Die von «Compact» verbreiteten Inhalte sind nach Ansicht der Richter durch die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit gedeckt.
Das rechtsextreme Magazin «Compact» kann weiter erscheinen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag ein Verbot aufgehoben, das die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Sommer 2024 erlassen hatte.
Die Richter bestätigten damit ihre Entscheidung aus einem Eilverfahren im vergangenen August. Damals hatten sie das Verbot vorläufig ausgesetzt, so dass das Blatt vorerst weiter erscheinen konnte. Nun hat der zuständige 6. Senat im Hauptsacheverfahren seine endgültige Entscheidung getroffen.
Rassistisches Weltbild
Faeser hatte das Magazin am 5. Juni 2024 verboten und es als «zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene» bezeichnet. Damit war eine sofortige Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von «Compact» verbunden. Rechtlich handelte es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot. Das Innenministerium hatte sich auf Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Vereinsgesetz berufen. Dem Grundgesetz zufolge sind Vereinigungen verboten, «deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmässige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten».
Das Innenministerium hatte argumentiert, «Compact» verbreite rassistische, antisemitische, verschwörungstheoretische und minderheitenfeindliche Inhalte. Dabei agitiere das Magazin in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmässige Ordnung und vertrete ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept. So verwende «Compact» in seinen Artikeln mit Blick auf die Einwanderung Begriffe wie «Mischrasse», pflege das Narrativ vom «Bevölkerungsaustausch» und propagiere die «Remigration» von Einwanderern zum Erhalt eines ethnisch homogenen Volkes. Dies spiegele ein rassistisches Weltbild wider.
Vereinsgesetz auch auf Medienunternehmen anwendbar
In dem Hauptsacheverfahren ging es zum einen darum, ob das Vereinsgesetz auf ein Presse- und Medienunternehmen anwendbar ist. Zum anderen musste das Gericht urteilen, ob die Aussagen, die sich in den publizistischen Erzeugnissen von «Compact» wiederfinden, durch die im Grundgesetz verankerte Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sind. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass die von dem Geschäftsführer Jürgen Elsässer geführte Compact-Magazin GmbH Inhalte nicht nur über das monatlich erscheinende Magazin «Compact», sondern auch über eine eigene Website, einen Online-Shop und einen Youtube-Kanal verbreitet sowie Veranstaltungen und Kampagnen organisiert.
Das 2010 gegründete Medienunternehmen hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stössen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des Magazins «Compact» liegt laut dem Gericht bei 40 000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460 000 Klicks.
Mit Blick auf das Vereinsgesetz entschieden die Richter, dass die verfassungsrechtlich geschützte Presse- und Meinungsfreiheit der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Medienunternehmen nicht entgegensteht. Daher sei das Vereinsgesetz auch auf die Compact-Magazin GmbH anwendbar. Zudem handele es sich bei der Compact-Magazin GmbH nicht nur um ein Presse- und Medienunternehmen, sondern um einen Personenzusammenschluss, der sich als «Teil einer Bewegung» mit einer politischen Agenda verstehe, die auf eine «Machtperspektive» hinarbeite.
Ideologische Nähe zur Identitären Bewegung
Die Leipziger Richter verweisen auf die ideologische Nähe des Chefs von Compact-TV zur Identitären Bewegung und zu deren intellektuellen Kopf Martin Sellner, der das Konzept der Remigration entworfen habe. Dieses zielt auf die Rückführung von Einwanderern in ihre Heimatländer ab. Insoweit sich die Forderung nach Remigration, mit der sich «Compact» identifiziere, gegen deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund richte, behandele es diese als Staatsbürger zweiter Klasse und missachte das von der Verfassung geschützte «egalitäre Verständnis der Staatsangehörigkeit».
Gleichwohl dürfe die vom Grundgesetz geschützte Presse- und Meinungsfreiheit nicht durch ein Vereinsverbot gegen ein Medienunternehmen unterlaufen werden. Ein Vereinsverbot komme daher nur in Betracht, wenn von der Meinungsfreiheit grundsätzlich geschützte verfassungswidrige Vorstellungen in «kämpferisch-aggressiver Weise» umgesetzt werden sollen.
Dazu müssten die verfassungswidrigen Aktivitäten mit Blick auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit «prägend» für die Vereinigung oder das Medienunternehmen sein. Diese Schwelle sei bei der Gesamtwürdigung der verbotsrelevanten Äusserungen und Aktivitäten von «Compact» aber «noch nicht» erreicht. Die Compact-Magazin GmbH erfülle daher «nicht sämtliche Voraussetzungen des eng auszulegenden Verbotsgrunds des Sichrichtens gegen die verfassungsmässige Ordnung», heisst es in dem Urteil.
Überspitzte, aber zulässige Kritik an der Migrationspolitik
Viele der vom Bundesinnenministerium angeführten migrationskritischen Äusserungen, die sich in den Medienkanälen der Compact-Magazin GmbH wiederfinden, liessen sich als «überspitzte», aber im Lichte der Meinungsfreiheit zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten. So verstiessen Forderungen nach strengeren Einbürgerungsvoraussetzungen im Staatsangehörigkeitsrecht nicht gegen die Menschenwürde oder das Demokratieprinzip.
Die Leipziger Richter betonen in ihrem Urteil, dass das Grundgesetz «im Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert». Dadurch geniessen auch die in den Erzeugnissen der Compact-Magazin GmbH zum Ausdruck kommende polemische Machtkritik, die Verschwörungstheorien sowie die geschichtsrevisionistischen Betrachtungen den Schutz der in der Verfassung verankerten Meinungs- und Pressefreiheit.
Der Compact-Geschäftsführer und Chefredakteur Jürgen Elsässer bezeichnete sich nach dem Urteil als «Bundesregierungsbesieger». Auch wenn seinem Magazin durch das vorübergehende Verbot ein finanzieller Schaden entstanden sei, sei das Verfahren «aber natürlich für uns auch eine Werbemassnahme von Frau Faeser» gewesen, sagte Elsässer.
Relevanz auch für Verbotsverfahren gegen die AfD ?
Darüber hinaus sei das Urteil von Relevanz für ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD. Die Partei werde von dem Urteil profitieren, sagte Elsässer. «Wenn es unmöglich ist, ‹Compact› zu verbieten, ist es auch nicht möglich, die AfD zu verbieten, der ja dasselbe vorgeworfen wird wie uns.» Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuft, musste diese Einschätzung nach einer Klage der AfD aber wieder aussetzen.
Elsässers Anwalt Laurens Nothdurft sah in dem Prozess einen «Präzedenzfall» für die Pressefreiheit in Deutschland. «Ein kritisches Medium lässt sich künftig nicht mehr durch einen Federstreich einer Ministerin beseitigen», sagte Nothdurft. Die Leipziger Richter haben in der Angelegenheit das letzte Wort gehabt. Dem Innenministerium stehen keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung zur Verfügung.