Ein Schweizer Unternehmen hat über seine Tochterfirma im Ausland gegen die Russland-Sanktionen verstossen. Der Bundesrat will eine Stärkung des heutigen Sanktionssystems prüfen.
Im Fall von Umgehungen der Russland-Sanktionen durch Firmen in der Schweiz wird nun die Bundesanwaltschaft (BA) aktiv. Sie hat auf Ersuchen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) ein Verfahren übernommen, wie die BA-Sprecherin Linda von Burg auf Anfrage der NZZ sagte. Es geht um den mutmasslichen Verstoss eines Schweizer Unternehmens über eine Tochterfirma im Ausland.
Verstösse gegen die Sanktionen, die die Schweiz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verhängte, werden grundsätzlich durch das Seco geahndet. In schweren Fällen kann das Seco jedoch die Bundesanwaltschaft ersuchen, ein Strafverfahren zu eröffnen. Wie das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS im Februar berichtete, ist dies in bisher zwei Fällen geschehen, und zwar bei hiesigen Firmen, die über ihre Töchter im Ausland mit russischem Erdöl handelten.
Nach Auskunft der BA-Sprecherin hat die Bundesanwaltschaft nun entschieden, eines dieser Verfahren zu übernehmen. Im zweiten Fall lehnte sie die Übernahme jedoch ab. Nach eingehender Prüfung der Akten sei man zum Schluss gekommen, dass es sich dabei nicht um einen Fall mit besonderer Bedeutung im Sinn der einschlägigen Bestimmung des Embargogesetzes handle. Weitere Angaben zu den beiden Verfahren machte die BA nicht, auch nicht zu weiteren hängigen Vorabklärungen hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland. Man sei im engen Austausch mit dem Seco sowie mit der Geldwäscherei-Meldestelle im Bundesamt für Polizei und mit weiteren Partnern.
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
Die BA kann im Falle eines Strafverfahrens auch die Beschlagnahmung von Vermögenswerten anordnen. Laut den Strafbestimmungen des Embargogesetzes können vorsätzliche Verstösse mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. In schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren möglich. Bei fahrlässiger Tatbegehung sind Bussen von bis zu 100 000 Franken vorgesehen.
Zwei Jahre nach der Verhängung der Sanktionen sind dem Seco bisher rund 230 Verdachtsfälle von Verstössen gemeldet worden. Es geht mehrheitlich um Gütersanktionen, zum Beispiel um Luxusgüter oder für Russland wirtschaftlich bedeutende Güter. In 47 Fällen eröffnete das Seco Verwaltungsstrafverfahren, von denen bisher 29 rechtskräftig abgeschlossen sind. Zwanzig Verfahren wurden eingestellt, in acht Fällen kam es zu Strafbescheiden und in einem Fall zu einer Strafverfügung. In rund 100 Fällen verzichtete das Seco auf die Eröffnung eines Strafverfahrens, weil sich der Verdacht auf strafbares Verhalten nicht erhärtete.
Verlagerung des Rohstoffhandels von Genf nach Dubai
Der Rohstoffhandel mit Russland hat sich seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs zum Teil von Genf nach Dubai verlagert. Die Umsetzung der Sanktionen wirft dabei heikle Rechtsfragen auf. So hatte Grossbritannien kürzlich den Niederländer Niels Troost und sein in Genf ansässiges Unternehmen Paramount Energy & Commodities SA mit Sanktionen belegt. Zur Frage der Umgehung der Russland-Sanktionen durch ausländische Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen hat der Bundesrat im vergangenen August in Beantwortung eines grünliberalen Vorstosses festgehalten, dass der räumliche Geltungsbereich der Sanktionen im Embargogesetz nicht explizit geregelt sei.
Rechtlich selbständige Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen im Ausland oder im Ausland niedergelassene Schweizer Bürgerinnen und Bürger unterlägen daher in der Regel nicht der schweizerischen Rechtssetzung und damit auch nicht den Sanktionsmassnahmen des Bundesrates.
Es müsse im Einzelfall beurteilt werden, inwieweit im Ausland begangene Handlungen unter die schweizerische Gerichtsbarkeit und damit unter die Sanktionsbestimmungen der Schweiz fielen. Mögliche Anknüpfungspunkte an die Schweizer Gerichtsbarkeit bestehen gemäss Bundesrat zum Beispiel, wenn – durch die Sanktionen verbotene – Zahlungen oder Anweisungen von der Schweiz aus getätigt werden. Der Bundesrat wies ausserdem darauf hin, dass er verschiedene Möglichkeiten zur Stärkung des gegenwärtigen Sanktionssystems prüfe, unter anderen bei den Strafbestimmungen.