medienkampagne» gegen die Polizei.
Eine polizeiliche Anhaltung könne «bei Gegenwehr für Laien mitunter grob wirken», schreibt die Sicherheitsdirektion. Polizisten würden für den Einsatz von Zwang geschult. Der Öffentlichkeit sei aber nicht immer bekannt, welche Mittel dabei als notwendig und angemessen gelten. Der Regierungsrat strebe an, «die Polizeiarbeit und ihre Herausforderungen noch besser gegenüber Medienschaffenden und der Öffentlichkeit zu erklären».