Österreich hat seinen Widerstand gegen die Erweiterung des Schengenraums aufgegeben. Rumänien und Bulgarien erreichen damit ein langgehegtes Ziel, doch die Freude ist getrübt.
18 Jahre nach ihrer Aufnahme in die Europäische Union werden Rumänien und Bulgarien auch zu vollständigen Mitgliedern des Schengenraums. Die EU-Innenminister haben diese Woche die Grundlage dafür geschaffen, dass per 1. Januar auch die Kontrollen an der Landgrenze der beiden südosteuropäischen Staaten aufgehoben werden können. Bisher galt das nur für Reisen auf dem See- und Luftweg.
Zweifel an der Fähigkeit zum Grenzschutz
Mit dem Entscheid geht ein langes Ringen zu Ende, das in den beiden Staaten viel Verbitterung verursachte und zur Wahrnehmung beitrug, EU-Mitglieder zweiter Klasse zu sein. Denn die technischen Bedingungen für eine Aufnahme sind bereits seit 2011 erfüllt. Doch es fehlte der politische Wille für den Entscheid, zu dem jedes Mitgliedsland seine Zustimmung geben muss.
Das hat vornehmlich mit der stark gestiegenen Bedeutung der Migrationsfrage nach der Flüchtlingskrise von 2015 zu tun. Einerseits wurden wegen des grossen Korruptionsproblems grundsätzliche Zweifel an der Fähigkeit der beiden Staaten geäussert, ihre Aussengrenzen effektiv zu schützen. Skandale am bulgarisch-türkischen Grenzübergang verstärkten diesen Eindruck, obwohl es dort um Unregelmässigkeiten bei der Wareneinfuhr und nicht um irreguläre Migration ging.
Zudem gab es ganz grundsätzlich wenig Unterstützung für Massnahmen zur Aufweichung des Grenzschutzes, zumal im Südosten des Kontinents. Dass Bulgarien und Rumänien als Transitstaaten aber immer eine untergeordnete Rolle gespielt haben und die wichtigsten Migrationsrouten durch den Westbalkan verlaufen, war dabei zweitrangig.
Vor allem in Bukarest stiess es auf grosses Unverständnis, als bei der letzten Erweiterung vor zwei Jahren Kroatien in den Schengenraum aufgenommen wurde, Wien und in geringerem Masse auch Den Haag gegen den bulgarischen und rumänischen Beitritt aber weiterhin Vorbehalte geltend machten. Tatsächlich erweckte die österreichische Haltung immer den Anschein, vor allem innenpolitisch motiviert zu sein.
Die FPÖ kritisiert das «Einknicken» Wiens
Erst am Montag kündigte Österreichs Innenminister Gerhard Karner dann an, sein Veto zurückzunehmen. Auch in Wien war oft der Vorwurf erhoben worden, der Widerstand habe mit der Parlamentswahl von Ende September zu tun. Die konservative ÖVP, der auch Karner angehört, versucht seit Jahren, mit einer harten Linie in der Migrationspolitik das Erstarken der rechtspopulistischen FPÖ in Grenzen zu halten – jüngst aber mit wenig Erfolg.
Karner wies diese Sichtweise indes zurück: Er begründete das Veto mit der hohen Zahl illegaler Einreisen über die ungarische Grenze, die man noch vor zwei Jahren verzeichnet habe. Der Schritt sei ein «Hilferuf Österreichs» gewesen. Die Zahl der Grenzübertritte sei inzwischen deutlich zurückgegangen, weil Rumänien und Bulgarien Massnahmen zum besseren Schutz der Aussengrenze ergriffen hätten. Daher sei der Widerstand «richtig und notwendig» gewesen, so der Innenminister.
Als Zugeständnis kann Österreich ein Grenzschutzpaket vorweisen, das vor drei Wochen gemeinsam mit Rumänien, Bulgarien und Ungarn vereinbart wurde. Es sieht unter anderem vor, dass die vier Länder ein gemeinsames Kontingent von rund hundert Sicherheitskräften an die bulgarisch-türkische Grenze entsenden.
Die Blockade der Regierung war auch in Österreich umstritten, zumal die Wirtschaft an einem reibungslosen Handel innerhalb des Binnenmarkts interessiert ist und etwa im Bereich der Pflege viele Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien nach Österreich pendeln. Entsprechend waren die Reaktionen auf das Einlenken mehrheitlich positiv. Die FPÖ kritisierte aber das «Einknicken» und sprach von einem falschen Signal an die «Schleppermafia».
Innenpolitische Krisen überschatten die Freude
Derweil ist in Bukarest und Sofia die Freude getrübt und nicht mit der Feierstimmung in Kroatien vor zwei Jahren zu vergleichen, obwohl mit dem Beitritt zur grössten visafreien Zone der Welt ein langgehegtes Ziel erreicht ist. Einerseits wird es auch nach dem 1. Januar auf einer Reise in den Westen zu Wartezeiten an den Grenzen kommen, weil viele Staaten zumindest vorübergehend wieder einseitige Kontrollen eingeführt haben. Auch zwischen Bulgarien und Rumänien wird es auf den Wunsch Österreichs in den ersten sechs Monaten noch Stichproben an der Grenze geben.
Zudem befinden sich beide Staaten in einer tiefen innenpolitischen Krise, die alle Aufmerksamkeit absorbiert. Rumänien steht noch immer unter dem Schock des Überraschungserfolgs des rechtsradikalen, prorussischen Politikers Calin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen und der darauf folgenden umstrittenen Annullierung des Ergebnisses.
In Bulgarien gelingt es auch nach der siebten Wahl in drei Jahren nicht, eine stabile Regierung zu bilden. Vermutlich werden die Bürgerinnen und Bürger im neuen Jahr bald wieder an die Urnen gerufen. Die politische Instabilität verschiebt auch den Beitritt zur Euro-Zone, ein ausdrückliches Ziel Sofias, immer weiter nach hinten.







