Mit der Station Qinling ist China am Südrand aller Ozeane präsent. Bedenken, dass sein Antarktis-Programm nicht nur Forschungszwecken dient, weist Peking zurück. Hat der Wettkampf der Grossmächte den Südpol erreicht?
Das Lob kam von ganz oben: Xi Jinping, Chinas Staats- und Parteichef, gratulierte am Mittwoch allen Beteiligten zur Fertigstellung und Eröffnung der Forschungsstation Qinling in der Antarktis. Es ist Chinas fünfte Station und die dritte, die ganzjährig in Betrieb sein wird. Laut chinesischen Medienberichten bietet sie im Sommer 80 und im Winter 30 Personen Platz.
Qinling liegt auf Inexpressible Island am Ross-Meer und damit am südlichen Ende des Pazifiks. Mit seinen Stationen Great Wall und Zhongshan ist China bereits am Atlantischen und am Indischen Ozean präsent. Zwei saisonale Stationen im Innern des Kontinents komplettieren Chinas Präsenz auf dem kalten Kontinent.
China liegt in der Antarktis im Mittelfeld
Damit zählt China zu den mittelgrossen Akteuren in der Antarktis. Die grösste Präsenz hat Argentinien mit sechs ganzjährig und sieben saisonal betriebenen Stationen. Der grosse geopolitische Rivale USA betreibt drei ganzjährige Stationen. Dazu gehören Amundsen-Scott, die exakt auf dem Südpol liegt, und die grösste Station des Kontinents, McMurdo.
Der Bau von Qinling begann 2018. Unter anderem wegen der Covid-Pandemie verzögerte sich die Fertigstellung. Anfang November 2023 verliessen dann zwei Eisbrecher und ein Transportschiff mit 460 Personen an Bord ihre Heimathäfen in China für die Fahrt in die Antarktis. Der Auftrag: die Station fertigzustellen.
Wegen des extremen Klimas in der Antarktis sind Versorgungsfahrten und Bauarbeiten nur während der Sommermonate von etwa November/Dezember bis Februar/März möglich. Dieses Zeitfenster musste gut genutzt werden. Ein Video der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zeigt, wie Arbeiter zeitweise in dichtem Schneegestöber die Station bauen. Um zu zeigen, wie heldenhaft ihre Anstrengungen waren, ist das Video mit dramatischer Orchestermusik unterlegt.
China hat das Recht, in der Antarktis Forschung zu betreiben
Der Antarktisvertrag, dem China 1983 beigetreten ist, gibt allen Mitgliedern das Recht, zu friedlichen Forschungszwecken Stationen auf dem Kontinent zu bauen und zu betreiben. Laut dem Verzeichnis des Council of Managers of National Antarctic Programs tun dies rund 30 Länder.
Dennoch wirft Chinas Antarktisprogramm Fragen auf. Vor allem amerikanische Experten schlagen immer wieder Alarm. China sei dabei, in der Antarktis eine beeindruckende Präsenz aufzubauen, die mit ziemlicher Sicherheit mit seinem zivilen Raumfahrtprogramm und künftigen Missionen der Volksbefreiungsarmee zusammenhingen, schrieb das Pentagon im Oktober in seinem jährlichen Bericht zum chinesischen Militär. Die Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) schrieb vor einem Jahr, dass der Wettkampf der Grossmächte den Südpol erreicht habe.
China weist die Vorwürfe von sich. Chinas neue Antarktisstation werde in voller Übereinstimmung mit den internationalen Regeln und Verfahren gebaut und betrieben, sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums auf Fragen von ausländischen Journalisten in Peking. Die Station werde die Zusammenarbeit mit anderen Ländern sowie den Frieden und die nachhaltige Entwicklung der Region fördern.
Nutzt Chinas Antarktisprogramm dem Militär?
Ob und wieweit China seine bestehenden und die neue Station für militärische Zwecke nutzt, ist schwer zu sagen. Eindeutige Belege liegen keine vor. Das Misstrauen gegenüber China ist deshalb gross, weil es offen die «militärisch-zivile Fusion» verfolgt. Unter dieser Doktrin fordert die kommunistische Führung den zivilen Sektor, auch die Wissenschaft, dazu auf, sich in den Dienst der Streitkräfte zu stellen.
Auch werden in der Antarktis Dual-Use-Technologien verwendet, welche zivile wie militärische Anwendungen haben. Dazu gehören zum Beispiel Bodenstationen für Satelliten. Daneben setzen verschiedene Länder militärische Mittel in der Logistik ein, etwa Transportflugzeuge. Dies ist unter dem Antarktisvertrag erlaubt.
Rohstoffe könnten für China interessant sein
Umweltschützer vermuten auch, dass China ein Auge auf die in der Antarktis vermuteten Bodenschätze geworfen hat. Der Rohstoffhunger des Riesenlandes ist gut bekannt.
Gegenwärtig verbietet das Madrid-Protokoll, das den Antarktis-Vertrag ergänzt, den kommerziellen Bergbau und die kommerzielle Ölförderung auf dem kalten Kontinent. Doch 2048 kann das Protokoll neu verhandelt werden. Kritiker befürchten, dass Chinas Forschung auch dazu dient, mineralische Vorkommen zu lokalisieren und zu quantifizieren, um bei einer allfälligen Lockerung des Verbots sofort mit der Förderung beginnen zu können.
Diese Befürchtungen dürften durch das Gratulationsschreiben von Xi Jinping an die Erbauer noch einmal gestärkt werden. Denn Chinas allmächtiger Führer fordert darin nicht bloss, dass die Polarregionen besser verstanden und geschützt würden – sondern auch stärker genutzt.